Erstes Seminar
Nach fast zwei Monaten hat Borussia uns diese Woche ein Beginning Seminar organisiert. Das Programm war eine schöne Abwechslung von der Arbeit und wir haben viel als EVS-Gruppe zusammen gemacht.
Der Montag begann erst einmal mit ein paar kleinen Kennenlernspielen. Wirklich nötig war das nicht, weil wir fast alle zusammen wohnen. Aber da ich in der vorherigen Woche ein paar Tage mit der ersten Erkältung hier im Bett verbracht hatte, war ich Fabio und Masia noch nicht begegnet. Borussia betreut also insgesamt zehn Freiwillige: Chiara, Francesca und Fabio aus Italien, Masia aus der Ukraine und Dorina, Lisa, Elisabeth, Jakob, Laura und mich aus Deutschland. Deshalb war auch das Seminar auf Englisch, aber ich hoffe, dass wir irgendwann mal ein bisschen Polnisch verstehen.
Am ersten Tag gab es noch Vorträge über die Geschichte Polens und die von Warmia i Mazury. Leider immer auf Polnisch, mit stückchenweise Übersetzung ins Englische – so auch während der restlichen Woche. Für mich war das eine sehr ermüdende Methode, die auch Zeit kostet.
Am Abend haben wir das Theater besichtigt, das nach dreijährigen Renovierungsarbeiten erst im November wieder öffnet. Es war vielleicht nicht für alle spannend, aber ich fand es beeindruckend vor dem offiziellen Beginn die Bühnen zu sehen. Obwohl alles neu ausgestattet und auf den neuesten Stand der Bühnentechnik ist, lag schon der typische Theatergeruch in der Luft. Es wurde darauf geachtet, die Atmosphäre aus der Bauzeit, den 20er Jahren zu erhalten. Das Teatr im. Stefana Jaracza (ja, im Polnischen ist die Endung a in manchen Fällen männlich) hat drei Bühnen, neben der Hauptbühne befinden sich im gleichen Haus die kleinen Bühnen für eher moderne Stücke und experimentelle Performance. Bei unserer Führung waren wir das erste Publikum, das auf den Stühlen Platz nehmen durfte. Auf der Hauptbühne stand schon das moderne Bühnenbild für das Eröffnungsstück „Damy i Huzary“, eine oft gespielte Komödie. Gerne hätte ich auch die dritte Bühne gesehen (Bauarbeiten sind dort noch nicht abgeschlossen), weil dort die Trennung von Schauspielern und Publikum aufgehoben werden soll, und die Kostümkammer oder Werkstätten, aber der Backstagebereich ist noch ausgelagert.
Am Dienstagvormittag hatten wir ein Seminar über „Teambuilding and Motivation“. Das waren aber nicht die üblichen Spielchen dazu, sondern ein bisschen Hintergrundwissen über Gruppedynamik – also haben wir unsere „Soft Skills“ nur theoretisch gestärkt. Einerseits war es interessant, weil ich es nachträglich auf gute wie auch schlechte Gruppenerfahrungen anwenden kann, aber es war nicht wirklich hilfreich, um mit schwierigen Leuten umzugehen. Glücklicherweise ist das hier nicht der Fall – wir sind uns in den vier Tagen mit zehn bis elf Stunden Seminar nicht auf die Nerven gegangen und auch auf ein eigenes Zimmer zu verzichten klappt noch sehr gut.
Außerdem haben wir uns vom Marshall der Woiwodschaft die administrative Aufteilung Polens erklären lassen. Das war nicht besonders spannend, aber ich war wieder mal überrascht, dass sich für unsere Gruppenführungen immer sehr wichtige Leute Zeit nehmen.
Nachmittags haben wir dann in Pärchen (ich mit Dorina) eine seeehr lange Stadtralley gemacht, aber dabei noch ein paar interessante Details über Olsztyn erfahren. Es waren nicht nur übliche Stationen so einer Tour (der alte Fahrstuhl der größten Buchhandlung wurde 1910 in Betrieb genommen), sondern auch ganz lustige (in einer Taverna bedeutet das Läuten der Schiffsglocke eine Runde Freibier für alle Gäste auf Kosten der Person, die es gewagt hat zu läuten). Dorina und ich waren nicht besonders schnell, aber dafür haben wir als Zusatzaufgabe die meisten Kopernikusse fotografiert. Seine paar Jahre, die er hier auf der Burg verbracht hat, werden wirklich touristisch ausgeschlachtet.
Am Mittwoch haben wir die lokale Fernsehstation besichtigt, aber mit nur einem kleinen Nachrichtenstudio, ist sie wirklich winzig und ich fand nicht, dass es so viel zu sehen gab, als das sich der weite Fußweg gelohnt hätte. Gleich danach haben wir eine Führung durchs Schloss von Olsztyn bekommen – wieder in anstrengender polnisch-englischen Doppelung. Die Backsteinmauern sehen sehr wehrhaft aus, aber zu den unruhigen Zeiten des Deutschen Ordens war Olsztyn wohl relativ sicher. Besonders stolz sind sie auf die Himmelstafel, auf der Kopernikus seine Beobachtungen über die Sonnenwanderung festgehalten hat. Es sieht leider nicht so beeindruckend aus, wie seine Forschungen zum Beispiel auf einem Gemälde dargestellt wurden. Doch eine Besichtigung lohnt sich auf jeden Fall für die Aussicht vom Turm.
Am Donnerstag haben wir unsere Arbeitsplätze besichtigt, so dass wir jetzt alle ein bisschen gegenseitig neidisch sind. Los ging’s bei mir im Archiv, wo ich nun die Konservationsabteilung vorführen konnte. Das fanden die anderen auch interessant und mit der Arbeit dort bin ich nun zufrieden und lerne hoffentlich noch einiges. Danach ging es zu den beiden Kindergärten, die sehr bunt und liebevoll eingerichtet sind. Dorina, Chiara und Laura haben wirklich Glück, weil alle Kinder auch sehr glücklich waren, sie zu sehen. Das Borussia-Büro kennen wir schon alle, also sind wir nach Olsztynek gefahren. Die Arbeit im Freilichtmuseum ist bestimmt schön, aber ein dickes Minus ist der lange Weg (und dafür das frühe Aufstehen). Da unsere Fahrt mit dem öffentlichen Bus auch so lange gedauert hat, blieb nicht wirklich Zeit, die Bauernhäuser zu besichtigen.
Kulinarisch versorgt wurden wir während der vier Tage im Hotel Kopernikus, dem Zwei-Sterne-Hotel direkt neben unserem Haus. Es war etwas seltsam, praktisch nach Hause zu gehen, aber woanders zu essen. Das Essen (auch das vegetarische) war jedenfalls sehr gut und auch sonst wirkt die Einrichtung nett, falls jemand Interesse an einem Besuch hat ;-)
Das war’s von unserem Borussia-Seminar, im November folgt dann noch das richtige On-Arrival-Seminar in Warschau.