GUATEMALA | Vier Wochen schwarze Bohnen zum Frühstück
Jeden Morgen steht Juana mit der Sonne auf. Sie streift ihren huipil, die bunte Trachten-Bluse, über ihre milchkaffeefarbene Haut. Mit flinken Handgriffen flicht sie ihre schwarzglänzenden Haare zu einem dicken Zopf und ihr Tag beginnt: Wasser holen, Feuer machen, den zu mahlenden Mais zur Dorfmühle bringen, die ersten Tortillas und den Kaffee zubereiten. Und das alles ehe ihr kleiner Sohn Alexander mit dem Verlangen nach Muttermilch erwacht.
Jeden Morgen steht Juana mit der Sonne auf. Sie streift ihren huipil, die bunte Trachten-Bluse, über ihre milchkaffeefarbene Haut. Mit flinken Handgriffen flicht sie ihre schwarzglänzenden Haare zu einem dicken Zopf und ihr Tag beginnt: Wasser holen, Feuer machen, den zu mahlenden Mais zur Dorfmühle bringen, die ersten Tortillas und den Kaffee zubereiten. Und das alles ehe ihr kleiner Sohn Alexander mit dem Verlangen nach Muttermilch erwacht.
Ein gewöhnlicher Tagesbeginn in Poxlajuj, einem kleinen Indio-Dorf im Hochland von Guatemala. Bei meiner Sprachschule in Xela habe ich mich nach einem Projekt in den Bergen erkundigt. Dort erzählt man mir von einer Frauenkooperative, die Marmelade herstellen wolle. Noch fehle ihnen die Lizenz dafür und sie bräuchten noch Hilfe von Freiwilligen. Dieses Projekt interessiert mich und ich soll vier Wochen bei der Patrona Juana wohnen.
Ich müsse den Bus Richtung Totonicapán nehmen und bei La Cañería aussteigen. Das ist alles, was ich weiß. Also gehe ich zum Busterminal, wo wie immer ein buntes Durcheinander herrscht. Die alten Schulbusse aus den USA werden in Guatemala bunt angemalt und mit Sprüchen wie ¡Vaya con Dios! (Gehe mit Gott) versehen. Ich gehe zum Busfahrer, um anzukündigen, wo er mich rauslassen soll. Er nickt müde und gedankenverloren, und ich quetsche mich mit meinem Rucksack irgendwo neben eine Indio-Frau, auf deren Schoß ein verschrecktes Huhn sitzt. Nun kann ich nur noch hoffen, dass der Bus keine Panne haben wird, nicht zwischendurch mit voller Besatzung zum Tanken fahren muss und dass der Busfahrer nicht vergessen wird, mich an der richtigen Stelle herauszulassen. Und tatsächlich, nach 45 Minuten Busfahrt winkt er mir: „¡La Cañería!“
Ich bin die einzige, die aussteigt. Hier soll ich nun also in die Berge hochsteigen. Bei meinem Fußmarsch quer durch Maisfelder unter einem Himmel, wie er blauer nicht sein könnte, begegne ich keiner Menschenseele. Bald taucht eine kleine Siedlung vor mir auf - Hütten aus Stein, mit Dächern aus Wellblech und Fenstern ohne Glasscheiben, einfach mit Tüchern verhangen.
Bis ich Juana finde, ist es schon schummrig geworden. Mir ist kalt, denn Poxlajuj liegt auf 2500 Metern Höhe. Ich habe Hunger, meine Kleidung ist dreckig und meine Haare verklebt. Ich sehne mich nach einer Dusche und einer warmen Heizung, doch davon kann hier keine Rede sein. Die einzige Wärmequelle ist ein Feuer in der Küche, gebadet wird nur vor besonderen Anlässen in einer Zinkwanne. Juana hat wohl schon nicht mehr mit mir gerechnet und begrüßt mich schnörkellos. Das Haus besteht aus zwei Zimmern und der Küche. In dem einen Zimmer steht ein riesiger Webstuhl, an dem Chico (so wird Juanas Mann genannt) die Röcke der bunten, traditionellen Trachten herstellt. In Guatemala tragen alle Indígena-Frauen noch ihre traditionelle Kleidung. Diese besteht aus einem Rock (corte), der mit einem Gürtel (faja) zum Halten gebracht wird, einer Bluse (huipil) und in manchen Gegenden auch aus einer Kopfbedeckung (cinta). Jedes Dorf hat seine einheitliche Tracht. Es gibt in Guatemala sogar zwei Dörfer, in denen auch die Männer noch ihre traditionelle Kleidung tragen.
Ich lege meine Sachen auf dem alten Schlafsofa ab, noch etwas benommen von den vielen neuen Eindrücken. Eine Tür gibt es nicht; nachts wird einfach ein langes Brett vor die Öffnung gestellt. Kinder stecken den Kopf herein und verschwinden wieder, als ich sie anschaue und etwas sagen will. Einen Jungen höre ich etwas murmeln: „Gringa“, was die weibliche Form von Gringo und die übliche Bezeichnung für alle weißen Ausländer ist. Schüchterne Blicke, leise Worte in einer Sprache, die ich nicht verstehe, mehr ist für den Anfang nicht drin. Hier ist nicht Spanisch Muttersprache, sondern Quiché, eine von 22 indianischen Sprachen Guatemalas. In den nächsten Tagen fassen die Kleinen Vertrauen, besonders Manuelita, das achtjährige Nachbarmädchen. Wenn sie nicht gerade kochen, waschen oder auf dem Feld arbeiten muss, kommt sie zu mir. Sie erzählt, dass ihr Vater eines Tages zur Feldarbeit gegangen und nie mehr zurückgekehrt sei. Von dem Tag an muss ihre Mutter sie und ihre beiden Brüder alleine versorgen. Jeden Tag fährt sie vor Sonnenaufgang nach Xela, um bei einer Mestizen-Familie Wäsche zu waschen. Sie kommt zurück, wenn es schon wieder dunkel ist.
Meine Gastmutter Juana lässt ihren Sohn keine Minute aus den Augen. Sie hat Angst, denn ihr erstes Kind starb mit 14 Monaten an Durchfall. Bei allem, was sie tut, trägt sie das kleine Bündel auf ihrem Rücken mit sich herum. Sei es beim Weben, beim Kochen oder beim Einkaufen auf dem Markt. Abends geht sie mit der Kerze schlafen. Das Licht spiegelt sich in ihren schwarzen Augen, und das letzte Funkeln darin widmet sie stets dem Kleinen, bevor ihre Lider vor Müdigkeit zufallen.
Wie dieser Artikel entstand:
Der Artikel entstand für die von Studenten gemachte Zeitung „Sojus“ in Sachsen. Die Redaktion trifft sich jeden ersten und dritten Mittwoch im Monat im Semester in der Villa, Lessingstraße 7 in Leipzig.
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