Ich sage euch, es weihnachtet sehr
Meine erste Weihnachtszeit und mein erster Vorweihnachtsstress weit weg von Zuhause ;)
Ich gebe zu, der letzte Bericht ist nun schon viel zu lange her und es ist viel passiert seitdem.
Zu allererst einmal: Nein, das mit der Halloweenparty hat natürlich nicht geklappt, einfach dadurch, dass am gleichen Tag auch eine andere Feier für die Kinder zur Begrüßung des Herbstes war. Aber was haben wir auch anderes erwartet, etwa dass man tatsächlich mal etwas planen kann? ;)
Dafür hatten wir noch in der gleichen Woche zwei Halloweenpartys und die waren super! Das einzige Problem war, dass Julia und ich danach beide gleichzeitig krank wurden und es auch konsequent eineinhalb Wochen blieben, bis wir entschieden, doch einmal zum Arzt zu gehen. Wir sind uns immer noch nicht sicher, ob das die richtige Entscheidung war. Aber bei einem sind wir uns sicher: In einer moldawischen Apotheke wird einem besser geholfen als bei einem moldawischen Arzt. Zumindest wenn der Arzt etwas älter und bei Tabletten scheinbar der Ansicht ist, die Menge macht´s. So bekam Julia eine Spritze bei einer Erkältung, wir wissen bis heute noch nicht warum. Einer anderen Freiwilligen, die ebenfalls eine Erkältung und Ohrenschmerzen hatte, erging es nicht wesentlich besser und so wurde erst einmal ihr Kopf geröntgt, um dann festzustellen, dass die Ursache der Ohrenschmerzen auf den Röntgenbildern nicht zu sehen war und es wohl doch mit der Erkältung zusammenhängen musste. Julia und ich bekamen beide noch jeweils jeder eine Liste mit sieben Medikamenten, beschlossen in der Apotheke dann jedoch kurzerhand, wir bräuchten von all diesen Dingen nur das Antibiotikum. Und tatsächlich, zwei Tage später hatten wir unsere Stimmen wieder und waren die Erkältung los, o Wunder!
Während unserer Krankheit kam auch unsere neue Mitbewohnerin, Jackie aus England, bei uns an. Das Erste, was wir taten, nachdem wir wieder gesund waren, war Jackie in alle Sonderheiten und natürlich auch „Traditionen“ des Hauses einzuweihen. Das Anzünden des Boilers, wenn man warmes Wasser braucht; das Kochen von Mamaliga, einem Brei aus Maismehl, für eine ganze Woche; der allwochenendliche Einkauf auf dem Piața Centrale; die müden Nach-dem-Wochenende-Gespräche am Sonntag in Carons, Alicias, Ruths und Florianes Wohnung, während wir ihre Waschmaschine benutzen und unsere Mitbewohner die Käfer. Zur Zeit haben wir sogar noch einen weiteren Mitbewohner; eine kleine Maus hat sich bei uns eingenistet. Und ich denke, Jackie ist froh, dass sie zur Zeit über Weihnachten und Neujahr in England ist, denn ob sie und die Maus Freunde werden, wird sich noch herausstellen...
Inzwischen dürfte Jackie sich auch schon an so einiges gewöhnt haben und so sind Gespräche wie
„Do we have a wine opener?“
„No, but we have a stone.“
schon relativ normal geworden. Um das zu erklären, muss ich vielleicht dazu sagen, dass wir unseren Ziegelstein als Allzeckwerkzeug benutzen. Er eignet sich zum Beispiel wunderbar in Kombination mit einem Löffel eben als Weinöffner, sowie als Nussknacker, Türstopper oder als Unterlage, wenn man mit einer Axt ein Stück Draht durchhacken will. Weitere Anwendungsideen folgen.
