Europa heißt Vielfalt
Züleyha Ucar, 24, ist Europäerin – wie so Viele in ihrem Umfeld. Was diese Europäer auszeichnet, zeigt Züleyha liebevoll in kleinen Blitzlichtern ihres Lebens auf. Dabei öffnet sie den Blick dafür, wie vielfältig die Lebensformen in Europa sind und wie das Miteinander funktioniert.
Vielfalt – so wie ‚Diversity’ bei uns in der Firma. Man hört und sieht es überall, unbewusst, täglich, in jedem Moment. Aber was genau ist denn ‚Diversity’? Keine Ahnung … Vielleicht ist es ja ein bisschen von allem, so wie ich. Warum? Ganz einfach: weil ich sehr vielfältig bin.
Mein Name ist Züleyha Ucar. Der Vorname ist arabischer Abstammung, er steht im Koran und hat viele Bedeutungen. Eine gefällt mir besonders, sie heißt Wasserfee. Meine Familie stammt ursprünglich aus einem Freistaat namens Hatay. Es ist ein Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien. Später entschied man, sich der Türkei anzuschließen und dann wurde die Grenze einfach erweitert, Politik halt. Jetzt ist Hatay also ein Teil der Türkei.
Ich bin 24 Jahre alt und in Neuss geboren. Jemandem zu erklären, wer oder was ich bin ist eine sehr heikle Angelegenheit. Meistens fange ich so an. Ich bin Araberin, komme aus der Türkei, bin aber in Deutschland geboren. Die meisten glauben mir das nicht. Zu Recht, denn ich habe einen sehr hellen Teint, mit vielen Sommersprossen, dunkelblonde Haare und grüne Augen. Ich glaube, so stellt sich niemand eine Frau aus Anatolien vor, deshalb kann ich es den Menschen auch gar nicht verübeln. Nimmt man nun noch ein türkisches Sprichwort hinzu, in dem es heißt - Jede Sprache ist ein Mensch - würde ich sagen, bin ich viele Menschen. Eine Deutsche weil ich hier geboren bin, eine Türkin weil ich aus der Türkei komme, eine Araberin weil meine Muttersprache Arabisch ist, eine Engländerin und Französin weil ich in der Schule meine Begabung für Sprachen entdeckt habe.
Ich glaube ich bin ein bisschen von allem, ich bin Europäerin.
Meine Mama
Meine Mama ist gelernte Frisörmeisterin. Ihr Meisterbrief aus der Türkei wurde in Deutschland nicht anerkannt. Um meinen Dad zu unterstützen, ging sie putzen und hier und da mal Haare scheiden. Irgendwann hat sie erkannt, dass es Blödsinn ist, ihren Hauptberuf nur als Nebenjob auszuüben und stattdessen anderer Leute Treppenhäuser zu wischen. Deshalb hat sie mit Mitte 40 eine schriftliche und praktische Anerkennungsprüfung abgehalten… erfolgreich.
Meine Mama ist eine starke Frau, meine Mama ist Europäerin.
Nadine
Nadine ist eine sehr gute Freundin von mir. Ich kenne sie seit mehr als zwölf Jahren. Wir sind quasi zusammen aufgewachsen. Ich würde sagen, sie war schon immer ein aufmüpfiges Kind. Sie hat mehrere Hochs und Tiefs in ihrem Leben. Dazu gehören das Weglaufen von Zuhause, das Ausziehen mit 16, private Schicksalsschläge, viele Jugendsünden und viele Partys. Aber jetzt hat sie es gepackt. Nach der Schule hat sie, mit ein wenig Verspätung, eine Ausbildung zur Arzthelferin angefangen. Mittendrin hat sie ein Kind bekommen.
Dennoch, ihr ist es gelungen mit viel Ausdauer und Kraft beides in den Griff zu bekommen und sie hat die Ausbildung sogar verkürzt. Nun ist sie eigentlich fertig, aber sie will noch mehr als das. Heute holt sie ihr Abitur nach. Ich bin sehr stolz auf sie.
Nadine hat ihren Weg gefunden, Nadine ist Europäerin.
Elfrieda
Elfrieda kenne ich seit der Geburtstagsparty meiner Cousine. Dort haben wir uns zwischen die Chips und Nachos gesetzt und über Gott und die Welt geredet. Elfrieda ist schwarz, sie kommt aus Ghana und hat wunderschöne geflochtene Haare. Sie ist 22 und studiert an der Uni Düsseldorf Chemie. Zwischen denn ganzen introvertierten Brillenträgern ist Elfrieda der wahrscheinlich der einzige Farbklecks in ihrem Studiengang. Das finde ich klasse. Ich fühle mich gut, wenn ich selbstbewusste Frauen treffe.
Elfrieda zeigt’s allen, Elfrieda ist Europäerin.
Doro
Doro ist unsere Nachbarin. Sie ist Ende 40, Rechtsanwältin und letztlich führt sie doch ein erfolgreiches Kleinunternehmen, die Familien GmbH. Doro ist verheiratet mit Ghelan, einem Iraker. Zusammen haben sie zwei Kinder Dunya und Richard. Insgesamt sind die das interessanteste Paar, das ich kenne. Wenn ich bei Doro bin, gibt es meistens Tee und zum Abendessen Reis. Das schmeckt und ist gut so. Unterschiedliche Kulturen haben manchmal doch vielmehr gemeinsam als man glaubt.
Doro ist emanzipiert, Doro ist Europäerin.
Europa heißt Vielfalt, weil jeder seine eigene Geschichte hat. Jeder ist anders, hat seinen eigenen Hintergrund, seine eigene Zukunft. Europa ist Hoffnung. Und wenn man will, und den Glauben nicht verliert, kann man alles erreichen, was man möchte. Europa ist Freiheit.
Herkunft, Glaube, Aussehen oder Geld bestimmen nicht den Werdegang eines einzelnen.
Europa ist Zusammenhalt, Fairness, Gerechtigkeit und es gibt einen gemeinsamen Gedanken
Ich finde es gut, Europäerin zu sein.
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