In Russland am Tag der Wahlen
Am 4.3.12 findet in Russland die zweite Wahlrunde statt: Nach der Partei wird jetzt der künftige Präsident "gewählt".
Kritische Stimmen, vor allem von deutscher Presse aus, betiteln Artikel über Russlands Wahlen mit "Russland erwartet den Betrug" (Stern) und "Im Bus auf Rundfahrt zur Wahlfälschung" (Focus).
Hunderttausende Russen demonstrierten in diesem Winter für freie Wahlen und ließen sich zum Wahlbeobachter ausbilden. Doch die Wahlbeobachtung hat Lücken: Webcams, die Wahllokale überwachen sollen, funktionieren nicht; Bürger werden zu "Karussellfahrten" angestoßen, Gänge von Wahllokal zu Wahllokal; im Internet kursieren Videos, die Wahlleiter zeigen, die Stapel an Wahlzettel mit einem Kreuz für Putin versahen.
Die Auszählung der Stimmen kann nicht umfassend kontrolliert werden und schon heute Mittag wurden von Wahlbeobachtern tausende Verdachte auf Fälschung gemeldet- eine Reaktion von der Regierung bleibt aus.
Es werden von St Petersburg aus als Ausflüge getarnte Fahrten nach Moskau verschenkt, wer mitfährt verpflichtet sich zu zweistündiger Hilfe bei der Wahl.
Doch hier wundert sich keiner mehr: 67% der Russen rechnen mit einer unfairen Wahl. Die kritischen Stimmen werden nun auch in Russland lauter. Der oppositionelle Politiker Alexej Nawalnyj möchte die Abstimmung nicht einmal Wahl nennen: "Es ist nur ein Ereignis, mit dem Putin versucht sich Legitimität zu sichern" (Stern). Weitere Demonstrationen sind geplant.
Die Organisation "Bürgerliche Beobachter" veranstaltet Vorlesungen zum Thema Demokratie, Wahlbetrug und russische Realität. Die Hörsäle füllen sich so wie die Straßen. Fruchten wird dieser Widerstand in diesem Jahr aber sicher noch nicht. Experten erwarten eine sich über mindestens zwanzig Jahre hingezogene Entwicklung bis hin zu gerechten Wahlen.
Schon die Vorbereitung der Bürger auf die Wahl lässt uns nur den Kopf schütteln: Mitarbeiter staatlicher Fabriken, Unternehmen und Instituten sind gezwungen, sich Vorträge über Putins Wahlversprechen anzuhören; Presse und Wahlwerbung wird streng kontrolliert, kritische Stimmen gibt es nur unterschwellig und erreichen weder ältere Generationen noch Menschen außerhalb der Großstädte.
Putin hat sich beliebt gemacht vor der Wahl, an Sozialprojekte gespendet, sibirischen Dörfen Schwimmbäder gebaut und patriotische Reden gehalten ("Russland hat Siegergene").
Putin wird auch gewinnen, weil die Gegner fehlen. Grigorij Jawlinskij von der Mitte-Links-Partei Jabloko wurde zur Wahl nicht zugelassen. Tatsächlich hätte einzig Gennadij Sjuganow (kommunistische Partei) ohne Wahlbetrug die Chance, gegen Putin zu gewinnen. Andere Präsidentschaftsanwärter sind kremlnah eingestellt und laut Kritikern eher Scheinantreter.
Ein Beispiel ist der parteiunabhängige Milliardär Prochorow, dessen Kandidatur von Putin selbst vorgeschlagen wurde.
Gespannt ist hier keiner, wer die Wahl denn gewinnen wird. Der sonnige Sonntag plätschert vor sich hin, die Wahl wird höchstens beiläufig erwähnt.