Erst eins, dann zwei, dann...
„Wo ist die Zeit nur hin verschwunden? Sie ging wohl für stressige Weihnachtseinkäufe, Adventskaffees und sonstige Weihnachtsvorbereitungen drauf. Verkehrte Welt…“
… dann vier - und wenn das fünfte Lichtlein brennt, dann hast Du Weihnachten verpennt!
Hilfe! Das letzte Mal, als ich schrieb, hatte der Advent gerade erst begonnen, jetzt ist Weihnachten zumindest in Deutschland schon wieder vorbei! In Spanien dauert es vom 24. Dezember bis zum 6. Januar. Dann kommen die „reyes magos“ und verteilen hier die Geschenke. Allerdings findet davor noch ein riesiger Umzug mit Kamelen, verkleideten Königen und tausenden von Kindern durch das Zentrum Madrids statt.
Nun ja, wo ist die Zeit nur hin verschwunden? Sie ging wohl für stressige Weihnachtseinkäufe, Adventskaffees und sonstige Weihnachtsvorbereitungen drauf. Verkehrte Welt: sollte die Vorweihnachtszeit doch eigentlich eine Zeit der Ruhe und Besinnlichkeit sein, drehen die Shoppingcenter ihre Stereoanlagen mit dem monotonen endlos Weihnachtsgedudele erst richtig auf und die Straßen oder Fußgängerzonen sind verstopft von Autos und Menschen, die rastlos auf der Suche nach dem nächsten Geschenk von einem Geschäft ins nächste ziehen. Nicht, dass ich das nicht schon kannte, aber in Hauptstädten ist dieses Treiben wohl noch eine Spur heftiger.
In der zweiten Dezemberwoche haben mein Freund und ich einen Feiertag dazu genutzt, nach Ávila zu fahren. Dessen Stadtkern innerhalb der Stadtmauern wurde wie Salamanca auch als ganzes zum Weltkulturerbe erklärt. Es liegt nur eineinhalb Stunden nordwestlich von Madrid und bot sich für einen Tagesausflug an. Auf der Hinfahrt sind wir noch am „Valle de los Caídos“ vorbei gekommen, wo ich vor zwei Jahren schon einmal im Zuge einer Studienfahrt war. Franco hat sich dort eine riesige Halle in den Berg hineinbauen lassen, Basilika oder Gruft möchte ich dazu nicht sagen. Und oberhalb dieser thront ein riesiges steinernes Kreuz, das man auch aus weiter Ferne noch sieht. Er liegt dort mit Primo de Rivera (dem Gründer der Falange – einer faschistischen Partei) begraben, dazu kommen noch 40.000 Särge von Opfern des spanischen Bürgerkrieges. Man sagt, bei der Erbauung dieses gespenstischen, monumentalen Denkmals sind sehr viele Zwangsarbeiter (Kriegsgefangene) umgekommen. Die unheimliche, bedrückende Atmosphäre liegt auch heute noch auf dem ganzen Gebiet. Ávila, wo die spanische Nationalheilige Teresa de Ávila herkommt, ist ziemlich verschlafen und auch recht einsam gelegen, noch höher als Madrid. Als Wallfahrtsort ist dort vieles auf die Heilige Teresa ausgelegt, seien es die süßen Teilchen oder aber anderer touristischer Nippes. Für einen Tagesausflug lohnt sich die Stadt aber allemal!
Die Woche darauf hat meine WG beziehungsweise ich den ersten von zwei Adventskaffees veranstaltet. Schließlich waren wir die einzigen, die einen Adventskranz besaßen und über genug Platz für Gäste verfügten. Bei Bratäpfeln, Glühwein, Kuchen, Keksen und Plätzchen haben wir also mal wieder viele Freiwillige aber auch andere „befristete Madrider“ (also Erasmusstudenten, Au Pairs oder sonstige Abenteurer) zum Plaudern da gehabt. Beim zweiten Mal am 4. Advent waren es sogar noch mehr. Für diesen habe ich mich auch zum ersten Mal an Lebkuchen probiert – wohl das erste und letzte Mal in meinem Leben. Auch wenn sie sehr gut geworden sind, der Kampf mit dem zähen, klebrigen Teig muss nicht noch mal sein.
