Grenzen
Der letzte Monat in der Slowakei bricht an. Laurin fragt sich manchmal, was eigentlich normal ist und was nicht. Gehört Salat in Kaffeetassen dazu?
Heute Morgen saß ich lange mit Peggy in der Küche (ein Teppich, ein niedriger Tisch, eine Kochplatte, Kühlschrank), um - mal wieder - über unsere Probleme zu sprechen. Während ich krank zuhause herum saß und mich von der nicht funktionierenden Toilette und dem roten Wasser nerven ließ, beziehungsweise im Krankenhaus war und auf Slowakisch Diskussionen über meinen Gesundheitszustand führte, durfte sie mal wieder alleine arbeiten. Denn es gibt zwar theoretisch drei offizielle Mitarbeiter bei unserer Organisation, aber die sind irgendwie nie da.
Das Problem ist (wie oft habe ich hier Sätze so begonnen!) dass man nie weiß, wo man Grenzen ziehen soll. Was ist noch normal und was nicht. Und natürlich hat es am Samstag im Krankenhaus geklappt, ich spreche ganz gut Slowakisch und habe verstanden, dass ich jetzt mit der Behandlung fertig bin und hatte sogar Geld, um die Rechnung zu bezahlen (am Tag zuvor hatte ich den Rest meines Taschengelds von Oktober bekommen - November und Dezember fehlen immer noch, sowie das Geld für Busfahrten: mittlerweile 500 Euro.) Ich bin ja auch kein kleines Kind mehr. Aber ich hatte die Organisation gebeten, dass jemand mit mir kommt und nur weil alle am Abend davor auf einer Party waren und keine Lust hatten, um halb acht anzutanzen... Na, mir soll’s egal sein, aber für den nächsten Freiwilligen...
Meinen letzten Monat werde ich also mal wieder wahnsinnig spaßig mit Problemlösen verbringen, um Peggy und Serhat zu unterstützten. Zunächst werden wir Fotos machen, wie wir mit Regenschirm aufs Klo gehen (der Wasserkasten tropft und er hängt an der Decke), meine Salatpflanzen zur Arbeit nehmen und sie in die dreckigen, verschimmelten Kaffeetassen tun. Die trinken hier nämlich türkischen Kaffee und es bleibt ein etwa zehn Zentimeter dicker Kaffeesatz am Boden, der dann verschimmelt, weil sie ihre Kaffeetassen nicht selber spülen und wir uns weigern, es zu tun. Dann werden wir einen Sitzstreik im Büro abhalten, sollten sie uns am Montag wieder mit einem „Geht ins Jugendhaus und räumt auf, wir machen unsere wöchentliche Besprechung mal anders“ begrüßen.
Okay, es hört sich lächerlich an. Ich weiß nicht, wo die Grenzen sind.
Heute fängt mein letzter Monat an. Nein, ich will hier nicht weg. Auch wenn mich die Arbeit aufregt. Aber es ist gleichzeitig lustig, zusammen mit Peggy, und überhaupt. Und Slowakisch sprechen klappt ganz gut, ich lese jetzt Harry Potter auf Slowakisch. Auch das Freizeitleben ist super und ich fange gerade erst an, die modernen Theaterstücke in Stanica zu verstehen. Na, es wäre ja auch schlimm, wenn ich nicht bleiben wollte. Nur ist es schade, dass ich die meisten positiven Sachen außerhalb meiner Organisation erlebe. Pech.
Ich geh’ jetzt, heute ist im Labyrinth, wo ich meine Tanzstunden habe, Weihnachtsfeier und ich helfe dort zu dekorieren und darf dann später entweder ein Engel oder Teufel sein und die Kinder beschenken.