Georgien - Land zwischen tiefem Glauben und Krieg
Während die meisten Georgier bekennende Christen sind, also Anhänger einer Religion des Friedens, hat Georgien nach seiner Unabhängigkeit von der Sowjetunion noch immer mit Konflikten zu kämpfen.
In der orthodoxen Metechi-Kirche in Tiflis aus dem 13. Jahrhundert fand gerade ein mehrstündiger Gottesdienst statt, als wir dort ankamen. Es gab einen Chor und Schriftlesungen, die Menschen liefen frei im Kirchenraum umher, zündeten Kerzen an und statteten den ihnen wichtigen Ikonen einen Besuch ab. Einst stand das Gebäude inmitten der königlichen Residenz, welche unter russischer Besatzung als Gefängnis, u.a. für Josef Stalin, genutzt wurde, bevor diese abgerissen wurde. Die Reiterstatur des Wachtang, der nahe der Kirche über die Stadt wacht, wurde 1967 vom gleichen Bildhauer geschaffen, der auch die Mutter Georgiens entworfen hat. König Wachtang I. schreibt man die Ernennung der Stadt Tiflis zur Hauptstadt zu.
Die große Mehrheit der Georgier bekennt sich zur Georgisch-Orthodoxen Apostelkirche. Schon 337 wurde das Christentum zur Staatsreligion erklärt und bis heute hat sich daran trotz der gesetzlich zugesicherten Religionsfreiheit nicht so viel geändert, werden der georgischen Orthodoxie doch als einziger Religionsgemeinschaft Zusatzrechte wie Steuerfreiheit und eine öffentlich-rechtliche Organisationsform zugebilligt, wodurch sie eine unübersehbare Sonderstellung inne hat. Etwa 10 % der Bevölkerung sind Muslime, knapp 4 % gehören zu verschiedenen christlichen Konfessionen wie der Armenisch-Apostolischen oder Armenisch-Katholischen Kirche. Bis heute kommt es immer wieder zu Übergriffen auf religiöse Minderheiten, weshalb Georgien bis 2004 auf der Liste der Länder stand, in denen Religionsfreiheit am wenigsten gewährleistet wird.
Die herausragende Stellung ihrer Kirche sowie die „Wiederauferstehung“ georgischer Religion und Tradition betonen die Tifliser mit der relativ neuen Samebakathedrale. Sie wurde erst 2004 fertiggestellt und ist mit 84 m das höchste Kirchengebäude in Georgien. Die goldenen Kuppel trägt ein 7,5 m hohes, vollständig vergoldetes Kreuz und ist weithin sichtbar. Das Gelände der Kathedrale beherbergt nicht nur den Sitz des georgischen Patriarchen, sondern auch ein Kloster, eine theologische Universität und ein Priesterseminar. Generell richten sich die Georgier sehr nach ihrem Patriarchen, gerade jetzt in der Fastenzeit. Wenn der Katholikos eine neue Fastenregel einführt oder spontan zu einem Tag des Verzichtes aufruft, versuchen sich alle daran zu halten.
Als wir in der Dreifaltigkeitskathedrale ankamen, liefen gerade die Vorbereitungen für die Beerdigung von Soldaten aus dem Kaukasuskrieg 2008, die exhumiert worden waren und nun auf heimischem Boden ein zweites Mal bestattet wurden. Im Georgienkrieg oder auch Kaukasichem Fünftagekrieg kam es zu militärischen Ausschreitungen zwischen Georgien und Russland in den zu Georgien gehörenden, aber autonom verwalteten Gebieten Abchasien und Südossetien. Die georgischen Truppen starteten im August eine militärische Offensive, um die unruhigen Gebiete wieder unter Kontrolle zu bekommen, wurden aber von eindringendem, russischen Militär zurück auf georgischen Staatsgebiet gedrängt. In den 5 Tagen des Krieges kamen etwa 850 Menschen ums Leben, mehr als 2000 wurden verletzt. Er führte u.a. dazu, dass Russland die Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien anerkannte. Das tun bis heute nur 4 Staaten.