Goldener Herbst in Ungarn und Rumänien
Ein bisschen ungarische Geschichte und ein Reisebericht aus Rumänien
Ich konnte mein Glück kaum glauben, als ich Ende Oktober im Badeanzug am Balaton-See lag und mich von der Sonne nach einem Bad wieder aufwärmen ließ. So fühlt sich das Kontinentalklima also an, oder hat der Klimawandel schon seine Finger im Spiel? (Update: Mittlerweile ist auch hier der herbstliche Regen und der graue Himmel angekommen…) Neben der angenehmen Wärme freue ich mich jedenfalls auch an dem ganzen bunten Herbstlaub, was ich bei zahlreichen Exkursionen aus Budapest raus bestaunen konnte.
Mit meinem Humangeographie-Kurs fuhren wir in den Nordosten, nach Eger, einer der berühmtesten Weinregionen Ungarns. Auf dem Weg dorthin stoppten wir immer mal wieder, zum Beispiel an einem stillgelegten Bergwerk oder an einem Trianon-Denkmal. Ihr wisst nicht, was der Trianon ist? So ging es mir auch, als ich hierherkam, doch das sollte sich schnell ändern. Der Trianon-Friedensvertrag legte die neuen Grenzen Ungarns nach dem 1. Weltkrieg fest, wodurch Ungarn zwei Drittel seines ehemaligen Gebietes verlor und ein Viertel der ungarischen Bevölkerung sich außerhalb der Landesgrenzen wiederfand. Das ist hier vielen heute noch als „Trauma“ sehr bewusst. In fast jedem meiner Geographie-Kurs wird irgendwann eine Karte mit den früheren Landesgrenzen Ungarns gezeigt wird und über das Land verteilt gibt es Denkmäler, Landkarten und Autosticker mit dem Umriss „Großungarns“. Mir kam das erst mal recht seltsam vor, doch wie ein Dozent erklärte, hatte die ungarische Bevölkerung nie Gelegenheit dieses Trauma aufzuarbeiten, da es während dem Kommunismus ein Tabu-Thema war. Ein weiteres spannendes Thema sind die ungarischen Minderheiten, die heute zum Beispiel in Rumänien oder der Slowakei leben. Diese werden stark von der ungarischen Regierung unterstützt. Ein interessantes Detail ist etwa, dass vor dem Parlament in Budapest neben der ungarischen Flagge noch die der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen (Rumänien) hängt anstatt der europäischen Flagge. Insgesamt finde ich es sehr spannend, in meinen Kursen viel über die Geschichte Ungarns und die ungarische Perspektive zu lernen und das dann auch ganz praktisch selbst zu sehen.
So, nach diesem kleinen Geschichtsexkurs zurück zum Reisen. In unseren einwöchigen Herbstferien nutzen drei Freundinnen und ich die Chance, Rumänien zu erkunden. Mit dem Nachtzug fuhren wir 16 Stunden von Budapest nach Bukarest (bitte nicht verwechseln!). Sehr schön habe ich in Erinnerung, wie wir von den Klappbetten unsere Köpfe aus dem Fenster steckten, uns der kalte Fahrwind ins Gesicht pustete und wir in Decken gekuschelt die Nachtlandschaft an uns vorbeirauschen ließen. Als wir ausgeschlafen ankamen, wurden wir gleich von einer freundlichen jungen Frau angesprochen, die uns Hilfe anbot, da sie selbst Interrail gemacht hätte im Sommer und wüsste, wie man sich als Reisende fühlt. Sie zeigte uns, wo wir Bustickets kaufen konnten und da wir noch keine Landeswährung in bar hatten (der rumänische Leu ist übrigens eine der Währungen, bei der die Scheine aus Plastik sind), kaufte sie uns sogar noch die Tickets. Diese Freundlichkeit sollte uns noch häufiger begegnen. In Bukarest liefen wir vor allem viel durch die Stadt, die viel schöner ist als ich angenommen hatte. Vorherrschend ist auf jeden Fall ein bunter Mix an Architektur-Stilen, neben großen sozialistischen Gebäuden, wie zum Beispiel dem Parlament, welches das zweitgrößte Verwaltungsgebäude der Welt ist. An unserem letzten Tag bekamen wir von einer Bekannten noch eine Führung über einen Friedhof, bei dem sie uns viel über rumänische Nationalheld*innen und das „Goldene Zeitalter“ vor dem Kommunismus erzählte. Nach Bukarest fuhren wir zu unserem Couchsurfing-Host in Deva, der uns 2 Tage später zu unserem letzten Ziel, einer Berghütte in Transsylvanien, brachte. Dort war es dank Kamin sehr gemütlich und nach eher ungeplanten querfeldein Wanderungen freuten wir uns daran, Nudeln auf dem Feuer zu kochen und mit nur einem Teelöffel und einem Taschenmesser als Besteck zu improvisieren. Ein wenig lernten wir auch traditionelles rumänischen Essen kennen: Mamaliguta/Mamaliga (Polenta als Beilage/Brotersatz), Salata de vinete (eine köstliche Auberginencreme) oder Salam De Biscuiti (ich kann es nicht besser beschreiben als Kekssalami, von der Scheiben abgeschnitten werden…). Die Sprache ist sehr klangvoll und für mich deutlich leichter verständlich als Ungarisch, da sie eine romanische Sprache ist und dem Italienisch und Französischen recht ähnlich ist.
Zurück in Budapest, fand ich schnell wieder meinen Alltag und merke, dass die Zeit anfängt viel schneller zu vergehen.
Mehr zum Umgang mit dem Trianon heute: https://www.deutschlandfunk.de/100-jahre-erster-weltkrieg-ungarns-trauma-von-trianon.795.de.html?dram:article_id=280723
https://www.eurotopics.net/de/200602/vertrag-von-trianon-ungarns-nationales-trauma
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