Im Land der Atheisten- der Katholizismus in Tschechien
Die Religion in Tschechien- eine Reflexion darüber, wie man als polnische Katholikin in einer kleinen Stadt im Land der Atheisten überleben kann.
Die größte Überraschung und zugleich den größten Schock, den ich am Anfang meines EVS erlebt habe, war zweifellos die Tatsache, dass Tschechien an der Spitze der konfessionslosen Länder in Europa steht. Über zwei Drittel der Bevölkerung gehören keiner Religion an. Polen und Tschechien sind Nachbarländer und man könnte vermuten, dass sie beide in religiöser Hinsicht gleich sind. Das entspricht keineswegs den Tatsachen. Gibt es keine Kirchen, Kloster und Orte, wo man beten kann? Ist das Land auf der religiösen Ebene ausgestorben und ist es schwer, einem Priester oder einer Nonne zu begegnen? Es ist halb so wild. Man kann sogar in Tschechien seinen eigenen Glauben weiterentwickeln. Man muss sich nur dem tschechischen „Glaubenssystem“ anpassen.
Um die jetzige Situation besser zu verstehen, lohnt es sich einen kleinen Rückblick auf die Geschichte der Religion in Tschechien zu werfen. Am Anfang des Katholizismus im Mittelalter war fast jeder gläubig. Die Kirche wurde damals stark von den herrschenden Königen unterstützt und die tschechische Kirche hat den Päpsten in Avignon Gehorsam verweigert. Allgemeine Bestechlichkeit war in der damaligen Kirche ein Tagesbrot und auch die Tschechen haben hohe Abgaben an die Päpste bezahlt. Jan Huss, der tschechische Theologe und Reformator hat versucht in seinen Predigen gegen die damalige korrupte Kirche Widerstand zu leisten. Er postulierte die Reformen, die die Habsucht des Klerus, dessen Lasterleben und die weltliche Besitz der Kirche ein für allemal auflösen sollte. Hus selbst hat eine strenge, bescheidene und tugendhafte Lebensweise vertreten. Der Reformator und seine Mühe waren jedoch in der Gesellschaft nicht erfolgreich und er wurde zum Feuertod verurteilt. Unter der habsburgischen Herrschaft hat Tschechien die „Zwangsrekatholisierung“ erlebt. Der bedeutendste religiöse Zwiespalt in der tschechischen Kirche hat zusammen mit dem Kommunismus begonnen, denn viele Kirchgemeinden waren der strengen Staatskontrolle untergeordnet. Kontinuierlich wurde Druck auf die Gläubigen ausgeübt bis sie aufgefordert wurden, den Glauben aufzugeben. Diese Religionsfeindlichkeit, Freiheitsbeschränkung und ständige Angst vor den Kommunisten samt ihren Verfolgungen hat dem tschechischen Katholizismus einen enormen Stempel aufgedrückt. Nach dem Mauerfall hat es wieder mehr religiöse Freiheit gegeben, aber viele Tschechen haben sich entschlossen, sich keinem Glauben zu bekennen und es ist so bis heute.
Fertig mit den kurzen geschichtlichen Fakten und nun aber los zur Praxis. Es stimmt, dass die Kirchen alles anders als überfüllt sind, aber das bedeutet auch nicht, dass niemand dorthin geht. Zum Gottesdienst kommen die Menschen, denen man regelmäßig begegnen kann. Meines Erachtens sind meistens die Erwachsenen die Hauptbesucher der Kirche, ab und zu sieht man auch Jugendliche und für Kinder ist während der Predigt eine spezielle Aktivität organisiert, damit sie das Wort Gottes auf vereinfachte Weise erklärt bekommen. Darüber hinaus sind die Gottesdienste - im Vergleich zu Polen - nicht so oft. Dort gibt es in größeren Städten sonntags bis zu zehn Gottesdienste. Die Zahl der in Tschechien zur Verfügung stehenden Messen am Sonntag beträgt zwei oder maximal drei, was natürlich gar nicht so wenig ist, wenn man in Betracht zieht, dass so wenige Tschechen zur Kirche gehen. Auch unter der Woche gibt es einmal am Tag den Gottesdienst, entweder morgens oder abends. Überdies ist ebenso der Bibelkreis tätig und auf die Kinder wartet eine sogenannte „Oase- Bewegung“, die z.B. Karnevalspartys organisiert.
Obwohl die Statistiken über die Religion in Tschechien für sich sprechen, ist der Katholizismus nicht völlig verfallen. Als Katholikin kann ich ruhig meinen Glauben weiter bewahren aber halt in einem kleinen Kreis.
http://www.cafebabel.de/gesellschaft/artikel/die-religion-liegt-im-dornroschenschlaf.html