Familienausflug 2
Laurins Slowakisch ist inzwischen gut genug, dass sie Vieles versteht, wenn Leute auf sie einreden. Eigentlich schade, findet sie, denn so gibt es immer weniger freudige Überraschungen. Dafür fand sie neue Abenteuer, als sie zuerst mit Freunden die kleine Fatra durchstreifte, bevor es mit ihrem Vater in die Hohe Tatra und ins Räuberland ging.
Von Samstagabend bis Dienstagmorgen war mein Vater zu Besuch. Da es hier nur einen Platz im Heu gab, schlief er bei Danka, meiner Mentorin. Und weil Danka so ein riesiges Haus hat, schlief ich auch gleich dort. Zwei Tage lang haben wir uns die Umgebung angeschaut.
Am Sonntag ging es zur Hohen Tatra, die doch etwas weiter weg ist, als die Fatra. Der Sturm letztes Jahr und dann das Feuer vor wenigen Wochen haben wirklich einen großen Schaden angerichtet (und ich habe mal wieder keine Fotos). Ganze Hänge voller umgeknickter, teilweise verkohlter Bäumen. Andererseits sah der Teil, der vom Feuer verschont geblieben war, sehr schön aus: voller Blumen, viel bunter als dieser ewig öde Nadelwald.
Da weder mein Vater noch ich Personen sind, die jemals umkehren, haben wir sehr viel von dem Landstrich zu sehen bekommen. Nachdem wir einmal falsch abgebogen waren, hatte ich einen neuen Weg herausgesucht, der gelb markiert war. Keine Ahnung was das eigentlich heißen soll, in unserem Fall hieß es „Anlieger frei“, schmaler Schotterweg, wahnsinnig viele Schlaglöcher und nach einer halben Ewigkeit ein Schlagbaum, sodass wir umkehren mussten – ein tiefer Schlag für die Familienehre ;-).
Am Montag machten wir eine Fahrt durch das „Janošik“-Räuberland. Endlose Wälder, wenige Siedlungen, die zum größten Teil sogar noch aus den alten Holzhäusern bestehen und hin und wieder gab es kräftige Regenschauer und Nebel. Eigentlich nicht weit von hier, wo ich wohne, ist die Gegend ähnlich – allerdings haben wir ein paar mehr Wiesen und nicht ganz so wilde Berge und Schluchten. Aber ich habe mir schon ein paar Orte ausgesucht, in die ich spätestens im Herbst für Laubbilder zurückkommen muss. Am Liebsten käme ich früher, ich würde auch dort gerne wandern gehen, denn mit dem Auto durchfahren ist eine Sache, ich muss aber auf Waldpfaden laufen, selbst eine „Janošik“-Hütte finden, den Wind und den Regen auf der Haut spüren (oder vielleicht auch die Sonne).
Ich verstehe jetzt, warum im Austauschjahr Besuche im ersten Halbjahr „verboten“ sind. Man wird schon sehr aus seinem Leben herausgerissen: da Danka auch Deutsch spricht, habe ich zwei Tage lang nicht Slowakisch gesprochen, hatte all die kleinen angenehmen Dinge, inklusive deutscher Zeitung und Lakritze, konnte abends im Bett lesen ohne Rücksicht auf irgendjemanden nehmen zu müssen, konnte Entscheidungen bewusst selbst treffen. Und vor allem hatte ich jemand Vertrautes bei mir, dessen Reaktionen ich halbwegs berechnen konnte, was mir hier bei Vielen immer noch nicht gelingt. Allerdings kann ich mittlerweile a) voraussehen, wann es zum wer-macht-den-Abwasch-Streit kommt und diesen b) dann auch verstehen und mich c) absichtlich verdrücken. Ich verstehe immer mehr und kann auch mich immer besser verständlich machen (ich habe das Gefühl, dass meine Sprachfertigkeiten einen großen Sprung nach vorne gemacht haben), ich kenne meine Gastfamilie allmählich, in meine Arbeit ist etwas Routine hineingekommen und vor allem finde ich mein „Abenteuer Ökofarm“ immer noch wahnsinnig spannend (Überraschungen gibt es genug). Deshalb war es auch nicht „schlimm“, dass mein Vater zu Besuch war. Es lebe das Abenteuer!
Dazu muss ich sagen, dass ich hier ständig Konversationen geführt habe, in denen ich keine Ahnung hatte, was die andere Person von mir wollte. Ich hab einfach „Jaja“ gesagt und bin mitgegangen. War immer eine gute Überraschung. Leider wird jetzt so etwas immer seltener, da ich etwas mehr verstehe. Aber ich wette, es gibt noch andere Arten von Überraschungen. Nicht Überraschungen, Abenteuer. Glücksfälle!