Ein Wechsel von „Politik“ zu Politik
Berlusconi dankt ab . . . tja und was jetzt?!
Italien und die Frage der Zukunft
Euphorisch und ein bisschen ungläubig sind die Menschen hier in meinem italienischen Umfeld, wenn es um die politischen Vorgänge der letzten Monate geht. Viele junge Leute wollten schon lange keinen Berluskönig mehr an der Spitze ihres Landes haben, waren wütend, enttäuscht und beschämt, dass sich das Land mehr mit Bunga-Bunga als mit anderen, vielleicht wichtigeren Dingen beschäftigt und beschäftigen musste, nur weil es einer tat. Der Widerstand, der sich vom Untergrund, nun doch langsam aber sicher an die Oberfläche gebohrt hat, konnte auch durch tiefverwurzeltes Korruptionsdickicht und kontrolliertes Mediengeflecht nicht mehr aufgehalten werden. Der Druck kam auch vom Ausland, besonders aber wurden die Rücktrittsforderungen aber durch die immer offensichtlicher werdenden Probleme Italiens unterstützt. So und nun ist er also weg. Nach vielen Jahren Alleinherrschaft, guten und schlechten Tagen, versucht sich Italien also wieder zu fassen, nach Luft zu schnappen und nach und nach auf eigene Beine zu stellen. Allen voran ein Mann, der fast das komplette Gegenteil zu seinem Vorgänger zu sein scheint: Monti.
Mario Monti- sachlich, trocken, gewillt objektiv zu sein, vom Fach.
Die Italiener scheinen ihm mit Vertrauen zu begegnen, sogar etwas enthusiastisch vielleicht, aber auf alle Fälle ruhen große Hoffnungen auf ihm: Das Land aus der finanziellen Krise führen, Arbeitsplätze schaffen, die Wirtschaft wieder zum Leben erwecken und vor allem das Gesicht Italiens von all den Peinlichkeiten der letzten Jahre reinwaschen und ein neues Bild erschaffen. Kaum möglich, aber der „Neue“ scheint die unmögliche Lage mit viel Realismus und Fachwissen lösen zu wollen, was mal so gar nicht italienisch ist: Im Land, in dem jede Tat einem Aufzug, jedes politische Interview einem dramatischen Monolog, jeder Medienauftritt einem Theater geglichen hat, soll also jetzt Schluss sein mit den politischen Komödien, die sich am Ende doch eher zu Tragödien ohne Happy-End hingezogen haben.
Nicht möglich, ein sachlicher Regierungschef, hätte man das einem Italiener noch vor einigen Jahren gesagt, er hätte mit einem lautem Lachen, gefolgt von Ignoranz seinen Café weiter geschlürft und sich dem weitaus wichtigerem Sportteil der Zeitung gewidmet. Und jetzt soll genau diese Person also jubelnd diesen Monti unterstützen, der so gar keinen Glamour auszustrahlen vermag?
Kann das gut gehen?
Vielleicht besteht die einzig wahre Möglichkeit, das Land möglichst schnell wieder zusammen zu flicken darin, dass sich das italienische Volk und die Medien ein bisschen mehr zurückhalten mit Forderungen nach einer schillernden Politik und täglich neuen Skandalen aus dem Präsidentenhaus, gemäß dem Motto: Lasst ihn mal machen! Aber so einfach und vor allem schnell wird es nicht vorangehen, nicht vorangehen können, beachtet man den Druck der sich vom Ausland, aber besonders von den Finanzmärkten aufgebaut hat und nun inzwischen kaum noch zu ertragen ist. Mit verheerenden Folgen:
Die Wohnungspreise sind kaum erschwinglich für den Otto-Normal-Verbraucher, der hier kaum Arbeit finden kann und sich deshalb notdürftig mit Jobs und befristeten Verträgen, für die er eindeutig überqualifiziert ist, über Wasser hält. Die Menschen haben Angst, den Job und damit die Lebensgrundlage zu verlieren, jeder hat sein ganz persönliches Schicksal, hofft und versucht so gut es geht sein Leben zu leben. Kein Wunder also, dass sich vor allem die junge Elite, gebildet, mit Universitätsabschluss, arbeitslos, nach Zukunft suchend, in Rebellion geübt hat und auch in Zeiten des Regierungswechsels nicht müde sein wird auf die Forderungen nach sicherer Arbeit zu beharren.
Der Fall der Regierung Berlusconis ist einer in einer ganzen Reihe von Regierungswechseln, ob in Spanien, Griechenland oder Portugal, die sich wie fallende Dominosteine von Land zu Land ausweiten und es noch nicht abzusehen mit welchen Folgen für Europa. Denn ein Regierungswechsel mag zwar in manchen Fällen notwendig erscheinen, ob aber eine andere Partei an der Spitze eines Landes die schwierigen Fragen und Aufgaben der Zukunft lösen kann ist fraglich. Die Probleme der letzten Wochen und Monate bleiben auch diesen Zeiten dieselben und somit auch die Antworten: Sparpakete, Auflagen der EU erfüllen und den Haushalt in Ordnung bringen. Was aber neue Gesichter im Parlament verändern können ist, dass die Zustimmung im Volk für die Entscheidungen der Regierung zunimmt. Doch wenn ein Bauarbeiter keine Arbeit mehr findet, weil ihm seine Firma aus Mangel an Aufträgen gekündigt hat, dann hilft auch kein neues Staatsoberhaupt, wie in Italien. Proteste und Streiks sind die Folge und hier scheiden sich wieder die Geister:
Verzweifelte Italiener hoffen eben mit letzter Kraft auf den Straßen noch etwas für ihr berufliches Leben verbessern zu können, andere wiederum haben die Meinung: Wir alle waren unter der Regierung von Berlusconi viel zu ruhig, haben die Missstände wortlos hingenommen, die Skandale akzeptiert und uns ruhig verhalten, als ob wir nicht wüssten, dass er nicht gut für unser Land ist. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für dieses Verhalten, das wir wohl lange genug geübt haben gekommen. Jetzt müssen wir den Sparkurs der Regierung schweigend hinnehmen, dieser Führung müssen wir Vertrauen schenken.
Für mich als Deutsche ist es kaum vorstellbar, dass ich mit Universitätsabschluss keine Arbeit finden werde. In Deutschland kann man sich es kaum vorstellen, dass eine Jura-Absolventin mit Fremdsprachenkenntnissen sich mit Servizio Civile und etwas mehr als 400€ monatlich, ein Jahr lang über Wasser hält, um dann um einen Job bei IKEA zu hoffen. Kein Wunder also, dass ich oft gefragt werde, ob es denn in Deutschland auch so schwierig ist, Arbeit zu finden und viele erzählen mir, dass sie ernsthaft darüber nachdenken, nach Deutschland zugehen.
Hoffen wir also das Beste für dieses Land Italien, das schon aus so mancher tiefgreifenden Umwandlung wieder erwachsen ist und Blüte entwickelt hat. Und hoffen wir für ganz Europa.
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