Feminismus im Libanon
Der Libanon ist einer der liberalsten Staaten des Nahen Ostens, auch wenn um Frauenrechte geht – Aber sorgen vielleicht nur negative Beispiele wie Saudi-Arabien für dieses gute Image? Wie steht es um Frauenrecht wirklich im Libanon?
Gerade wenn es um feministische Themen geht ist es notwendig, diesen kritischen Begriff erst einmal zu definieren: Nach meiner Auffassung nach ist Feminismus eine Bewegung der Gleichberechtigung der Geschlechter, die aus der Diskriminierung von Frauen entstand- Aber genauso stehen Feministinnen und Feministen für die Rechte von Männern ein. Die Idee ist, alle sozial konstruierten Rollen und Gender-Klischees aufzubrechen, und unsere Persönlichkeiten, unser Leben und unsere Sexualität völlig frei zu entwickeln.
Warum ist Feminismus relevant? Weil in unseren modernen Gesellschaften die Menschen immer noch mit starren Rollenbildern konfrontiert sind, die uns in unserer Freiheit einschränken und uns im schlimmsten Fall unglücklich machen, uns unter Druck setzten oder sogar unsere Rechte beschneiden. In Deutschland haben wir es beispielsweise immer noch nicht geschafft, Frauen und Männern die gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit zu gewährleisten, gleiche Job-Möglichkeiten in Führungspositionen zu ermöglichen und gewisse Berufe/Ausbildungen sind immer noch stark an Gender gebunden, sodass Männer zB. nur selten als Kindergärtner oder Krankenpfleger zu finden sind.
In Deutschland sind wir gerade im Prozess, uns mit diesen Rollenbildern auseinanderzusetzen, wir diskutieren über unsere Sprache und Stereotypen die unser Bild von Beziehungen/Familien bestimmen. Hier im Libanon sieht die Situation schon etwas anders aus: Durch seine religiöse und ethische Vielfalt, auch durch seine Geschichte als Land der Händler und Seefahrer ist der Libanon grundsätzlich sehr liberal eingestellt und eher westlich in seinen Werten.
So sind Frauen Männern auch gesetzlich gleichgestellt und haben die gleichen Bildungs- und Berufsmöglichkeiten. In den Kreisen der reichen Elite ist das auch kein Thema, die Mädchen besuchen die Uni, starten ihre professionelle Karriere und gehen ins Ausland. So ist die vorherrschende Meinung, dass Frauen gleichberechtigt sind begründet, die die meisten Libanesen vertreten. Was ich allerdings beobachte von einer kritischen Außenperspektive (wobei ich natürlich nicht mit genug Menschen aus verschiedenen Schichten gesprochen habe um ein umfassendes Bild der Situation zu haben, ich möchte an dieser Stelle lediglich meinen Eindruck und meine Erfahrungen wiedergeben) sehe ist eine andere Realität, und darüber habe ich auch schon einige interessante Diskussionen mit libanesischen Männern geführt.
Tatsächlich sind Frauen und Mädchen doch ziemlich in ihrer Rolle als Ehefrau/Mutter/Caretaker festgehalten. Das klassische Familienbild wird nicht hinterfragt und auch wenn es sehr höflich formuliert wird und als große Verantwortung der Frau dargestellt wird, wird so letztlich doch die Frau in die Rolle der Hausfrau gedrängt. Begründet wird dies mit dem Argument, das wäre doch nur natürlich, Frauen müssen die Kinder erziehen und sind auch als einzige dazu fähig.
Ich sehe das sehr kritisch, weil das für die Frauen bedeutet, dass sie keine Karriere verfolgen können, die Verantwortung für die Kindererziehung wird völlig auf die Frau übertragen genauso wie ihr gewisse Eigenschaften und Attribute zugeschrieben werden – Eine Frau soll feminin, sensibel und sanft sein. So wird mir beispielsweise erklärt, ich soll den Autos, die anhalten wenn ich die Straße überqueren will, nicht zuwinken, das wäre nicht feminin.
Ein weiteres großes Thema ist Cat Calling. Wahrscheinlich provoziert mein ausländisches Aussehen noch mehr Aufmerksamkeit, aber ich kann das Haus nicht verlassen ohne dass ich anzügliche Blicke, vulgäre Kommentare oder gut gemeinte Komplimente ignorieren muss. Tatsächlich sehen das die meisten (Männer) nicht als problematisch, aber was bedeutet es für uns Frauen? Wir werden permanent auf unser Äußeres reduziert und als Sexobjekte wahrgenommen. Es löst in uns ein Gefühl aus, bedroht zu sein und sich schützen zu müssen, deswegen wählt man unauffällige und bedeckende Kleidung aus. Und man weiß nicht, wann aus diesen Blicken, Worten und Gedanken Taten werden.
Wie mir der Vater meiner Gastfamilie kürzlich erklärt hat, ist er absichtlich mit mir die ersten Tage durch die Straßen unseres Viertels gelaufen, um den Männern und Jungs klar zu machen, dass ich zu ihm und seiner Familie gehöre. Wie mir erklärt worden ist, ist es auch unmöglich für Mädchen mit einem anderen Mann zu sprechen, sobald sie mit einem männlichen Freund/Kumpel unterwegs sind - Unabhängig davon wie ihre Beziehung zu ihrer männlichen Begleitung ist. Jeder Mann, der versucht mit ihr Kontakt aufzunehmen wird direkt als Rivale aufgenommen. In meiner Meinung übt diese besitzergreifende Attitüde einen großen Druck auf Mädchen aus und macht innersexuelle Freundschaften quasi unmöglich.
Und auch wenn das eher soziale/gesellschaftliche Faktoren der Diskriminierung sind und keine rechtlichen Benachteiligungen, welche ich in Beirut erlebt habe, finde ich es unglaublich wichtig diese zu erkennen und zu thematisieren – Auch wenn viele libanesische Männer das anders sehen.