Ende November kam dann noch eine neue „Tradition“ dazu, die wir allerdings erst im Januar weiterführen können. Wir haben unseren Sonntagnachmittag weiterentwickelt und alle zusammen gekocht. Nach einer ausgiebigen Diskussion, ob in Käsekuchen wirklich Käse enthalten ist, haben wir dann beschlossen, dass Julia und ich das nächste Mal ein deutsches Gericht kochen, danach Floriane ein französisches und danach der Rest etwas typisch Englisches. Fortsetzen können wir das Ganze aber wie gesagt erst im Januar und auch das ist noch nicht sicher, da Caron und Alicia kein Visum bekommen haben und so erst einmal das Land verlassen mussten. Der Plan war, für einen Monat nach Hause zu fahren, in der Zeit hoffentlich das Visum zu bekommen und Anfang Januar dann wieder einzureisen. Nun drücken wir alle ganz fest die Daumen, denn wir wollen unsere verrückten UKer auf jeden Fall wiederhaben!
Wir deutschen Freiwilligen haben nun nach einigen Schwierigkeiten endlich unser Visum bekommen. Wir hatten noch fünf ganze Tage, bevor wir das Land hätten verlassen müssen, aber immerhin haben wir es jetzt. Trotzdem haben wir uns schon das ein oder andere Mal darüber gewundert, warum ein Land, von dem kaum jemand weiß, dass es existiert und aus dem die meisten Menschen, die hier leben weg wollen, es für andere, die hier her wollen so schwer macht, eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen.
Wie dem auch sei, so begann unsere Weihnachtszeit mit der Gewissheit, legal in Moldawien zu sein und darüber hinaus noch mit neuen Arbeitszeiten für mich. Mariana, eine Mitarbeiterin von ADVIT, kam in mein Projekt, um mit Floriane, meinem Supervisor vom Projekt und mir zu besprechen, wie die letzten Monate waren und ob es Änderungen geben soll. Herausgekommen sind neue Arbeitszeiten und ein fester Plan für jede Woche, was ich recht gut finde. Ich arbeite nun von Montag bis Mittwoch jeweils von 7.30 bis 13.30 Uhr und donnerstags und freitags von 13.00 bis 18.00 Uhr. Theoretisch könnte ich dienstags auch noch zwei Stunden mit Floriane in ihr anderes Projekt gehen, ein Krankenhaus für krebskranke Kinder. Leider hat das bisher noch nicht geklappt, da auch Floriane einige Zeit krank war und danach über Weihnachten nach Hause gefahren ist, wie viele Freiwillige. Aber für das neue Jahr habe ich mir das fest vorgenommen!
Es ist komisch jetzt wieder um 5.45 Uhr aufzustehen, aber ich muss sagen, ich fühle mich ein wenig nützlicher in meinem Projekt, weil mit den neuen Zeiten auch neue Aufgaben dazugekommen sind. Morgens bringe ich sieben Kinder zur Schule, ein Weg von etwa 20 Minuten. Um 9.00 Uhr bringe ich dann zwei andere in den Kindergarten. Danach sind nur noch drei Kinder übrig, die weder zur Schule noch zum Kindergarten gehen. Zwei Mädchen, Nastia und Vlada, beide drei, und ein Junge, Augustin, 6 Jahre. Warum er nicht zur Schule geht, habe ich noch nicht herausgefunden. In den Stunden, bis die anderen Kinder gegen 13/14 Uhr aus der Schule zurückkommen, male ich mit den dreien, puzzle oder gehe nach draußen. Ich habe mir auch einige Dinge selber zur Aufgabe gesetzt. So können die beiden Kleinsten sich jetzt selber die Nase putzen (mit ein bisschen „Ja, super! Nochmal! Du kannst das!“) und bringen ihre gebrauchten Taschentücher sogar selber in den Müll. Natürlich erst, nachdem sie jedes Mal wieder versuchen, mir diese anzudrehen. Neben dem Naseputzen und Müll in den Mülleimer werfen, probiere ich auch, ihnen beizubringen, dass man sich nachdem man auf Toilette war die Hände wäscht. Allerdings nur mit mäßigem Erfolg.
