Halbzeit!
Hier ein kleiner Einblick in meinen Zwischenbericht an meine Sendeorganisation.
Ihr Lieben! Um meiner Sendeorganisation in Deutschland einen Gefallen zu tun, musste ich einen Zwischenbericht über meine Situation verfassen. Da ich mir gedacht habe, dass das vielleicht auch den ein oder anderen von euch interessieren würde, hier mein (gekürztes!) :D Fazit nach sechs Monaten in Třinec:
Die Arbeitsstelle
In „Betezda a Betania“ fühle ich mich sehr wohl!
Obwohl ich zu Beginn des Freiwilligendienstes die Sorge hatte, durch zwei Einsatzstellen mich weder in der einen noch in der anderen richtig einzufinden, bin ich nun sehr froh über diese Aufteilung, da die Kombination der unterschiedlichen Tätigungsbereiche für große Abwechslung sorgt.
In Betezda besteht meine Hauptaufgabe darin, Miša, die zuständig ist für die Freizeitaktivitäten der Bewohner, beim Planen, Vorbereiten und Durchführen von Kreativarbeiten zu helfen. Seien es Osterpostkarten, geflochtene Körbchen oder Salzteiganhänger: ich muss sagen, so kreativ wie hier war ich noch nie!! :-) Jeden Mittwoch haben wir zudem eine Bibelstunde, die von einem außenstehenden Angestellten der „Slezska Diakonie“ geleitet wird. Da dieser zufälligerweise Deutschlehrer ist, versucht er mich immer wieder miteinzubeziehen und übersetzt auch die Gebete für mich. Eine sehr nette Geste! In dieser Stunde singen wir auch ganz viele Lieder, von denen ich teilweise bereits die deutsche Version kannte. Manchmal begleite ich diese dann auf der Gitarre. Anschließend gehen wir immer eine Stunde kegeln. Das macht nicht nur den Bewohnern, sondern auch MIR mega Spaß! :-) Meine Aufgabe in Betezda besteht also zum einen aus dem Assistieren bei Aktionen, zum anderen verbringe ich aber auch einen großen Teil meiner Arbeitszeit damit, einfach für die Bewohner dazusein. Mit ihnen zu reden, zu witzeln, zu lachen und immer ein offenes Ohr für jede Kleinigkeit zu haben. Dadurch habe ich den Eindruck, dass ich für die Bewohner mehr eine Zwischenperson zwischen ihnen und meinen angestellten Kollegen bin. Mehr Freund als „Bevormunder“. So lassen sie sich bei mir auch gerne über Kollegen oder neue Regeln aus. Das ich dabei regelrecht im Wörterfluss untergehe, stört sie weniger. :-)
In Betania kommt neben den Freizeitaktivitäten, wie backen oder Sport machen („Kopf langsam nach links drehen. Und nach rechts.“), noch der pflegerische Bereich dazu. Hier helfe ich den bettlägrigen Bewohnerinnen beim Waschen und Essen oder ich begleite sie auf die Toilette. Zudem wird auch im Büro manchmal meine Hilfe benötigt.
Von Zeit zu Zeit wachse ich immer mehr in meine Aufgaben hinein, so dass ich Anfang März mit meinem eigenen kleinen Projekt beginnen werde. Ich werde gemeinsam mit den Bewohnern in Betezda für jeden ein individuelles Ich-Buch erstellen. Das bedeutet, dass wir jede Woche zu einem persönlichen Thema (Familie, Reisen, Lieblingstiere) eine Seite gestalten werden, so dass ich am Ende des Jahres jedem ein kleines, persönliches Buch zurückgeben kann. Auch ein paar heimatliche Aktionen möchte ich hier miteinfließen lassen, wie zum Beispiel das Kochen von Spätzle. :-)
Ich bin so froh, dass ich gerne zur Arbeit gehe und es mir sehr Spaß macht. Wäre dies nicht der Fall, wäre es wohl unerträglich jeden Morgen wegen der schlechten Busverbindung eineinhalb Stunden dorthin zu fahren... Aber umso mehr mir die Bewohner ans Herz gewachsen sind, umso leichter fällt es mir nun auch. Ich bin dankbar, dass ich hier so freudig und offenherzig aufgenommen wurde, und nehme lieber die Fahrt auf mich, als in einer Einsatzstelle in meiner Stadt zu arbeiten, die mir nicht so zusagen würde wie diese hier. Besonders Sätze wie „Mám ráda Elly!“ oder „Elly, děkuji za pomoct!“ zeigen mir, dass ich hier gebraucht werde und zur rechten Zeit am rechten Ort bin.
