Fast Halbzeit
Weihnachten und Sylvester in Illinois
Hallo ihr Lieben. Ich muss zugeben, dass ich meinen Blog fast vergessen habe. Nun habe ich mich aber doch mal wieder aufgerafft und beim Lesen meines letzten Eintrages ist mir aufgefallen, wie lange der letzte Eintrag wirklich her ist. Wie die Überschrift schon sagt: die Hälfte meines Aufenthalts ist vorbei und bis jetzt läuft alles sehr sehr schön. Ich fühle mich mittlerweile, als ob ich nie bei einer anderen Familie gewohnt hätte, die ersten Monate bei meiner ersten Familie sind schon lange aus meinem Kopf verschwunden. Vor allem Weihnachten hat hier einen großen Teil meines Verstandes eingenommen, da ich meine deutschen Verwandten nicht hängen lassen wollte und somit praktisch doppelt so viele Geschenke wie üblich zu besorgen hatte.
Ich hoffe, dass mein Paket mittlerweile angekommen ist, wie nicht anders zu erwarten bin ich das erst 2 Tage nach Weihnachten losgeworden, wodurch es einiges an Verspätung haben dürfte. Nunja, Weihnachten an sich wahr hier ziemlich genau das gleiche wie in Deutschland, nur dass ich meine Geschenke letztendlich 36 Stunden später geöffnet habe als jedes deutsche Kind...aber das nur nebenbei. Mit Weihnachten kamen dann auch endlich die Winterferien, welche hier auch 2 Wochen sind. Bruno fing allerdings schon am zweiten Ferientag an zu fragen wann denn die nächsten Ferien seien und warum es nur 2 Wochen wären. Für ihn ist das ganze etwas schwerer, da er in Brasilien gerade Sommerferien hätte, und wenn er zurück kommt in unserem Sommer, er im Gegenteil zu mir nur seine kurzen Winterferien hat. Da ist mir erst klar geworden wie gut das bei mir eigentlich passt. Die Ferien haben wir hauptsächlich mit langem Ausschlafen und Faulenzen verbracht, mit Freunden oder einfach nur zu Hause mit Tabitha. Wir haben an Weihnachten und Sylvester viele neue Bekanntschaften mit Leuten aus der großen Duffieldfamilie gemacht, Familientreffen waren fast alle 2 Tage. An Sylvester saßen wir einfach nur mit der Familie zusammen und haben Karten gespielt, Knallerei ist hier gar nicht zu sehen, da es teilweise sogar verboten ist. Alles in allem waren die Ferien aber auf jeden Fall sehr erholsam und gemütlich. Wir hatten sogar ein bisschen Schnee, aber lange nicht so viel wie angekündigt und mittlerweile ist alles wieder geschmolzen. Diesen Montag hat hier wie in Deutschland die Schule wieder angefangen und ich glaube ich habe mich zum ersten Mal seit Jahrzehnten auf den Schulbeginn gefreut. Eigentlich wollte ich meinen Stundenplan ändern und Spanisch nehmen anstatt Pre Calculus, da Pre Calc das wohl anstrengendste Fach von allen ist und ich eigentlich vor hatte, Spanisch in Deutschland weiter zu machen, was wohl zu Schwierigkeiten führen könnte wenn ich es ein Jahr nicht einmal im Ansatz gesprochen habe. Das ganze hat aber leider nicht geklappt, da die Schulleiterin es nicht einrichten konnte, aber wirklich dramatisch ist die ganze Sache auch nicht. Mit den Noten liege ich hier weiterhin gut, auch wenn das für mich ja gar keine Bedeutung hat, da ich das Jahr eh wiederholen muss. Bruno allerdings ist nach einem halben Jahr schon fertig. Das letzte wovon ich noch erzählen wollte ist ein Event das kurz nach Schulbeginn an unserer Schule im Sportunterricht stattfand. Anstelle des eigentliche ziemlich nett gemachten Sportunterrichts, hatten wir eine Art Armee-Gehirnwäsche, wie ich es gerne nenne. Das hört sich sicher etwas streng an, war für mich aber teilweise nicht so leicht zu ertragen. In der Turnhalle war ein riesiger Parkour aufgebaut worden der aus einer riesigen Hüpfburg bestand auf der ein Soldat in einem Panzer thronte. Wir sollten dann durch diese Hüpfburg so schnell wie möglich rennen und am Ende erzählten uns die dazugehörigen Soldaten warum man der Armee beitreten müsse. Ich will gar nicht so viel über die Einzelheiten reden, Fakt ist, dass das ganze sogar mich kurz zum Überlegen gebracht hat und einem jeden der bis dahin kein Ziel für die Zukunft vor Augen hatte, eines gegeben hatte. Die Armee wurde ziemlich heftig ins Glanzlicht gestellt und dann konnte man sich auch gleich quasi einschreiben. Das ganze war schon schlau gemacht, aber mir war das ganze nichts, ich habe mich ziemlich unwohl gefühlt. Ähnlich geht es mir gerade in U.S History. Was kommen musste kam und das nennt sich Erster Weltkrieg. Der Unterricht konzentriert sich zum Glück nur auf amerikanischen Beitrag der ja nicht so groß war, aber es wird mir schon manchmal unangenehm. Der Lehrer entschuldigt sich auch immer wenn wir uns Propagandabilder mit deutschen Teufeln und Menschenaffen angucken die Jungfrauen in ihren Fängen zerreißen. Ich muss ehrlich sagen, dass ich nie auch nur ansatzweise so für mein Land stand wie so ziemlich ein jeder Amerikaner es tut. Dieses Loyalitätsgefühl und der Patriotismus sind mir eher zuwider und fremd. Ich kann die Amerikaner verstehen, warum sie so fühlen, aber ich finde es immer noch komisch. Diesen Gefühlen bin ich so extrem nie begegnet und ich denke dass es das Fremde ist, was mich so abschreckt. Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich glaube kaum jemanden zu kennen, der für Deutschland kämpfen oder gar sterben würde. Das mag wohl zum größten Teil mit unserer Vergangenheit zu tun haben, dem Fakt das es nie zu viel Gutem geführt hat wenn viele Deutsche patriotisch dachten. Ich habe darüber nie wirklich nachgedacht. Ich mag mein Land schon und bin froh das ich hier aufgewachsen bin, aber wenn manche Amerikaner Witze reißen die sich eher gegen Deutsche beziehen, fühlte ich mich nie wirklich angegriffen, mir war das ziemlich Einerlei. Aber mit der Zeit die ich hier war, bin ich nachdenklich geworden. Mit jedem Mal wenn jemand Sätze wie : " Wir haben euch im ersten und im zweiten Weltkrieg zerstört " hören ließ, hat sich etwas in mir geregt, was irgendwann immer mehr zu protestieren anfing. Und mittlerweile bin ich schon fast stolz darauf, mein Land hier zu vertreten und all den Unsinn den manche hier über Deutsche glauben aus den Köpfen zu vertreiben. Es ist immer noch lange nicht so weit, dass ich für mein Land sterben würde, dazu wird es nie kommen. Patriotismus ist mir so zuwider geworden durch das, was ich hier gesehen habe, manchmal gucke ich nur noch weg. Aber letzen Endes bin ich froh, dass wir genau so nicht in Deutschland leben und so im Vergleich zu vielen Amerikanern meines Erachtens weitaus freier sind. Darauf bin ich stolz und dazu stehe ich hier auch.