Imants Ziedonis – Der Tod eines lettischen Dichters
Imants Ziedonis ist am Mittwoch, den 27. Februar, im Alter von 79 Jahren gestorben. Er war vor allem zur Zeit der sowjetischen Besatzung eine bedeutende Persönlichkeit in der Freiheitsbewegung und somit in der Geschichte Lettlands sowie aber auch für die Letten. Deshalb möchte ich ihm hier einen Eintrag widmen.
Während und nach der Sowjetzeit galt er als einer der populärsten und beliebtesten Autoren von Märchen und Kindergeschichten. Er war auch in der „Singenden Revolution“ Lettlands aktiv, welche eine Unabhängigkeitsbewegung während der Sowjetzeit war, bei der nationalistische und meist traditionelle Lieder auf öffentlichen Plätzen gesungen wurden. Seine Gedichte und Kurzprosa wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, einige seiner Werke auch ins Deutsche.
In unserer heutigen Zeit war er als Übersetzer, Drehbuchautor und Politiker tätig.
Ziedonis wurde in Ragaciems geboren. 1952 schloss er die Schule an der 1. Schule in Tukums ab. Bis 1959 studierte er Philologie. 1964 schloss er das Studium der Weltliteratur ab. Während seines Studiums hatte er verschiedenste Gelegenheitsjobs vom Bibliothekar bis zum Straßenarbeiter.
Seine erste Gedichte Sammlung eröffnete Ziedonis im Jahr 1961 unter dem Titel „Zemes un sapņu smilts” (Sand der Erde und Träume).
Seit 1968 arbeitete er als professioneller Schriftsteller. Dabei hat er verschiedenste Genres bedient: Reiseberichte, Gedichte, Dramatisierungen, Geschichten, Drehbücher sowie den Text zu I. Kalniņas Oratorium “Dzejnieks un nāra” (Dichter und Nixe).
Ziedonis entschied sich während der sowjetischen Besatzungszeit nicht in den Westen auszuwandern und stattdessen in Lettland zu bleiben, um die seiner Meinung nach beste lettische Literatur in der Nationalen Bibliothek vor der russischen Zerstörung zu erhalten.
In den 70er Jahren begann er sich für die Ursprünge der lettischen Volkskultur zu interessieren. In dieser Zeit begann er ein Haus auf dem Land zu bauen. Dies war nämlich eine herausfordernde Tat gegenüber der sowjetischen Besetzung und hatte deshalb also auch einen politischen Hintergrund. Ziedonis wollte allerdings so zu den Ursprüngen zurückkehren. In dieser Zeit begann er dann auch Volksmärchen und Kinderbücher zu sammeln und schreiben.
Ziedonis hat es immer geschafft eine Balance zwischen Akzeptanz und Ablehnung den sowjetischen Besatzern gegenüber zu erhalten. Als einer der bekanntesten Stimmen der Dichter in der Sowjetzeit, riskierte er es immer wieder als ein Regimekritiker der sowjetischen Führung gegenüber zu erscheinen.
Zur gleichen Zeit hat er allerdings auch nie ganz mit der sowjetischen Führung gebrochen.
Er hat auf nationaler sowie auch auf internationaler Ebene einige Auszeichnungen erhalten. 1977, im Jahr nach seinen aufwieglerischen Schriften, hat ihn die sowjetische Regierung sogar mit dem Preis „nationaler Dichter von Sowjet-Lettland“ ausgezeichnet.
Nach der lettischen Unabhängigkeit wurde er 1995 mit dem höchsten lettischen Orden für zivilen Verdienst für die Nation ausgezeichnet.
Für Ziedonis hat das „Neue Theater Riga“ die Show „Ziedonis und das Universum" inszeniert.
Lettlands Staatspräsident Andris Berzins würdigte die „herausragende Persönlichkeit und Lebensphilosophie“ Ziedonis'.
Eine kleine Kostprobe eines seiner Gedichte ins Deutsche übersetzt:
Es geht...
Wenn man niemand mehr erwartet,
kommt die Schwester Einsamkeit.
Braune Augen, dunkle Haare
hat die Schwester Einsamkeit.
Dich verlassen Frau und Brüder,
es entläuft dein Hund ins Weite.
Dann, wenn du schon ganz allein bist,
kommt die Schwester Einsamkeit.
Sie bereitet dir den Kaffee,
stopft dir deine alten Socken,
steht bei Nacht an deinem Bette,
deine Schwester Einsamkeit.
Wenn man dich ins Grab wird legen,
werden viele dich beweinen.
Danach werden alle heimgehn
und zu Hause weiterleben.
Sie alleine wird den Deckel
deines Sarges sachte heben
und sich leise zu dir legen –
deine Schwester Einsamkeit.