Freiwilligendienst einmal "andersrum"
Zwischen deutscher Pünktlichkeit und leckerem Essen schildert Jule_BeSo die Eindrücke von vier jungen Menschen aus Südamerika, die für ein Jahr ihren Freiwilligendienst in Deutschland verbrachten.
Der Freiburger Verein "BeSo e.V., Begegnung und Solidarität" ermöglichte vier jungen Menschen aus Peru und Ecuador, sich für ein Jahr sozial in Freiburg zu engagieren.
Ein Jahr lang lebten Pompeya (25, Peru), Raul (26, Peru), Jackeline (20, Ecuador) und Edwin (23, Ecuador) in Freiburg und hatten durch BeSo e.V. die Möglichkeit, einen Freiwilligendienst in Deutschland zu machen.
Bevor sie wieder zurück nach Südamerika in ihre Heimat flogen, habe ich sie getroffen und erfahren können, was dieses Jahr in Deutschland für die vier jungen Menschen mit sich gebracht hat.
Schon nach kurzer Zeit hat Edwin bemerkt, dass in Deutschland ein anderer Wind weht, was Termine und Pünktlichkeit angeht. Schnell bekam er den Eindruck, dass "leben" in Deutschland oft auch Stress bedeutet. Aber Edwin betonte dabei, dass das Leben in Deutschland von jedem einzelnen gut organisiert wird und er lernen konnte, seine Zeit besser einzuteilen.
Voller Überzeugung möchte er auch in Zukunft sein Leben strukturierter planen, eben so, wie es die Deutschen tun, mit einem Terminkalender. Vorausdenken und planen, das sind für ihn zwei seiner vielen Erfahrung, die er auch in Ecuador beibehalten möchte.
Bei seiner Arbeit im Freiburger Kinderhaus Bernhard von Baden stellte Edwin auch fest, dass die deutschen Kinder schon viel selbstständiger sind und, ganz anders als in Ecuador, in getrennten Altersklassen aufwachsen, was ihre eigenständige Entwicklung fördert.
Jackeline, die ein Jahr lang in den Caritas-Werkstätten St. Georg arbeitete, betonte wie stark ihr der Unterschied im Umgang mit Menschen mit Behinderungen auffiel - sie hat erfahren, wie viele Möglichkeiten es in Deutschland für diese Menschen gibt, sie können arbeiten und werden von den Menschen eher akzeptiert als in Ecuador.
Sie findet es toll zu sehen, dass in Deutschland Menschen mit Behinderungen so sehr integriert werden und ihnen finanzielle Unterstützung gegeben wird. Nicht im Hinblick auf den Umgang mit Menschen mit Behinderungen aber mit dem Umgang unter den Deutschen an sich ist ihr aufgefallen, dass man sich hier zunächst sehr distanziert begegnet.
Was sie in Deutschland ein bisschen vermisst ist die Herzlichkeit, die einem in Südamerika schneller begegnet. Jackeline und Pompeya hatten beide den Eindruck, dass viele Deutsche zunächst eher distanziert zu anderen Menschen sind und die Herzlichkeit erst dann hervortritt, wenn man sich besser kennen lernt.
"Die Deutschen sind oft zu ehrlich, sie sagen frei heraus, wenn sie zum Beispiel keine Lust auf etwas haben. Latinos sind da höflicher und nehmen mehr Rücksicht darauf, es dem anderen Recht zu machen", so Pompeya.
Auch Raul stimmte zu, und deutete dieses Verhalten als individueller, unabhängiger und vielleicht auch egoistischer, als sie es von Peruanern gewohnt sind.
Neben der Begeisterung für deutsche Wurst und das gute Bier brachten die Vier zum Ausdruck, dass ihnen die Umgebung des Schwarzwaldes unheimlich gut gefällt, obgleich das Klima im Winter für sie eine echte Herausforderung darstellte. Natürlich war ihnen das eigentlich viel zu kalt, aber den großen Spaß beim Schlittenfahren hätten sie nicht missen wollen.
Bei einem Ausflug zu unseren österreichischen BeSo-Mitgliedern konnten sie sogar eine winterliche Fahrt auf einem Snowboard wagen. Zudem bemerkte Edwin, dass es für ihn eine tolle Erfahrung war, Weihnachten, Fastnacht und Ostern in Deutschland zu erleben. Es sei für ihn ein neues Erlebnis gewesen, die beeindruckenden Orgelklänge in der Ostermesse zu hören und Schokoladen-Osterhasen und gefärbte Eier zu essen.
In seiner Arbeit bei einer Freiburger Straßenschule musste sich Raul immer wieder darum bemühen, einen richtigen Kontakt zu den Jugendlichen aufzubauen, die aus schwierigen sozialen Umfeldern kommen. Er versuchte, auf einer freundschaftlichen Art und Weise zu helfen und möchte nun auch in Peru versuchen, die Jugendlichen von der Straße zu holen und ihnen zu helfen, einen neuen Weg in die Zukunft zu planen.
Während mir die Vier ihr Bild von Deutschland vermittelten, wollte Raul auch zu verstehen geben, dass die deutschen Frauen aus seiner Sicht sehr schwierig einzuschätzen sind. Er habe die Erfahrung gemacht, dass sich deutsche Frauen sehr schwer tun, Höflichkeiten von Männern anzunehmen, die in Peru für ihn selbstverständlich sind.
So wollte er in einer Freiburger Straßenbahn einen Sitzplatz für eine Dame mittleren Alters freigeben, und sie wollte ihn nicht annehmen. "So eine Reaktion hätte es in Peru nicht gegeben, deutsche Frauen sind sehr selbstbewusst und möchten Stärke zeigen!", sagt Raul.
Die Zeit verging während des Gesprächs viel zu schnell, es war wirklich interessant, unser Deutschland einmal durch andere Augen zu sehen und zu hören, wie es für Menschen aus Südamerika ist, hier zu leben. Zum Schluss möchte ich Edwins Fazit noch einmal besonders hervorheben: Es gibt keine Grenzen, die nicht überwunden werden können. Ob es nun tatsächliche Grenzen zwischen Ländern oder scheinbare Grenzen zwischen den Menschen sind.
Dieses Jahr in Deutschland hat ihm gezeigt, dass es keine Grenze gibt, die nicht überbrückt werden kann. Man muss nur offen genug sein und auf die Menschen zugehen.
Die Mitglieder von BeSo e.V. sind froh, dass dieser Austausch auch "andersrum" so eine positive Rückmeldung bekommen hat. Wir freuen uns auf die Zukunft, in der auch weiterhin der Name des Vereins, Begegnung und Solidarität, Thema sein soll!
Interesse an BeSo e.V.? www.beso-ev.de
Youth-Reporterin für BeSo e.V. Juliane Iltgen
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