Die Sprache
In der monatlichen Supervision beantworte ich die Frage nach meiner Sprachentwicklung immer mit der selben Antwort: „Step by step it's becoming better.“ :-) Wenn ich jetzt meine Fähigkeiten mit denen Anfang Septembers vergleiche, sehe ich zwar einen riesigen Schritt, aber eigentlich kann ich diesen Lernprozess an nichts festmachen. Ich lerne eben von Tag zu Tag neue Wörter, versuche mithilfe des Nachhilfeunterrichts die Grammatik in mich hineinzuhämmern und spreche, spreche, spreche. (Und ja! Ich habe wirklich Spaß daran!!)
Aufgrund meines Lernprozesses und der Freude an der Sprache habe ich mich nun auch endlich entschieden, was ich nach diesem Freiwilligendienst mit mir anfange. Ich werde "Kulturwirtschaft" an der Uni Passau studieren mit Schwerpunkt auf den ost-mittel-europäischen Kulturraum.
Freundschaft
Neben Timea stehen mir auch die anderen Freiwilligen der „Slezska Diakonie“ sehr nahe. Besonders mit Coline, einer französischen Freiwilligen, die in Český Těšín wohnt, kann ich über alles reden und wir unternehmen sehr viel zusammen. Durch die EVS-Seminare und andere Veranstaltungen der „National Agency“ habe ich auch viele andere EVS-Freiwillige kennengelernt, die momentan in der Tschechischen Republik leben. Obwohl ich auch in der Arbeit sehr gut mit meinen Kolleginnen auskommen, die sich alle viel Mühe geben, in die Mama-Rolle zu schlüpfen, habe ich trotzdem das Gefühl in der Freiwilligenwelt festzuhängen. Da Třinec keine Universitätsstadt ist, gibt es nur sehr wenige Gleichaltrige, mit denen man in Kontakt kommen könnte. Durch örtliche Veranstaltungen versuche ich zwar Kontakte aufzubauen, aber über die Standardfragen, wie „Warum machst du gerade hier einen Freiwilligendienst?“ und „Was gefällt dir an Tschechien?“, kommt man nicht heraus. Obwohl ich wirklich nicht einsam bin und in Hanka, einer Kollegin, schon eine sehr gute, tschechische(!) Freundin gefunden habe, würde ich mir manchmal wünschen, mehr Kontakt zu Einheimischen zu haben.
Fazit
Ich bin sehr froh, dass ich mich für diesen Freiwilligendienst in Tschechien entschieden habe. Bereits jetzt habe ich das Gefühl durch neue Erfahrungen und fremde Situationen vieles gelernt zu haben. Seien es die sprachlichen Kenntnisse, die ich zum einen erweitert (Englisch) oder völlig neu erlernt habe (Tschechisch), der bewusste Umgang mit meinen Finanzen, wobei ich zum ersten Mal Rücksicht auf einen selbstgeführten Haushalt legen muss, das eigene Lernen über die deutsche Kultur und mein persönliches Kulturverständnis oder aber auch die Geduld, die ich gegenüber den Bewohnern aufbringen muss.
Mit jedem weiteren Tag habe ich das Gefühl zu wachsen. Eine Aussage eines Mitfreiwilligen trifft besonders gut meine Gefühlslage: „Wir verändern uns nicht während eines EVS. Wir vervollständigen uns.“