Ein Spaziergang durch die Ökohauptstadt im Herzen Europas
oder: warum mich Freiburg an meinen EVS vor drei Jahren erinnert.
Rechts, links, rechts, links. Die Sonne scheint mir ins Gesicht, während ich forschend Neuland erkunde. Prächtige Häuser, Jugendstilvillen und katholische Kirchen bewegen sich rechts und links an mir vorbei, begleitet von der Melodie fröhlich singender Vögel. Auf der Suche weiche vom Weg ab und gelange in ein verstecktes Eck. Plakate fordern schreiend gleiches Recht für alle. Einen sicheren Aufenthalt für jeden in unserem Land, die Gleichstellung der Frau. Ich lausche der Stille und laufe weiter Richtung Park, vorbei an Heilpraktikern und Homöopathen, an Youngsters in Boheme. In dieser Stadt gibt es viele junge Leute. Viele Studenten und viele Pädagogen im Werden. "Ungehorsam ist unser einziges Mittel": Gesprächsfetzen der Anwohner und der unbeschwerte Gesang von Verkäufern und Passanten durchqueren den Gang meiner Gedanken. Im Park wärmt die Septembersonne die Körper von Männern in Badehose und Frauen, ganz oder halb in Bikini gekleidet. Zu meiner Linken trainiert ein mittelalter Mann seinen Bizeps durch Ringe, am Baum aufgehängt. Zu meiner Rechten eine Gruppe junger Studenten, die mühelos slacklinen oder jonglieren.
Eine Szene von vor drei Jahren erscheint in meinem Kopf. Damals war ich eine von ihnen. Eine dieser Zirkusartisten. Nur nicht ganz so gut. Und am Meer. Ich war in meinem EVS, der Flair ähnlich alternativ und sozial wie hier.
Über ein paar Irrungen und Wirrungen, vorbei an einem Rathaus gekleidet in Solarzellen, mache ich mich auf den Rückweg. Fahrräder kreuzen und queren meinen Weg. Das fehlt mir gerade noch. Doch kein Problem: Morgen leihe ich mir ein Fahrrad an einer der zahlreichen Frélo-Stationen aus. Nur kurz registrieren, QR-Code scannen und rein in die Pedale. Hin und wieder passiere ich grün markierte Parkplätze, wo die Grüne Flotte grünen Strom tankt. Einen Foodsharing-FAIRteiler später bin ich zurück zuhause.
Ich spreche mit Olga aus Russland und Osama aus Jordanien. Die Leute, die spät noch in der Küche sind. Tagsüber treffe ich die Studenten aus Deutschland. Wieder einmal fühle ich mich wie bei meinem EVS.
Doch in Wahrheit bin ich in Freiburg im Breisgau. Die Ökohauptstadt Deutschlands. Seit Juli 2019 haben im Stadtrat 13 von 48 Sitzen die Grünen. Die Fridays for Future-Bewegung schlägt auch hier ihre Wellen. In der Innenstadt flaniert man vorbei an Pavillons des Aufstands gegen das Aussterben. Die Ampeln sind beschmückt mit Klebern von Initiativen für den Umweltschutz.
Schwanger von der Hippie-Bewegung der 68er wurde die Freiburger Grüne Welle in den 70er Jahren geboren. Bauern protestieren damals erfolgreich gegen das geplante Kernkraftwerk in Wyhl. Mit großgezogen vom Engagement der Bürger reifte die Stadt zur Green City heran. Bis 2050 soll sie zur klimaneutralen Stadt werden, die sich vollständig von erneuerbaren Energien ernährt.
Grün ist auch der Weg zur Schauinsland-Bahn. Der Weg zur Touristenattraktion führt durch das Günterstal hinauf in schwindelerregende Höhen. Von dort sehe ich die Stadt aus anderen Augen. Ich kann weiter sehen. Bis ins französische Elsass. Man sieht keine Grenzen, nur die Landschaft, die durch Höhen und Tiefen fließend ineinander übergeht.
Jedenfalls scheinen die Beziehungen der Stadt zu den Nachbarn in Colmar und Mülhausen recht freundlich zu sein, nennen sie sich doch Partner. Auch die Schweiz steht vor der Tür. Somit liegt Freiburg im Dreiländereck und liegt geografisch gesehen so ziemlich im Herzen Europas.
Und vielleicht führt mein Spaziergang mich ja auch bald ins Land der Liebe.