Ein weiteres Highlight in diesem Monat war der Besuch der Oper (Teatro Real). Da wir, obwohl wir im kulturellen Zentrum Spaniens leben, das Kulturangebot nicht sonderlich ausschöpfen (sei es aus Zeitmangel oder der fehlenden Übersicht, was gerade wann, wo läuft), haben mein Freund und ich uns eines Samstagabends ein Herz gefasst und sind zum Teatro Real gefahren. Unser Plan war, zwei der Restkarten zu ergattern, und so eine Stange Geld zu sparen. Leider waren wir aber auf Grund einer Falschinformation viel zu spät dran: die restlichen Karten wurden nämlich ab 18.30 Uhr und nicht, wie von uns angenommen um 19.30 Uhr herausgegeben. Von den Plätzen, die noch überblieben, sah man nur die Hälfte der Bühne oder noch weniger.
Schick gemacht aber hoffnungslos, doch noch reinkommen zu können, standen wir also in der Eingangshalle und diskutierten, was wir nun tun sollten. Wir müssen wohl ziemlich verzweifelt gewirkt haben, jedenfalls schenkte uns zuerst eine junge Frau ihre Karte, die sie vorher noch verkaufen wollte. Wahrscheinlich war sie es leid, zu warten, dass noch jemand käme, um ihr die Karte abzukaufen und so hatten wir schon eine. Total perplex aber froh, fassten wir wieder Hoffnung. Als uns dann noch ein Herr seine zweite überbleibende Karte schenkte, konnten wir nun noch lachen. :-) So haben wir an einem Abend um die 50 Euro gespart und eine richtig gute Inszenierung der „Louisa Miller“ von Verdi gesehen. Die Oper basiert übrigens auf dem bürgerlichen Trauerspiel „Kabale und Liebe“ von Schiller. Und dieses musste ich – schon wieder so ein netter Zufall - für meine Deutschprüfung im Abitur samt Sekundärliteratur fast auswendig lernen. War in der Oper natürlich ein Vorteil. ;-)
Das große Fressen
Zu den Weihnachtseinkäufen und Adventskaffees, die mich die letzten Wochen beschäftigt haben, kamen dann noch zwei Weihnachtsessen und eine Weihnachtsfeier meiner Sprachschule dazu. Erstere fanden zwei Wochen vor Weihnachten statt, einmal haben unsere Sekretärinnen ein leckeres Mittagessen bestehend aus ganz vielen Tapas gestellt und zwei Tage später sind alle Lehrer samt mir in eine Tapasbar im Viertel Huertas zum Abendessen. Letzten Donnerstag haben Miguel-Angel und ich zum Abschluss noch eine Weihnachtfeier für alle Schüler des departamento alemán organisiert. Leider konnte Lola nicht mehr kommen, da ihr der Frauenarzt nun endgültig verboten hat, zu arbeiten. Der Geburtstermin für ihre zweieiigen Zwillinge fällt ja schon auf Ende März, allerdings kommen Zwillinge sowieso meistens früher. Ich ja auch. :-)
Ich hatte für die Weihnachtsfeier viel Lebkuchen, Stollen und Spekulatius eingekauft, dazu gab’s wie immer Glühwein. Zwar war die Dekoration (es gab noch eine Tüte voller Sachen vom letzten Jahr) nicht ganz so mein Geschmack, aber gut, das ist halt hier so. Viel blaues, goldenes und rotes Lametta, hässliche gelbe Kerzen... viel Plastik Auch sonst merkt man, dass die Spanier ein anderes Verhältnis zu Weihnachten haben. Oder besser gesagt, zu Weihnachtsfeiern. Die Schüler sollten ja auch Sachen mitbringen und so kam es, dass sich auch eine ganze Menge Chips und salziges Zeug zu den süßen Sachen gesellten. Chips werden hier sowieso viel mehr, zu allen möglichen, unmöglichen Zeiten und überall gegessen. Für mich war das etwas gewöhnungsbedürftig. So, jetzt könnt Ihr Euch sicher vorstellen, warum dieser Artikel „Das große Fressen“ heißt. ;) Soviel Süßes habe ich all die letzten Jahre zusammen vor Weihnachten nicht gegessen... Tja und jetzt wird halt wieder Sport gemacht! ;-)
