Gegen 22 Uhr ändert sich die Welt unwiderruflich
Wie ich in Brest die Anschläge auf Paris erlebt habe.
Freitagabend, gegen 22 Uhr, ändert sich die Welt plötzlich unwiderruflich. Ich sitze zusammen mit meiner Gruppe Europäischer Freiwilliger und einigen Bekannten aus der Jugendarbeit und dem Kino von Redon in Brest auf einem Kurzfilmfestival.
Gerade sind wir aus der letzten Vorstellung gekommen und eigentlich wollen wir über die gesehenen Werke diskutieren. Doch nach der Nachricht, die wir gerade übers Handy bekommen haben, ist das nicht mehr möglich. In Paris wurden Anschläge verübt, berichtet uns Fabian mit tonloser Stimme, das Stadion, in dem gerade das Deutsch-Französische Freundschaftsspiel läuft, ist betroffen, eine Konzerthalle, ein Restaurant. Es gibt mindestens 60 Tote. Später werden es mehr Orte, mehr Tote, mehr Schrecken werden.
Geschockt sehen wir uns an. Dann reagieren wir, hektisch, unkoordiniert, mit klopfendem Herzen. Zum Glück erreichen wir alle Freunde, die wir in Paris haben. Zwei haben den Horror im Stadion miterlebt, sie sind auf dem Heimweg, kommen aber kaum durch. Doch alle sind heil, jedenfalls physisch. Mit den Anschlägen hat sich von jetzt auf gleich das Lebensgefühl hier geändert. An diesem Abend sieht man viele Menschen am Telefon, hektisch dabei, sich nach Bekannten zu erkundigen, sich zu vergewissern, dass sie wohlauf sind.
Am nächsten Tag erwarten uns Sicherheitsmänner am Eingang zum Kino. Wir treffen patrouillierende Polizisten auf der Straße, Taschen werden kontrolliert. Zeitungen und Fernsehen sind voller schrecklicher Bilder. Die Grenzen sind geschlossen, der Ausnahmezustand über das ganze Land verhängt. Wir sollen möglichst drin bleiben. In den Medien werden schon strengere Einreiseregeln und Sicherheitsmaßnahmen gefordert. Die Menschen sind betroffen, sie reden über das Geschehene, wollen es nicht glauben. Am stärksten zeigen sich das Mitgefühl und der Beistand mit „Pray for Paris“ in der sozialen Netzwerken, mit Plakaten und Gesprächen zwischen den Menschen. Trotz der tiefen Betroffenheit und der Hilflosigkeit, die die Ereignisse in den Franzosen erwecken, spürt man kaum Feindseligkeit, als publik wird, dass wohl der Islamische Staat dahinter steckt. Kein Ruf nach strengeren Regel oder das Schuldzuschieben auf die muslimische Gemeinschaft im Generellen.
Frankreich wie die Bretagne sind nicht mehr wie zuvor. Doch hier beweist sich der bretonische Stolz, den auch Staatspräsident Francois Hollande ausgedrückt hat: Frankreich ist stark, und das müssen sie jetzt beweisen. Vielleicht die Bretonen sogar mehr als die Franzosen.