Griechenland - ein Land im Chaos (über die Ausschreitungen in Athen)
"Wir können nicht mehr sagen 'Ach, das ist so weit weg, das geht uns nicht an!', sondern wir sind mittendrin im Chaos." Die_Susi berichtet über die Unruhen in Griechenland, die sie nur zu nahe selber miterlebt.
Ich hab gerade in meinem Emailpostfach eine Nachricht von youthreporter.eu gefunden, in der ich gefragt wurde, einen Bericht über die Unruhen hier in Griechenland zu schreiben, weil ich doch recht nahe an Athen wohne.
Keine Ahnung wie das weitergehen soll, das kann einem niemand sagen. Aber das ganze geht inzwischen schon längst nicht mehr um den erschossenen Jungen, sondern die Bevölkerung lässt ihren kompletten Frust raus, ihre Wut über die Regierung und das schlechte Schulsystem und die miserablen Chancen der Jugend... Dann wurde Griechenland voll von der Finanzkrise erwischt und die Wirtschaftslage ist alles andere als rosig... Das summiert sich alles und jetzt ist der Auslöser gefunden um mal richtig zu demonstrieren.
Ich bin gespannt wie das weitergeht, hoffe wirklich das legt sich alles, aber es sieht fast nicht so aus. Für morgen wurde sogar zum Generalstreik aufgerufen, mal schauen was passiert. Und heute ist die Beerdiung des Jungen, wer weiß was wir heute Abend wieder in den Nachrichten sehen werden...
Zuallererst einmal muss ich sagen, dass ich von den Unruhen bis Sonntagabend nichts mitgekriegt habe. Wir waren das Wochenende nicht da und haben dann am Sonntagabend mal wieder übers Internet deutsche Nachrichten geschaut und dann ganz entsetzt festgestellt, was in unserem Land eigentlich passiert. Das war schockierend! Wir haben dann sofort bei den anderen Freiwiligen in Athen nachgefragt, ob es ihnen gut geht, was Gott sei Dank der Fall ist, und noch mehr Nachrichten und Berichte geschaut. Entsetzliche Bilder!
Gestern haben wir es dann mit griechischem Fernsehen und Nachrichten versucht und nichts verstanden - aber dank Wörterbuch konnten wir die Bildunterschriften verstehen. Außerdem sagen Bilder ja eh mehr als tausend Worte. Schlimm, wenn man das Zentrum Athens, Thessalonikis und anderer Städte brennen sieht. Besonders in Athen ist die Lage inzwischen anscheinend eskaliert. Die Hauptplätze, Omonia und Syntagma brennen. Wir saßen vor dem Fernseher und haben nur noch gedacht "Scheiße! Da waren wir schon, das ist das Zentrum, in dem Geschäft sind wir immer einkaufen...."
Wirkliche Nachrichten kann ich nicht berichten, dafür weiß ich zu wenig, wir kriegen wie gesagt nur mit, was bei ZDFonline berichtet wird und was uns Bekannte erzählen. Aber laut denen ist die Lage ziemlich schlimm in Athen.
Es ist alles so irreal! Wir leben hier in unserem Dorf abgeschnitten von der Welt und kriegen nichts mit. Wobei gestern sogar in unserem Nachbarort Kiato die Schulen freihatten und die Schüler demonstrierend durch die Straßen gezogen sind! Und das hier, in unserer verschlafenen Gegend! Das halbe Land ist ins Chaos gestürzt, keine Ahnung wie das weiter gehen soll! Ich mache mir ziemliche Sorgen, vor allem um unsere Freunde in Athen. Aber trotz aller Abgeschiedenheit unseres Dorfes merken auch wir die Auswirkungen der Ausschreitungen.
Zwei meiner Mitbewohnerinnen wollten am Wochenende nach Thessaloniki fahren, werden das jetzt aber wahrscheinlich doch sein lassen, weil es schlicht und ergreifend zu gefährlich ist. Meine Situation ist noch schlimmer. Eine Freundin aus Deutschland hat für dieses Wochenende einen Kurztrip nach Athen gebucht! Ich hab mich so wahnsinnig auf dieses Wochenende und den Besuch gefreut, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, ich hab Angst nach Athen reinzufahren und dort drei Tage zu verbringen und Sightseeing zu machen. Vor allem weil die Hauptattraktionen genau dort herum liegen, wo die Hauptausschreitungen stattfinden, Omonia und Syntagma.
Es ist so irreal von den ganzen Bildern aus den Nachrichten wirklich betroffen zu sein, in unserer persönlichen Freiheit beeinträchtigt zu werden und Angst haben zu müssen, wenn man einen harmlosen Wochenendausflug macht. Wir können nicht mehr sagen "Ach, das ist so weit weg, das geht uns nicht an!", sondern wir sind mittendrin im Chaos, aber Gott sei Dank noch weit genug davon entfernt.
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