Nachdem am 23. Dezember alle meine Mitbewohner bis auf Jitka aus Tschechien nach Hause ausgeflogen sind, genossen und genießen wir zwei immer noch die Ruhe in der Wohnung. Jeder hat nun sein eigenes Zimmer, eigenes Bad und sogar einen eigenen Kühlschrank! :-) Ach so – ich glaube, ich habe noch gar nicht erwähnt, dass Sandrine vor etwa drei Wochen bei uns ausgezogen ist. Sie wohnte ja zusammen mit Charissa in dem Minizimmer. Das war unter anderem ein Grund, warum sie umziehen wollte. Der zweite war, dass sie es vorzog, mit Spaniern zusammen zu leben, um so ständig von Spanisch umgeben zu sein. Sie wohnt jetzt in einer anderen netten WG in der Nähe von Principe Pío – auch einiges näher an ihrer Sprachschule und ihrem Arbeitsplatz.
Den 23. und 24. Dezember waren Jitka und ich übrigens damit beschäftigt, die Wohnung für Weihnachten zu schmücken. Außerdem haben wir ganz typisch die zwei Kartoffelsalate vorbereitet, die es in unseren Familien samt Käseplatte und Würstchen immer an Heilig Abend gibt. Wir haben sogar einen kleinen Weihnachtsbaum, ein Plastikding, das wir in unserer „Caja de Pandora“ gefunden haben! (unsere Abstellkammer) Mit den Figürchen, die wir nach tschechischem Rezept noch bis um halb drei nachts gebastelt haben, sieht er richtig schön aus.
Abends kamen dann noch als Gäste Poyraz aus der Türkei, Eva aus Belgien und Yassin, der marokkanische Freund von Elina, meiner lettischen Zimmerpartnerin. Es war sein erstes Weihnachtsfest und um Mitternacht ist er sogar mit in die Kirche gekommen. Die unterscheidet sich hier auch einiges von dem, was ich aus Deutschland kenne, aber das liegt wohl auch daran, dass ich seltenst in einem katholischen Gottesdienst war.
Am 25. stand ich dann, nachdem ich lange ausgeschlafen hatte, bis um 5 Uhr nachmittags in der Küche, um Rouladen mit Rotkraut und Klößen zu kochen. Ein ziemlich aufwendiges Gericht, was es auch oft am ersten Feiertag bei mir daheim gibt. Ich muss sagen, es ist mir echt gelungen. :-) Sowieso, hier bin ich ja sozusagen gezwungen, zu kochen, wenn ich nicht den ganzen Tag Müsli essen will. In Deutschland habe ich nie gekocht und meine Mutter war schon immer ganz enttäuscht, dass ich mich so gar nicht dafür interessierte. Und jetzt kann ich sagen: gut zu kochen ist gar nicht schwer, man muss nur ein bisschen Zeit und Geduld aufbringen. :-)
Bis zum 8. Januar habe ich jetzt noch Ferien, am 31. Dezember kommt mein Freund wieder aus Deutschland, dann feiern wir zusammen mit Carlos und ganz vielen anderen in einem schicken Club Silvester und am 1. Januar geht es abends auch schon per Bus nach Marokko. Wahrscheinlich schauen wir uns dort auf einer Rundreise Städte wie Marrakesch, Tanger und Casablanca an, zum Schluss besuchen wir noch Luisa, eine Freundin aus meiner Heimatstadt, in Rabat. Sie macht dort auch gerade einen halbjährigen Freiwilligendienst.