Erste Eindrücke
Evil_eva hat gerade ihren Freiwilligendienst in einem Kindertageszentrum in Litauen begonnen. Als Erstes steht natürlich das Kennenlernen von Menschen und Land auf dem Programm.
Mein Abschied von Deutschland (das heißt vor allem von Freund, Freunden und Familie) war irgendwie schwerer als ich es mir vorgestellt hatte. Als ich im Flugzeug von Stuttgart nach Prag saß war ich so fertig, dass ich schon während dem Abflug eingeschlafen und eigentlich auch erst kurz vor der Landung wieder aufgewacht bin.
Auf dem Weiterflug nach Vilnius war ich dann schon sehr viel wacher, was wahrscheinlich an meinem hohen Koffeinkonsum lag (jede Menge Tee und Cola).
In Vilnius angekommen wurde ich gleich supernett von Agné (der Direktorin meines Projekts) und Vita (von meiner koordinierenden Organisation) begrüßt. Vita hat mir dann schon im Kleinbus (mein Projekt hat auch einen eigenen Fahrer) litauische Litas gegeben und mir mitgeteilt, dass mein Tutor verreist ist und erst Ende Februar wiederkommt. Ich kann mich aber mit Problemen an sie wenden. Vita ist dann noch in Vilnius ausgestiegen, weil sie zurück zur Organisation musste, und ich bin mit Agné nach Elektrenai gefahren.
Von Vilnius nach Elektrenai (der Stadt, in der ich bin) sind es etwa 40 Kilometer. Die litauische Landschaft wirkt auf den ersten Blick wunderschön: jede Menge Wälder und Wiesen, momentan natürlich alles noch verschneit. Es ist auch noch richtig kalt: tagsüber etwa -10, Nachts teilweise unter -20 Grad Celsius (diesen Winter waren es wohl auch schon -30 Grad Celsius).
Zunächst war ich etwas geschockt vom Äußeren des Tageszentrums: durch die Fenster im Erdgeschoss kann man zunächst nur eine einzige Baustelle sehen. Agné hat mich dann aufgeklärt, dass die unteren Räume momentan renoviert werden und das Kindertageszentrum, in dem ich arbeiten werde, im ersten Stock liegt. Das Tageszentrum ist sehr liebevoll gestaltet, mit bunt gestrichenen Wänden (jeder Raum in einer anderen Farbe) und ausgestattet mit von den Kindern gemalter und gebastelter Dekoration. Als ich die Treppe hochkam standen etwa 20 Kinder im großen Saal in einer Reihe und haben "Herzlich willkommen" gesagt. Später habe ich dann auch noch gesehen, dass hinter ihnen eine Willkommensgirlande hing.
Dann habe ich gleich eine Führung durchs Tageszentrum bekommen: dort gibt einen Raum zum Lernen, in dem auch die Hausaufgabenhilfe stattfindet, einen großen Saal, in dem getobt und gespielt werden kann, einen Fernsehraum mit Sofas, etwas, das früher wahrscheinlich mal eine Küche war wo aber jetzt die Keramikworkshops stattfinden, ein Spielzimmer mit Legoeisenbahn, einen Raum mit Riesentisch und jeder Menge Gesellschaftsspielen und einen Computerraum, in dem man bis jetzt aber leider noch nicht ins Internet kann.
Direkt nach der Begrüßung gab es extra für mich vorbereitetes Essen: Reis mit süßsaurem Hühnchen. War mir natürlich extrem unangenehm zu sagen, dass ich kein Fleisch esse (was eigentlich auch in drei verschiedenen Bewerbungen auf zwei verschiedenen Sprachen stand). Die waren aber total cool: "Ach so, Du bist Vegetarier." Ist hier wohl doch kein komplett unbekanntes Konzept. Die haben dann nur gefragt, ob ich denn Fisch, Milch und Eier esse.
Ich hab dann auch brav meinen Reis gegessen und das Hühnchen liegen lassen. Außerdem habe ich noch von den Kindern übriggebliebene Bliniai bekommen: eine Art Kartoffelpuffer, litauisches Nationalgericht und echt lecker. Sowieso finde ich das Essen hier bis jetzt total gut, was vielleicht auch daran liegt, dass Asra (unsere Köchin) sich sehr viel Mühe gibt und ich ständig gefragt werde, ob ich dieses oder jenes mag.
Ich wohne alleine im Projekt, aber das Heim, in dem einige der Kinder wohnen, ist direkt nebenan. Mein Zimmer hier im Tageszentrum liegt im hinteren Teil des Hauses und war schon liebevoll hergerichtet: mit bereitgestellter Schokolade und Saft und zwei Pflanzen auf dem Tisch . Außerdem ist das Bad mit Dusche und Waschmaschine fast gegenüber. Nur die Türschlösser klemmen hier etwas, so dass ich jedes Mal die Türe hochstemmen muss, um auf- oder abzuschließen. Beim ersten Mal habe ich schon ein bisschen Panik gekriegt, als ich die von innen verriegelte Badezimmertür nicht mehr geöffnet bekommen habe...
Nachmittags war ich dann mit Kristina, meiner Ansprechpartnerin hier im Tageszentrum, einkaufen. Kristina kann ein kleines bisschen Englisch, die Verständigung ist dann aber eher doch über Hände und Füße gelaufen. Sie hat allerdings einen Sohn, der in Kaunas studiert und wohl ganz gut Englisch kann. Den will sie dann nächstes Mal mitnehmen. Für mein Abendessen habe ich Kümmelbrot und Fischpaste gekauft. Eigentlich wollte ich ja normales Brot mit Käse, aber man muss sich wohl den nationalen Bräuchen anpassen - Kristina war total überzeugt von dieser Essenskombination. Dann haben wir noch Handyguthaben für mich gekauft (erst zurück im Tageszentrum konnte ich Kristina mit der Hilfe von zwei Kindern erklären, dass ich auch noch eine litauische SIM-Karte brauche).