Umso erfolgreicher verläuft dafür mein Versuch, ihnen beizubringen, Bitte und Danke zu sagen und sich zu entschuldigen, wenn sie jemandem etwas wegnehmen und es zurückgeben (müssen). Das ist zwar noch ein langer Weg, aber es wird immer besser. Zum Beispiel hatte ich Vlada einmal einen Kugelschreiber gegeben. Nastia wollte den aber auch unbedingt haben, hat ihn Vlada also weggenommen und als ich sagte, sie solle ihn zurückgeben, so doll sie konnte gegen die Wand geworfen. Der Kugelschreiber war danach leider kaputt und ich habe versucht, ihn zu reparieren. Nachdem ich fünf Minuten dort saß und es einfach nicht hinbekam, überkam Nastia scheinbar der Gedanke, dass das, was sie getan hatte, nicht so ganz richtig war. Sie entschuldigte sich von selber und sehr ehrlich bei mir. Das habe ich vorher noch nie von ihr gesehen! Sie hat sich seit ich da bin noch nie bei jemandem entschuldigt, zumindest nicht während ich gearbeitet habe, außer wenn es darum ging, etwas wiederzubekommen und ihr gesagt wurde „Entweder du entschuldigst dich, oder du kriegst dieses und jenes nicht wieder!“. Da war ich schon stolz auf sie.
In der Nachmittagsschicht hat sich nicht viel geändert. Ich bringe Vlada und Nastia ins Bett und helfe den Schulkindern dann bei den Hausaufgaben, was immer noch am anstrengensten von allem ist.
Dafür wird die Kommunikation auf der Arbeit immer besser. Ich verstehe jetzt meistens, was die Mitarbeiter von mir wollen, was ich tun soll und ich kann Dinge wie Schicht tauschen oder fragen nach Urlaub selber hinbekommen.
Das kam im Dezember auch öfters vor, da Mariana mit vielen Freiwilligen, die in ihren Centern mit Kindern oder Menschen mit Behinderung arbeiten, ein kleines Weihnachtsprojekt auf die Beine gestellt hat. Sie hat mit unseren Ideen auf Rumänisch ein kurzes Stück geschrieben und wir waren damit in insgesamt sechs Einrichtungen. Das Stück ging im Wesentlichen darum, Weihnachten zu retten. Denn die Hexe hatte den Sack mit den Briefen der Kinder gestohlen und so sah es doch tatsächlich so aus, als müsse Weihnachten dieses Jahr ausfallen! Zum Glück hatte einer der drei Engel (einer davon war ich, aber nicht dieser) jedoch die Idee, mit den Kindern Weihnachtsdekoration wie Sterne, Engel und Schneeflocken zu basteln und diese der Hexe zu schenken, da sie den Sack ja nur aus Trauer über ihre Einsamkeit gestohlen hatte. Und so halfen uns die Kinder jedes Mal wieder, Weihnachten zu retten. Zum Schluss der gelungenen Rettungsaktion kam noch der Weihnachtsmann (auf Rumänisch: Moș Crăciun) und bedankte sich persönlich für die tolle Hilfe und die Kinder bekamen, wenn sie ein Gedicht aufgesagten oder ein Lied sangen noch Bonbons. Das haben die Kinder meist mit Bravour gemeistert. Schade nur, dass wir nie verstanden, worum es in den Gedichten ging. Im Nachhinein muss ich sagen, das ganze Projekt war zwar recht stressig, weil es erst so kurzfristig geplant wurde, aber es hat sich gelohnt und es war immer wieder schön zu sehen, wie sehr die Kinder in der Geschichte drin waren und mitfieberten, obwohl die Altersklassen sehr variierten, denn von einem bis zu 14 Jahren war wohl alles dabei.
Neben diesem Projekt verbrachten Julia und ich unsere Vorweihnachtszeit auch noch damit, sämtliche Geschichten aus meinem Pixibuch-Adventskalender, den meine Mutter mir geschickt hatte, für Jackie zu übersetzen. Das gestaltete sich ab und zu etwas schwierig, denn wie übersetzt man zum Beispiel „Tüddelkram“ oder „Spaßvögel“? Das Abholen des Adventskalenders hat übrigens auch für einige Lacher gesorgt, da Pakete in der Post grundsätzlich geöffnet werden. Als Julia und ich also nichtsahnend am Schalter standen, holte der Postbeamte ein riesiges Paket von hinten, öffnete es und starrte verdutzt auf das große platte Ding mit den bunten Bildern. Adventskalender sind hier nämlich nicht so verbreitet, es gibt wohl einige, aber wenn überhaupt die Schokoversion. Und so brachen wir in schallendes Gelächter aus, während der Postangestellte immernoch versuchte, zu verstehen, was zum Teufel er dort in den Händen hielt. Er gab es schließlich auf, verstaute den Kalender kopfschüttelnd wieder im Karton und händigte ihn uns.
