Im Oratoř – auf der Suche nach der Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und allem!
Raumschiffe bauen, wilde Piraten vertreiben und Meteoritenschauer überstehen: A_Waitler_in_Prag hält seine Kinder ganz schön auf Trab - und die Kinder sind ganz verrückt danach!
So, nun ist es doch schon glatt mehr als zwei Monate her, dass ich meinen letzten Beitrag hier verfasst habe! Und da hab ich mich dann ein paar Nächte lang hingesetzt und alles aufgeschrieben, was mir eingefallen ist – und das wurde dann ein ziemlich langer Text.
Ich weiß, einige von euch werden mich nun vielleicht wieder tadeln, dass das zu viel auf einmal sei und ich doch besser kürzer und dafür regelmäßiger schreiben sollte. Aber dazu komm ich einfach nicht! Aber ich habe diesmal versucht, meinen Blog in ein paar kleinere Kapitel zu unterteilen.
Und ich hoffe, dass ich all jenen, mit denen ich, als ich über Weihnachten daheim war, nicht zusammengekommen bin, sowie denen, die ebenfalls als Freiwillige über ganz Europa verstreut sind, einen kleinen Einblick in mein Leben hier in Prag geben kann.
So möchte ich euch einen meiner Arbeitsbereiche genauer vorstellen, nämlich das Oratoř. Das Oratoř, ausgesprochen "Oratorsch" und zu Deutsch Oratorium, ist der Teil des Jugendzentrums, in dem ich eingesetzt bin, genauso wie Bernhard, der zweite deutsche Freiwillige hier.
Ich glaube, ich habe in meinen bisherigen Blogs der Einfachheit halber das Oratoř immer als das Jugendzentrum bezeichnet, aber genau genommen hat Letzteres noch zwei weitere Teile, nämlich den Jugendklub "Vrtule" (= "Propeller") sowie einen Fitnessraum, der auch über eine Kletterwand verfügt. In diesen zwei anderen Teilbereichen sind wir zwei Freiwillige aber nicht eingesetzt.
Charakteristisch für das Oratoř sowie für das gesamte Jugendzentrum ist, dass es sich dabei im Gegensatz zu den Hobbygruppen um freie Jugendarbeit handelt. Das heißt, dass bei den Hobbygruppen eine bestimmte Anzahl von Kindern eingeschrieben ist, die regelmäßig zu jeder Gruppenstunde kommen und mit denen man dabei dann immer das gleiche macht, in meinem Fall eben Fußball spielen.
Im Oratoř dagegen haben wir zwar auch unsere Stammgäste, diese können aber kommen und gehen, wann sie wollen und das machen, wozu sie gerade Lust haben, sei es Fußball, Tischtennis, Kicker oder Brettspiele spielen, bei schönem Wetter den Skatepark im Außenbereich nutzen oder sich einfach nur unterhalten.
Ein weiterer Unterschied ist, dass an den "kroužky", den "Zirkeln", wie es auf Tschechisch eigentlich heißt, vor allem Kinder teilnehmen, deren Familien auch in der Pfarrei aktiv sind. Ihre Eltern sind froh, wenn sie sie zu den Salesianern schicken können, weil sie wissen, dass ihre Kinder dort gut aufgehoben sind. Meist bringen sie sie auch selber dorthin und schauen uns, wie in meinem Falle, noch ein wenig beim Kicken zu.
Ins Oratoř kommen hingegen eher Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen. So erzählte mir ein kleiner Bub einmal, dass er sich zu Weihnachten ein Spiel, das wir im Oratoř haben, auch für zu Hause gewünscht hatte, seine Mutter ihm aber sagte, dass sie sich das nicht leisten können.
Zudem verfügen sie teilweise über ein niedrigeres Bildungsniveau – zum Beispiel gehen ein paar von ihnen auf eine Art Förderschule, was man dann manchmal schon merkt, wenn sie beispielsweise bei Brettspielen einfach die Spielregeln nicht verstehen. Und die meisten von ihnen haben auch nichts mit der Kirche zu tun und waren noch nie in einem Gottesdienst, nicht mal zu Weihnachten.
Aber gerade solcher weniger begünstigter Kinder wollte sich Don Bosco, der Ordensgründer der Salesianer, annehmen, gemäß dem Bibelwort "Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken." (Matthäus 9, 12)
Das Oratoř ist jeden Werktag von zwei bis sechs Uhr nachmittags geöffnet und Bernhard und ich sind beide zwei Nachmittage pro Woche dort, einmal zusammen, einmal einzeln. Ich gehe sehr gerne dorthin, vor allem, weil dort meist immer die selben Kinder hinkommen, die ich deswegen mittlerweile auch schon gut kenne.