Gegen halb sieben war mein Zimmer dann eingeräumt und ich habe noch mit ein paar von den Kindern Ball im Saal gespielt, was eine sehr gute Idee war: beim Sport versteht man sich auch ohne Sprache ganz gut und ich bin, glaube ich, auch etwas aufgetaut. Um sieben Uhr sind die letzten Kinder und Betreuer nach Hause gegangen und ich war erstmal allein. War schon ein etwas seltsames Gefühl, so ganz allein in einem Riesenhaus in einem fremdem Land. Ich war allerdings auch sehr müde, so dass ich die ganze Nacht durchgeschlafen habe.
Gestern (an meinem zweiten Tag) war alles schon leichter und ich auch sehr viel lockerer. Die Verständigung klappt auch schon besser; hauptsächlich, weil sich auch Gintare, meine zukünftige Litauisch-Lehrerin und Danguole, die glaube ich Sozialpädagogin ist, getraut haben, ein bisschen Deutsch zu sprechen.
Schlaf war nach acht Uhr (dank der Bauarbeiten im Erdgeschoss) nicht mehr möglich. Als ich gegen zehn Uhr ins Büro gekommen bin, waren Agné und Gintare schon da und wir sind erstmal alle zusammen Tee trinken gegangen, wobei ich auch gefrühstückt habe. Danach habe ich mit Agné meine Ziele für die nächsten Wochen besprochen: Arbeit im Tageszentrum kennen lernen, Kinder kennen lernen, Mitarbeiter kennen lernen, Litauisch lernen. Agné hat das alles super organisiert, mit vorgedrucktem Wochenplan und allem.
Über Mittag bin ich zuerst mit Gintare und Danguole Kopien von meinen Zimmer- und dem Küchenschlüssel machen gegangen. Gintare ist danach zum Mittagessen und Danguole hat mir ein bisschen von Elektrenai gezeigt. So groß ist die Stadt nicht, aber sie hat zwei Schulen (Grundschule und Oberschule), eine Sporthalle, ein Hallenbad, eine Schlittschuhbahn und ein Krankenhaus. Die Schlittschuhbahn war die erste in Litauen und sieht zumindest von außen (drinnen war ich noch nicht) sehr schön aus: das Gebäude ist kreisrund mit einer riesigen Kuppel. Danguole und ich sind noch ein Stück über den zugefrorenen See spaziert (keine Ahnung, warum ich zwei Paar Winterschuhe mit nach Litauen nehme und dann in meinen dünnsten Turnschuhen durch zehn Zentimeter tiefen Schnee über eine Eisdecke laufe). Der See ist riesig - früher waren das mal drei Seen, die dann für das Kraftwerk verbunden wurden. Überall waren Eisangler mit ihren Hunden und auch sonst viele Leute unterwegs. Es war allerdings zu kalt, um weit zu laufen.
Zurück im Tageszentrum gab es dann erstmal warmen Tee und für mich auch Mittagessen. Danach habe ich mit zwei von den älteren Kindern Monopoly auf Litauisch gespielt. Die Kinder werden hier in zwei Gruppen eingeteilt: die Kleinen ("mazi") und die Großen ("dideli"). Die Ältesten sind etwa fünfzehn Jahre alt und die Jüngsten sechs. Allerdings gibt es bei den Dideli sehr viel mehr Mädchen als Jungs.
Dann habe ich auch noch kurz in die Kunsttherapie reingeschaut. So sehr viel hätte ich in die Bilder allerdings nicht reininterpretieren können: das Thema war "Was bedeutet Liebe für dich?" und die Kinder haben alle nur Herzen gemalt. Aber das war vermutlich eine Art Valentinstag-Special. Die Kunsttherapeutin heißt Aida, studiert im letzten Semester Psychologie und kann ziemlich gut Englisch. Nachdem ich nochmal Monopoly gespielt hatte, war noch etwa eine halbe Stunde Zeit, bevor Agné und ihr Mann mich zum Bierabend bei ihnen zu Hause abholten. Gintare, ihr Mann, und ihr kleiner Sohn Motiejus waren auch eingeladen und der Abend war richtig lustig: Es gab jede Menge verschiedene litauische Biersorten, verschiedene Käsesorten (eine davon mit Bier) und in Knoblauch geröstetes Schwarzbrot. Alles total lecker! Allerdings war Gintares Sohn gegen halb elf schon ziemlich müde, so dass es nicht so spät wurde. Was wahrscheinlich ganz gut war, da ich auch ziemlich müde war.
Gerade bin ich von einem Weinabend bei Gintares Familie zurückgekommen. Agné, ihr Mann Gerardus und ihre zweijährige Tochter Dominika waren auch da. Nach einigen Gläsern französischem Rotwein und danach noch Vina Tallinn, einem estnischen Nationalgetränk (Likör), war es dann auch echt lustig! Vor allem, da ich mich abwechselnd mit Agné, Gerardus und Gintare auf Deutsch und Darius (Gintares Mann, ich weiß leider nicht, wie der sich schreibt) auf Englisch unterhalten habe. Auch Motiejus und Dominika sind mir gegenüber ziemlich aufgetaut.