Außerdem waren wir im Dezember noch auf einer Veranstaltung zum Welt-Aids-Tag und in einem Museum über Pușkin, dem scheinbar bekanntesten russischen Dichter aller Zeit, von dem keiner von uns vorher je gehört hatte, um mal unser „kulterelles“ Programm zu nennen. Da ich aber nunmal kein großer Fan von Museen bin, will ich es bei dem Erwähnen belassen ;)
Später waren wir auch noch auf einem Weihnachtsbasar von Hilfsorganisationen, auf dem wir einige Weihnachtsgeschenke und -deko kauften und es fiel der erste Schnee hier! Mehr als 40 cm Schnee und die öffentlichen Verkehrsmittel funktionieren noch einwandfrei. In Deutschland wäre das schon eine Katastrophe!
Circa eine Woche vor Heiligabend verließ uns dann Jackie, um nach Hause zu fahren. Heiligabend feierten Julia und ich also alleine. Erst machten wir im Zentrum der Stadt einige Fotos von der enormen Weihnachtsdekoration. Die ganze Hauptverkehrstraße ist beleuchtet, 4,5 Millionen Lei wurde für die Dekoration ausgegeben, das sind fast 290 000 Euro. Ob die Stromkosten da schon mit eingerechnet sind, wage ich zu bezweifeln. Ich habe so etwas noch nie gesehen und wenn man verdrängt, wie viele Wasser- oder Stromleitungen die Regierung für dieses Geld in umliegende Dörfer bauen könnte, in denen die Menschen ihr Wasser immer noch aus Brunnen holen müssen, ist es wirklich schön...
Danach machten wir uns einen schönen Abend mit Kochen, Essen und Skypen mit der Familie.
Am ersten Weihnachtstag war dann Weihnachtsfeier in meinem Projekt. Die Kinder waren alle schick hergerichtet in Kleidern und Anzügen, es kamen ein oder zwei Angehörige insgesamt, aber der größte Teil waren die Mitarbeiter des Centers. Die Kinder trugen einige Gedichte und Lieder vor und später kamen noch Kinder aus anderen Einrichtungen, einige der ehemaligen Kinder aus dem letzten Jahr und sogar, wer hätte das geahnt, der Weihnachtsmann! Nachdem die Kinder Gedichte nochmal speziell für den Weihnachtsmann vortrugen und jeder einen Bärenrucksack mit Süßigkeiten darin geschenkt bekam, involvierte der Weihnachtsmann dann auch die Erwachsenen und kam auf die tolle Idee, von denen könne doch auch mal jemand ein Gedicht vortragen, um ein gutes Vorbild zu sein. Bei meinem Glück war dieser jemand natürlich ich und nachdem ich mehr schlecht als recht und mit der Hilfe der Kinder erklärte, dass ich keine rumänischen Weihnachtsgedichte kenne, trug ich kurzerhand das Erste vor, was mir in den Sinn kam. Das war „Advent, Advent, ein Lichtlein brennt“ und ich war wirklich froh, dass alle von dem Klang einer anderen Sprache abgelenkt waren und nicht merkten, dass das nun doch ein relativ kurzes Gedicht war.
Alles in allem ging dieses Jahr also noch mit vielen Ereignissen zu Ende und ich freue mich auf 2013, das zweite, orthodoxe Weihnachtsfest am 7. Januar und darauf, dass alle endlich wiederkommen!
Vă doresc un an nou fericit, noroc și sănătate!
Ich wünsche euch ein frohes neues Jahr, Glück und Gesundheit! :)
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