Eat Pray und nochmal Eat
Von Ostern in Polen und all den besonderen Traditionen.
Ostern ist schon wieder eine Weile her, trotzdem muss ein bisschen davon erzählt werden. Sonja und Johanna sind über die Feiertage nach Hause gefahren, weil Ostern bei uns aber sowieso kein Großereignis ist, hab ich beschlossen, es dieses Jahr in Krakau bei Krzysztofs Familie zu verbringen, die mich schon über Weihnachten einladen wollte. Ursprünglich wollte ich nur von Freitag bis Montag fahren, da sind dann aber meine Kolleginnen eingeschritten und haben mir noch zwei Tage extra freigegeben. Dorota hat sogar angeboten, meinen Englischunterricht zu übernehmen. Auch bei den anderen beiden Mädchen war es ähnlich und sie haben von ihren Mentorinnen die Woche nach Ostern freibekommen, um mehr Zeit zuhause zu verbringen.
Ostern scheint hier also wirklich eine große Sache zu sein. Von daher gibt es hier einen Einblick in ein original polnisches Osterfest! Dazu gehört wohl erstmal ein großer Ansturm auf öffentliche Verkehrsmittel - meine sonst etwa sechsstündige Fahrt hat durch Verspätungen und ausgebuchte Busse beinahe doppelt so lange gedauert. Aber Flixbus hat mir dafür eine Freifahrt geschenkt, also ist alles vergeben und vergessen. Interessant ist die Bedeutung des Karfreitag, beziehungweise die Abwesenheit einer Bedeutung. Im streng katholischen Polen ist das nicht einmal ein Feiertag, nur auf Fleisch muss verzichtet werden.
Der Spaß geht eigentlich erst am Samstag los, wenn jeder ein Körbchen mit Eiern, Süßigkeiten, Wurst und Obst zusammenpackt, noch mit einer Spitzendecke zudeckt und zur Kirche bringt. Dort stellen sich dann alle in zwei Reihen auf und der Priester läuft hindurch und bespritzt die Menschen mit Weihwasser. Danach geht man in die Kirche und stellt sich an, um schließlich Jesus am Kreuz, das auf dem Boden liegt, zu küssen. Das war für mich als Protestantin eine ziemliche Überwindung, nicht aus religöser Überzeugung, sondern einfach, weil ich noch nie irgendeinen Jesus geküsst und das bisher eigentlich auch nicht vorhatte. Trotz langjähriger katholischer Bildung war mir das Ganze fremd, in Polen ist es dann nochmal ein ganz anderes Kaliber.
Oblaten entgegennehmen dürfen zum Beispiel nur Menschen, die vorher in der Beichte waren und davon hab ich auch schon einige etwas seltsame Geschichten gehört. Am nächsten Tag waren wir bei einem Gottesdienst, bei dem der Priester auf diejenigen schimpfte, die aus familiären Gründen und nicht aus religiöser Überzeugung gekommen waren; reine Neugier wie von meiner Seite ist wohl auch eine verwerfliche Motivation. Sonst war es wirklich interessant, die Kirche sah auch sehr hübsch aus und es waren viele Leute gekommen. Nur die Abwesenheit von Gesangbüchern bzw. -zetteln war ungewohnt, stattdessen wurde der Text beim Singen karaokeartig von einem Bildschirm abgelesen. Mit dem Wort Alleluja war man aber schon gut dabei.
Am Sonntagmorgen kam dann das eigentliche Highlight des Osterfestes: das Essen. Sehr polnisch, mit Żurek, einer sauren Mehlsuppe ("ich weiß, dass dir das nicht schmeckt, aber das gehört zur Tradition"), Speck, Wildschweinwurst, Rehpastete, Eiern und sehr viel Kuchen. Krzysztofs Großeltern haben die schreckliche Angewohnheit, die aber bei Menschen mit Enkelkindern fast immer zu beobachten ist, dass sie ein Nein beim Essen nicht akzeptieren. Also musste ich so viel in mich hineinschaufeln, bis mir am Abend richtig schlecht war. Es freut mich aber, dass ich jedes Mal, wenn ich die Familie treffe, etwas besser mit ihnen reden kann, wovon sie dann immer sehr begeistert sind.
Außerdem konnte ich seine Großtante und seinen Großonkel kennenlernen. Die Tante trug ein pinkes T-Shirt mit der Aufschrift "fuck the fashion industry" und lachte sehr viel, der Onkel ist Begründer einer eigenen Religion in Indien. Die beiden waren mir sofort sympathisch. Und wieder gab es sehr viel Essen. Überall scheint der Fernseher vierundzwanzig Stunden am Tag zu laufen, selbst wenn Gäste da sind. Allerdings scheint meistens Werbung oder die polnische Version von Game of Thrones zu laufen. Am Montag folgt dann die Tradition des Śmigus Dyngus, vereinfacht gesagt: Man kriegt ein Glas Wasser ins Gesicht. Zum Glück bekam ich nur ein echtes und einige virtuelle Gläser über Facebook ab.
Außerdem gehört Emmaus dazu, ein scheinbar religiöses Fest, was aber kaum noch zu erkennen ist: Eher war das Ganze wie ein Jahrmarkt, mit Schießbuden, Luftballons und einer Menge Plastikspielzeug. Da haben wir dann Krzysztofs beste Freunde getroffen. Ich mag die Jungs, aber die Kommunikation ist nicht nur auf sprachlicher Ebene schwierig. Es ging mal wieder sehr viel um Nazi-Witze. Am Abend war das Ganze zum Glück etwas besser, wir haben uns mit acht anderen verabredet, von denen ich einige schon kannte und sind in eine Kneipe und später in einen Club gegangen. Patryk, der Einzige in der Runde, der wirklich Englisch spricht, war hauptsächlich mit seiner neuen Freundin beschäftigt, weshalb eine Unterhaltung nicht zustande kam. Dafür lernte ich Asia kennen, die fantastischerweise die Geduld hatte, mit mir Polnisch zu sprechen. Es hat erstaunlich gut geklappt, muss ich sagen. Igor erzählte mir zusätzlich von der Geschichte der polnischen Sprache, er hat eine Vorliebe für so etwas. Außerdem möchte er mal Präsident werden. Es war ein netter Abend, wir mussten aber schon früh nach Hause.
Am nächsten Morgen ging es schließlich noch zur Rękawka, bevor ich die Heimreise antrat. Das ist ein mittelalterliches Volksfest, wie man es eigentlich überall findet (Krzysztof besteht aber darauf, dass es auf einzigartige Weise die slawische Kultur widerspiegelt). Weil wir so früh morgens da waren, hatten viele Stände noch gar nicht geöffnet. Trotzdem konnte ich einen kleinen Holzpinguin erwerben und wunderschönen Schmuck begutachten. Die Menschen trugen natürlich alle historische Gewänder und es war ganz schön, das Ganze mal ohne die vielen Besucher, die sicher später noch kamen, zu sehen. Mein Fazit: Ostern in Polen, vor allem in Krakau, ist ein besonderes Erlebnis, in dem man sich erstmal zurechtfinden muss. Aufregender als das Ostern in Ostfriesland ist es allemal, ob ich es bevorzugen würde? Das ist eine andere Frage. Weil Ostern jetzt schon vorbei ist, sich aber der Frühling gerade von seiner schönsten Seite zeigt, ist das das polnische Wort der Woche: wiosna. In dem Sinne wünsche ich euch einen wunderbaren Frühling!
Commentaren