Gas-Streit mit Kalkül
"Der Gas-Streit zwischen Russland und der Ukraine trifft am härtesten die Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina." Theresarajevo berichtet von dramatischen Zuständen in Sarajevo.
Der Gas-Streit zwischen Russland und der Ukraine trifft am härtesten die Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina.
Als der Gasdruck schwächer wurde, erlosch die "Ewige Flamme" in Sarajewo. Dort wo Dienstag Feuer loderte, breitet sich seit Mittwoch, dem 07.01.2009 eine Schneedecke aus. Mitten in der Nacht kam es in der bosnischen Hauptstadt zum vollständigen Zusammenbruch der Erdgasversorgung und damit zu dramatischen Zuständen.
Die Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina wurde Opfer eines Konflikts, an dem ihr Land selbst nicht beteiligt ist. Seit Neujahrsbeginn streitet Russland mit der Ukraine um neue Gaspreise und unbezahlte Gasrechnungen. Der Vorwurf des russischen Gaslieferanten GazProm, für andere Staaten bestimmtes Gas abgezweigt zu haben, weist der ungarische Gasversorger FGSZ zurück. Folglich wurde der zunächst von russischer Seite eingeschränkte Gasfluss vollständig eingestellt. Die Frage, wer letztlich Schuld an der Misere sei, versiegt in gegenseitigen Schuldzuweisungen. Nun sollen internationale Beobachter als Mediatoren die Gaslieferung überwachen und für zufriedenstellende Kompromisslösungen der Nachbarstaaten sorgen. Die Dauer des Gas-Streits bleibt indes ungewiss.
Das durch den Jugoslawienkrieg stark geschädigte Bosnien-Herzegowina besitzt kaum Gasvorräte und bezieht seine Erdgaslieferungen ausnahmslos aus der gleichen Pipeline wie Ungarn. So wurde es nur wenige Stunden nach der Einstellung der Gaslieferung in vielen bosnischen Wohnungen kalt. Medienberichten zufolge erleiden seitdem 100.000 Haushalte einen Ausfall der Fernwärme und somit Heizung- und Warmwasserversorgung. Dafür soll es in den öffentlichen Einrichtungen und einigen Wohnungen, die über die Fern- und Zentralheizung mit anderen Brennstoffen beheizt werden können, vorläufig warm bleiben. Ein Teil der Fernheizwerke in Bosnien-Herzegowina konnte tatsächlich kurzfristig mit Öl befeuert werden. In Sarajewo reichen die Ölvorräte allerdings nur für drei Tage.
Bei Temperaturen von bis minus 20 Grad ist in Sarajewo die Anfrage nach alternativen Heizmethoden drastisch gestiegen. Wer nicht mit Holz und Kohle heizen kann, versucht einen Elektroofen zu kaufen. Die Anfrage kann den Bedarf allerdings nicht decken und schon innerhalb weniger Minuten waren sämtliche kleine Geschäfte und große Ketten in der Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina ausverkauft.
Weil zu viele Heizgeräte das Stromnetz überlasten, soll teilweise auch die Stromversorgung zusammengebrochen sein. Die Bürger von Bosnien-Herzegowina befürchten nunmehr einen kompletten Zusammenbruch des gesamten Stromnetzes, schließlich sei die Belastung längst überschritten.
Es droht eine humanitäre Katastrophe, über die sich viele Bürger, vor allem Sarajewos, erstaunlich wenig Sorgen machen. Schließlich haben sie auch den Jugoslawienkrieg mit seinen Engpässen miterlebt und überlebt. Wie vor 13 Jahren wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis der Schnee auf der "Ewigen Flamme" schmilzt und die Flamme wieder zu brennen beginnt.
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