“I don’t like my country“
Was denken junge Rumänen über ihr eigenes Land?
Wir sitzen an unserer Hauswand, genießen die Sonne und bestaunen meine kleinen Salatsprösslinge, als ein junger Mann aus dem Haus kommt und einen großen Teller mit Kuchen vor uns stellt. Frohe Ostern! Er habe uns die letzten Tage aus seinem Fenster beobachtet, wenn wir von morgens bis abends am Parkplatz in der Sonne saßen, Pflanzen gossen, arbeiteten.
Wir unterhalten uns lange, reden über Gott und die Welt und unser Projekt. Alex ist einundzwanzig, lebt mit seiner Mutter und seiner Tante in der Wohnung über uns und will Musikproduzent werden. Warum sind die Englischkenntnisse der Schüler in den öffentlichen Schulen so unterschiedlich? “We are bad in English. Romanian students are lazy.“ Alle? “Those who work hard, are gone, they leave the country as soon as they can.“ Wundert mich das? Nicht wirklich, und trotzdem klingt es traurig, verdammt deprimierend, wie Alex das erzählt, während er an seinem Joint zieht. “I don’t like my country.“ Sein Lachen klingt verzweifelt. Die wenigen, die trotz Ehrgeiz hier bleiben und studieren, werden am Ende bestraft. Weil das Gehalt trotzdem nicht reichen wird, um ein sorgenfreies Leben zu führen. In die Vereinigten Staaten würde er gerne reisen. Wieder dieses Lachen, bisher hat er noch nicht einmal sein Land verlassen, geschweige denn, den europäischen Kontinent.
Wahrscheinlich sind diese Gedanken, die Alex mit uns geteilt hat, nicht unbedingt repräsentativ für ganz Rumänien. Die Diskrepanz zwischen den Reichen und der Mittelschicht, die massiv an der Armutsgrenze kratzt, ist hier in Craiova besonders ausgeprägt. Die Hauptstadtregion und auch das touristische Transylvanien stehen besser da. Mit Blick auf den Osten des Landes und die ländlichen Regionen allgemein geht es dem Großteil der Menschen in Craiova wiederum verhältnismäßig gut. Heißt das also, dass diese Gedanken vielleicht doch repräsentativ sind? Repräsentativ für eine Generation von Rumänen, die als EU-Bürger aufwächst, ohne wirklich zu wissen, was die EU ist. Die noch nie etwas von “fridays for future“ oder dem Pariser Klimaabkommen gehört hat. Die davon auch nichts wissen will, weil „wir hier andere Probleme haben“.