Im Musterhaus

Ich bin zurück im Block. Heute bin ich endgültig umgezogen, in eine billigere Wohnung außerhalb des Zentrums, wo ich nicht so viel Geld verschwende, wenn ich oft verreise. Auch wenn es mir schwer fiel, die Franzosen zu verlassen: die Wohnung ist einsame Spitze. Sie gehört den Leuten, über die ich meine Arbeit schreibe: polnischen Migranten. Die sind gerade in Neuseeland und vermieten die Wohnung. Das heißt, komplette und brandneue Einrichtung, Stapel von Geschirr, Einbauküche, ein Bad wie aus dem Musterhaus, Riesenkühlschrank, Riesenwaschmaschine. Eigentlich schon spießig. Deutlich, dass die Leute das Geld dafür im Ausland verdient haben, und zwar zuerst in... Newcastle!

Auch die Gegend hat mich sofort begeistert und ist in vielen Dingen ein waschechtes Unikat in diesem Land: Durchgehend Fahrradweg bis ins Zentrum! Fahrradständer vor den Supermärkten! Es ist zwar ein Blockviertel, aber großzügigst grün und ruhig, zwischen den Blöcken überall große Spielplätze, Kindergärten, Grundschulen, Gymnasien, Geschäfte jeder Couleur, Ärzte, Apotheken, Bäckereien, Fleischereien, zwei Supermärkte, Post, und alles schnell zu erreichen per Rad. Das Viertel fasst so viele Menschen, dass die örtliche Kirche eigentlich zwei Kirchen sind, im Doppelstock übereinander.

Nur die Mitbewohner scheinen etwas bieder, ein lernbegeisterter sowie akurat gekleideter Jungstudent und seine Freundin. Ich hätte lieber meine rauchenden, trinkenden, unordentlichen Franzosen. Die haben mir aber ohnehin die Schlüssel gelassen, ich kann bei ihnen im Zentrum übernachten wann ich will und habe für die halbe Miete quasi zwei Wohnungen. So habe ich einen weiteren Satz Schlüssel am Bund, und das Beste: es sind die gleichen Typen wie in der alten Wohnung. Die Schlösser haben auch die gleichen Macken, und ich habe meine neuen Mitbewohner auch gleich erstmal eingeschlossen.