Es ist eine schöne Tätigkeit, sich dort um die Kinder zu kümmern und mit ihnen zu spielen – wobei das aber nicht heißt, dass das keinerlei Anstrengung erfordern würde! Denn manchmal wird von diesen Kindern, dem Umstand entsprechend, dass sie sich, nachdem sie am Vormittag in der Schule waren, endlich austoben wollen, ein solches Geschrei veranstaltet, dass es für einen noch erst sehr wenig erfahrenen Pädagogen wie mich kaum auszuhalten ist!
Jetzt im Winter verbringen wir unsere Zeit natürlich mehr im Innenraum des Oratoř, vor allem mit Brettspielen. Von denen haben wir eine ganze Menge, aber im Grunde wollen die Kinder die ganze Zeit über genau zwei davon spielen: "Dominion" und "Galaxy Trucker".
Denn zunächst einmal haben wir diese Spiele noch nicht lange, sodass sie noch den Reiz des Neuartigen in sich tragen; vor allem aber entsprechen sie wohl allen Anforderungen an ein gutes Brettspiel: Sie spielen beide in einer fremden und faszinierenden Umgebung, die sich vom normalen Alltag abhebt.
So entstammt Dominion dem Mittelaltergenre, da man durch den Einsatz von Karten wie Markt, Laboratorium, Bergwerk oder Burggraben in den Besitz von Kupfer-, Silber- und Goldstücken gelangen muss, mit deren Hilfe man letzten Endes neue Provinzen und Ländereien erobern kann.
Galaxy Trucker dagegen spielt in der Zukunft und ist science-fiction-mäßig aufgebaut. Und welcher kleine Bub wünscht es sich denn nicht, Abenteurer oder Astronaut zu werden? Dieses Galaxy Trucker übt wirklich einen ungeheuren Reiz auf einige der Kinder aus. Denn dabei reist man nicht einfach nur per Anhalter durch die Galaxis, sondern man hat im ersten Teil des Spiels die Möglichkeit, sich sein eigenes Raumschiff zusammenzubauen.
So was machen Kinder ja immer gerne, was man zum Beispiel bei Lego sieht. Das sieht dann so aus, dass in der Tischmitte vor den Spielbrettern der vier Spieler ein großer Haufen kleiner Kärtchen liegt, nein, keine 42, sondern wohl mehr als hundert Stück, die die verschiedenen Raumschiffteile darstellen:
Da gibt es Motoren, Kanonen, Batterien, Speicherräume, Schutzschilde, Räume für die Besatzung und einiges mehr. Diese Kärtchen muss man nun auf den dafür vorgesehenen Plätzen des eigenen Spielbretts zusammenfügen. Dabei kann man sich aber nicht einfach nur die besten Teile nehmen und irgendwie vor sich hinlegen, nein, sie müssen stets untereinander verbunden sein, was aber nicht immer möglich ist, sodass man, in stetem Kampf gegen die unerbittlich rieselnde Sanduhr, immer und immer wieder hin und her probieren muss.
Wenn man sich dann so sein Raumfahrzeug zusammengebaut hat, beginnt das eigentliche Spiel, bei dem man, philosophisch und in Anspielung an einen gewissen Science-Fiction-Film ausgedrückt (Welcher? Findet's raus!), im Grunde stets auf der Suche nach der Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und allem, gemäß der gespielten Karten, solche Abenteuer wie Piratenangriffe, Meteoritenschauer oder einen Krieg der Sterne zu überstehen und nebenbei auf vielerlei Art und Weise Punkte zu ergattern hat.
Und in dem Moment, in dem alle Karten gespielt sind, wird das vorhandene Universum durch etwas noch bizarreres und unbegreiflicheres ersetzt, worauf man notwendigerweise durch den Bau eines noch größeren und noch mächtigeren Schiffes antworten muss.
Und wer nach drei Runden, bei denen also stets die verschiedenen Bauteile in die Mitte wandern und wieder zusammengebaut werden, im Laufe dieser Odyssee im Weltraum am meisten Punkte gesammelt hat, ist der Herrscher des Universums!
Die Kinder sind wie wild auf dieses Spiel und können gar nicht genug davon kriegen! Und aus meiner Beschreibung konntet ihr sicher herauslesen, wie gerne auch ich selbst zum Galaxy Trucker werde. =)
Und was ich sonst noch so alles erlebt habe, könnt ihr in meinem nächsten Beitrag "Stets auf Achse – durch Prag und den Rest Tschechiens" nachlesen.
"Erziehen ist vor allem eine Sache des Herzens."
Don Bosco
Auslandsadresse:
Christoph Mauerer
Salesiánská asociace Dona Boska, o.s. (SADBA)
Kobyliské nám. 1, 182 00 Praha
Česká Republika
Skype: christoph-mauerer
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