Helsinki? Wohl eher Seinäjoki!
Ein erlebnisreiches Wochenende zweier deutscher Mädchen mitten in Finnland.
Ein italienischer Couchsurfer, den ich hostete lud mich ein, ihn im Gegenzug in Helsinki zu besuchen. Völlig begeistert von dem Vorschlag machte ich mich mit meiner Freundin daran, die Tickets für die Fähre zu buchen, die uns von Tallinn nach Helsinki bringen sollte. Als alles erledigt war und der Tag der Abreise näher rücke, hielten wir ein letztes Mal Rücksprache mit dem Italiener und er teilte mir mit "..and from Helsinki you have to take the bus that will take about five hours until you are there..". Was?? Wir verstanden nur Bahnhof. Helsinki ist doch nicht so groß, dass wir fünf Stunden fahren müssen?! Nach einiger Grübelei stellte sich heraus, dass unser Gastgeber überhaupt nicht in Helsinki wohnte, sondern - wie auch immer dieses Missverständnis entstehen konnte - in einer kleinen Stadt fünf Stunden nördlich von Helsinki, namens Seinäjoki!
Anstatt enttäuscht zu sein, dass wir nicht wie geplant Helsinki besichtigen können, mussten wir erst einmal herzlich lachen und freuten uns dann umso mehr, nun nicht die Touristenstadt zu sehen, sondern einen Einblick in Finnlands ländliche Region zu bekommen.
So setzten wir zwei Freitagabend mit der Fähre nach Helsinki über. Auf dem Weg zum Busbahnhof hatten wir noch die Gelegenheit uns Helsinki bei Nacht anzusehen. Während der fünfstündigen Fahrt in einem unbeheizten Reisebus durch Finnland merkten wir bereits deutlich den Temperaturunterschied zu Estland. Doch wir waren bestens ausgestattet. Unser italienischer Gastgeber holte uns schließlich in den frühen Morgenstunden ab und brachte uns in seine Wohnung, die er sich als Gaststudent mit einem deutschen Student teilte. Die Wohnung befand sich in Mitten einer kleinen Siedlung von Studentenwohnungen, da Seinäjoki eine große Universität mit internationalen Studiengängen besitzt. Es sah wirklich total schön aus und alle Studenten konnten sich innerhalb weniger Sekunden besuchen. Die Jungs hatten uns ein super gemütliches Bett aufgebaut und wir fielen total erledigt in die Kiste.
Am nächsten Tag beim Frühstück gab es für mich die größte Überraschung! Durch Zufall fand ich heraus, dass die Universität eine Partnerschaft mit der Universität in Aschaffenburg hat, was nur 15 Minuten von dem Dorf entfernt liegt, aus dem ich stamme. So stellte sich heraus, dass ebenfalls eine Bekannte aus meinem Dorf - mit 5.700 Einwohnern - in diesem Ort mitten in Finnland studiert. Ich war wirklich überwältigt von der Absurdität dieses Zufalls und verabredete mich sofort mit ihr.
Mittags liehen wir Skier aus und probierten uns zum ersten Mal am Langlaufen. Besonders elegant sah es vermutlich nicht aus, doch wir kamen voran und erkundeten auf diesem Weg die Wälder von Seinäjoki, von denen es reichlich gab! Wir kamen an einen zugefrorenen See und die Sicht darauf war echt atemberaubend und sah mit dem vielen Schnee und der untergehenden Sonne wunderschön aus, so dass wir einfach nur dort standen und staunten. Nach drei Stunden waren wir fix und fertig und machten uns auf den Heimweg. Nach einer kurzen Stärkung ging es weiter in einen Indoorspielplatz mit den anderen Studenten, wo sich die 25-Jährigen in kleine Jungs verwandelten und herumtollten. Da es in Seinäjoki keine Busse gab, mussten wir jede Etappe laufen, was jedes mal eine Stunde dauerte pro Strecke.
Mein größter Wunsch war es schon seit meinem Auslandsaufenthalt die Nordlichter zu sehen! Die Jungs waren erst nicht besonders erpicht darauf noch einmal aus dem Haus zu gehen, doch da die Chancen in dieser Nacht ausgesprochen gut standen, schafften wir es sie zu überreden. Um 23.00 Uhr machten wir uns auf den 90 minütigen Weg zu dem großen, zugefrorenen See. Der lange Weg lohnte sich wirklich, denn schließlich standen wir bei -15 Grad mitten auf dem Eis und konnten tatsächlich einige Nordlichter erkennen. Ich konnte mein Glück nicht fassen und mir verschlug es die Sprache! Der Blick über den See war atemberaubend und unbeschreiblich! Was ich in diesem Moment fühlte, hatte ich zuvor noch nie erlebt und ich wollte nie wieder von diesem Ort weggehen! Wir waren zu fünft und zwei der Studenten hatten ihre professionelle Kameraausrüstung mitgebracht mit denen sie es schafften, einen Teil der wunderbaren Atmosphäre einzufangen. Doch die Bilder waren kein Vergleich zur Wirklichkeit. Irgendwann schaffte es die Kälte aber doch uns aus unserem Staunen zu reißen und wir machten uns wieder auf den Heimweg. Auf diesen Abend waren wir schlag kaputt und schliefen überwältigt und glücklich sofort ein, weil unsere Beine vom vielen Laufen total geschafft waren.
Sonntags traf ich mich endlich mit der Freundin aus meinem Ort und wir hatten uns total viel zu erzählten und konnten beide nicht glauben, wie groß die Wahrscheinlichkeit war, dass wir uns mitten in Finnland zufällig über den Weg laufen. Es war schön einmal wieder ein bekanntes Gesicht aus der Heimat zu sehen!
Mittags wanderten wir durch den Wald bis wir nach einer Stunde eine kleine Hütte im Schnee erreichten. Dort machten wir ein Feuer und als es gemütlich warm wurde, grillten wir Würstchen über dem Grill und kochten Tee. Auch hier war die Atmosphäre total entspannend und wieder war ich sehr glücklich. Wir erzählten uns Geschichten, aber manchmal schwiegen wir auch einfach nur und genossen den Augenblick. Auf dem Rückweg war der ganze Wald festlich mit kleinen Kerzen am Wegrand geschmückt, weil am Abend eine Weihnachtsprozession stattfinden sollte.
Als Abschluss dieses schönen Tages bestiegen wir einen kleinen Berg, der eigentlich nur für Skifahrer geöffnet war und veranstalteten eine lustige Schlittenfahrt. Der Spaß war uns jedoch nicht lange gegönnt, denn ein Wärter verscheuchte uns schließlich.
Trotzdem war der Tag wirklich toll gewesen und zu Hause backten wir Mädchen noch einen leckeren Apfelkuchen, den wir aßen bevor wir gegen Mitternacht wieder mit dem Bus nach Helsinki fahren mussten. Am liebsten wäre ich noch ein paar Tage länger dort geblieben, denn die Stadt mit ihren schönen Häusern und der tollen Natur hatte es mir angetan!
Im Morgengrauen kamen wir in Helsinki an und konnten, bevor der ganze Touristentrubel anfing noch gemütlich durch die Stadt, den Hafen und den Weihnachtsmarkt schlendern. Am Ende waren wir jedoch so erledigt, dass wir uns zur Fähre schleppten und direkt einschliefen.
Wir hatten drei wunderbare Tage, in denen wir großartige Erfahrungen und nette Bekanntschaften gemacht haben!