Drei Wochen sind schon um…
Die letzten zwei Wochen vergingen für mich wie im Flug. Ich habe in dem Sportverein meiner neuen Heimatstadt angefangen Floorball zu spielen und war auf dem fünftägigen On-Arrival-Training, welches mir neben neuen Erkenntnissen und Zielen bezüglich meiner Arbeitsstelle und meiner Zeit in Estland auch Kontakte aus ganz Europa eingebracht hat.
Obwohl ich in Deutschland das letzte Mal 2016 regelmäßig Sport gemacht hatte, stand für mich schon vor dem Freiwilligendienst fest, dass ich mich im Ausland sportlich betätigen wollte, am liebsten mit Fußball oder Tischtennis. Da beide Sportarten in Tapa jedoch nicht angeboten werden, schlug mir meine Tutorin nach einiger Überlegung Saalihoki, eine in Deutschland eher unbekannte Form des Hockeys vor, welche eine ihrer Bekannten spielt und ihren Worten nach in Estland sehr beliebt sei. Beliebt, das habe ich dadurch gelernt, heißt in Estland nicht zwingend, dass diese Sportart daher auch von vielen praktiziert wird. Als ich jedenfalls an dem regnerischen Mittwochabend die Turnhalle betrat und mir nur eine Frau und sechs Männer zwischen 30 und 50 Jahren interessiert entgegenblickten, dachte ich für einen Moment, falsch abgebogen zu sein. Ich hatte ein größeres und jüngeres Team erwartet, was ich mir jedoch offenbar nicht anmerken ließ. Aus meinem Vorsatz, mir zuerst einmal eine Trainingseinheit von der Bank aus anzuschauen, wurde nämlich nichts. Sofort drückte mir einer der Männer seinen Ersatzschläger in die Hand und spielte mit mir einige Bälle hin und her, bevor er mich, trotz meiner Proteste, dass ich noch nie Floorball gespielt hatte, dazu aufforderte, mit ihm und den anderen ein Match zu spielen. Wir waren keine fünf Minuten auf dem Feld, da kam einer der Männer, der ein wenig Englisch konnte, schon auf mich, die als Linkshänderin mit einem Schläger für Rechtshänder spielen musste, zu und meinte: „Next time we will try to get you a lefthander bat.“ Ich hatte zwar eigentlich noch gar nicht darüber nachgedacht, ob es ein „Next time“ geben würde, doch war es damit wohl entschieden. Ich wurde in die Facebook-Gruppe der Mannschaft mit aufgenommen und, wie mir meine Tutorin von ihrer Bekannten berichtete, bei der nächsten Trainingseinheit, die ich aufgrund des On-Arrival Trainings verpasste, schon direkt vermisst.
Das On-Arrival Training, welches in dem von Tapa knapp 45 Minuten entfernten Rakvere stattfand, war das Verpassen des Trainings jedoch allemal wert. Wir waren insgesamt 14 Freiwillige aus acht Nationen, wobei neben mir noch zwei deutsche Mädchen und zwei deutsche Jungs an dem Training teilnahmen. Mit einem der deutschen Mädchen teilte ich mir mein Zimmer, wenn wir auch wenig Zeit darin verbrachten. Die fünf Tage waren jeweils von 09:30 Uhr bis 18:30 Uhr vollgepackt mit Informationen, Übungen und dem Lernen von Estnisch, sowie mit einem üppigen Frühstücksbuffet und zwei warmen Mahlzeiten zu Mittag und Abend (insbesondere der Käsekuchen zum Nachtisch war der Hammer). Abends machte unsere Gruppe von Freiwilligen dann meist das schläfrige Rakvere unsicher, wobei wir nicht nur einmal die einzigen Gäste in dem zentralen Pub waren. Alle haben sich jedenfalls sehr gut verstanden, sodass bereits mit einigen nächstes Wochenende ein Ausflug nach Helsinki und auch der Besuch des EM-Qualifikationsspiels Deutschland gegen Estland geplant sind. Nach dem On-Arrival Training habe ich mit zwei weiteren Freiwilligen noch meinen estnischen Personalausweis von der Polizei (das ist hier offensichtlich normal) abgeholt, sodass ich am vergangenen Freitag gemeinsam mit meiner Tutorin auch endlich ein Konto eröffnen konnte.
Es ist seltsam, dass für mich nun schon die vierte Woche in Estland anbricht, wobei ich mich auch darauf freue, am 1. Oktober endlich meine Mitbewohnerin zu begrüßen. Das einzige Problem, welches der Vermieter mir und meiner Tutorin letzte Woche gebeichtet hat, ist, dass die größere Wohnung, in die wir beiden eigentlich ab Oktober ziehen sollten, wahrscheinlich noch nicht ganz fertig ist. Das Haus wird nämlich gerade saniert und die Arbeitsmoral in Estland, das habe ich nach zwei Arbeitswochen bereits verstanden, ist eine völlig andere als in Deutschland. Meine jetzige Wohnung wäre aber theoretisch auch für zwei Personen in Ordnung, insbesondere wenn ich bedenke, in was für engen und ungeräumigen WGs einige andere Freiwillige im wohnungstechnisch teuren Tallinn leben.
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