Ein Wochenende schweigen
Das vergangene Wochenende habe ich in einem Kloster verbracht. Eine sehr interessante Erfahrung!
Am Freitagnachmittag nach der Arbeit habe ich mich mit Birgitta, der Diakonin in unserer Gemeinde, und drei anderen Frauen (ich war die einzige unter 50 :D) auf den Weg zum Kloster "Mariavall" gemacht. Das Kloster liegt etwa eine Stunde Autofahrt südlich von Broby an der Ostküste Skånes quasi mitten im Wald. Es wurde Anfang der 1990er Jahre in einem sehr modernen Baustil (viel Beton ...) gebaut und zurzeit leben etwa 15 Benediktiner-Nonnen dort. Wir wurden von einer Nonne sehr freundlich begrüßt und haben Zimmerschlüssel bekommen. Jeder von uns fünf hatte ein eigenes sehr großzügiges und trotzdem schlichtes Zimmer mit Bett, Stuhl, Sessel, Schreibtisch, Schrank und sogar einem eigenen Badezimmer. Wir haben aber nur kurz unser Gepäck abgelegt und sind dann gleich zur "Vesper", der Abendandacht, in die Kirche im Kloster gegangen. Die Gottesdienste im Kloster waren ganz anders als in Broby, was sehr interessant war. Hauptsächlich bestehen sie daraus, dass die Nonnen in einer Art Singsang (Gregorianischer Gesang) Psalmen und Gebete vortragen. Es gibt keine Instrumente, die den Gesang begleiten und es wird auch fast gar nicht gesprochen, sondern nur gesungen. Insgesamt hat das etwas Mystisches an sich, wenn die Nonnen ganz still einziehen, man nur das Rascheln ihrer langen schwarzen Roben hört und sie dann anfangen zu singen und sich immer wieder an bestimmten Stellen tief verneigen, bis sie eine halbe Stunde später wieder schweigend ausziehen.
Wir haben ein "Retreat" gemacht, das heißt, man schweigt die ganze Zeit. Das war anfangs etwas komisch und ungewohnt, wurde mit der Zeit aber durchaus auch ganz angenehm. Man muss sich nicht ständig über belanglose Dinge unterhalten, nur weil man irgendwie den Zwang verspürt, keine Stille entstehen zu lassen. Beim Essen lief im Hintergrund leise klassische Musik, ansonsten wäre das Schweigen glaube ich auch sehr unangenehm gewesen.
Die Nonnen beten 7 Mal am Tag, das erste Mal morgens um 5:30 Uhr, das letzte Mal abends um 20:30. Ich war nicht bei allen Gebeten dabei, aber bei relativ vielen. Es gibt dem Tag eine sehr klare Struktur und kann helfen, zur Ruhe zu kommen. Außerhalb der Gebete und der gemeinsamen Mahlzeiten habe ich viel Zeit in meinem Zimmer mit Lesen, Schreiben, Nachdenken und auch ein bisschen Musikhören verbracht. Ich bin es nicht gewohnt, so viel allein zu sein und kann das normalerweise auch nicht so gut haben; aber es war gut, sich ein Wochenende lang zu besinnen und einmal weg von allem ganz mit sich allein (und Gott) zu sein. Am Samstagvormittag habe ich einen langen Spaziergang mit zwei der Frauen gemacht, bei dem wir uns unterhalten haben (außerhalb des Klosters durfte man sprechen), das war schön. Ich habe also nicht das ganze Wochenende geschwiegen ;) Am Samstagnachmittag habe ich dann nochmal einen sehr langen Spaziergang alleine gemacht, das war für mich die schönste Zeit an diesem Wochenende. Das Kloster war sehr schön im Wald gelegen, ich bin wirklich niemandem begegnet und konnte sogar ein paar Sonnenstrahlen genießen.
Am Sonntagvormittag war dann eine Messe in der Klosterkirche, zu der auch Menschen aus den nahegelegenen Orten gekommen sind. Das Kloster ist ein katholisches Kloster. In Schweden gibt es nur sehr wenige Katholiken, die meisten sind evangelisch. Für mich als Katholikin war es deshalb besonders spannend, einen katholischen Gottesdienst auf Schwedisch zu erleben. Es hat sich sehr nach zu Hause angefühlt und die gesamte Liturgie besteht aus den exakt gleichen Worten, sodass ich immer auf Deutsch antworten konnte. Eine Messe in der lutheranischen Kirche (z.B. hier in Broby) und eine katholische Messe sind sich in großen Teilen sehr ähnlich, aber ein paar Unterschiede gibt es doch. Als ich mich nach der Messe noch mit einer Nonne aus Stuttgart auf Deutsch unterhalten habe, war das Heimatgefühl perfekt.
Nachmittags war ich dann aber auch irgendwie froh, nach diesem schweigsamen Wochenende zurück in meiner zweiten Heimat Prästgården zu sein, in der immer was los ist. PG ist wirklich ein ziemlicher Gegensatz zum Kloster, ein Haus voller Menschen und Musik, mitten im Dorf, mit viel Leben und Fröhlichkeit. Mit neuer Energie, die ich dieses Wochenende schöpfen konnte, gehe ich nun die verbleibenden drei Monate hier in Schweden an und freue mich schon sehr auf den Besuch meiner Familie und meines Freundes über Ostern.
Ha det så bra!
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