Drei Wochen am "Ketatschan"
Die Zeit vom 12.07.2011 bis zum 2.8. verbrachte ich an einem zweiten Kardon des Parks am Ketatschanfluss mitten in der Wildnis. Dort half ich beim Monitoring und bei der täglichen Arbeit am Kardon.
Am Dienstag den 12.7 ging die Reise los. Mit dem LKW des Parks wurde ich mit einem Inspektor und zwei Freiwilligen zum Ketatschan gebracht. Die 400km und vier Stunden dauernde Fahrt verbrachten wir Freiwilligen zwischen dem Gepäck auf der Ladefläche des LKWs.
Am Kardon war eine der Hauptaufgaben Brennholz für den Herbst zu machen. Stefan war als Freiwilliger wegen der Erkundung der Vogelwelt mit gekommen und ich und Benedikt sollten ihm dabei helfen.
Doch was ist das Kardon am Ketatschan?? Das Kardon besteht schon seit einiger Zeit, war bisher mangels Geld und Personal noch nicht besetzt. Da nun aber eine neue Straße in unmittelbarer Nähe gebaut wurde und das Gebiet reich an Fischen und Bären ist, wurde dieses Jahr zum ersten Mal eine dauerhafte Besetzung während der Sommermonate (=Jagd – und Wilderermonate) beschlossen, um die Wilderei in diesem Gebiet einzuschränken.
Wir vier (der Inspektor Sascha, Stefan, Benedikt und ich) waren also die erste Besetzung des Kardons.
Zur Ausstattung des Kardons gehört eine Hütte für den Inspektor, zwei Hütten für Touristengruppen, eine Banja (Sauna), eine überdachte Ess – und Kochstelle, ein Plumpsklo und wir hatte sogar noch einen Gasherd.
Das Wasser musste man aus dem Bach, der vor der Tür vorbeifloss holen. Elektrizität gab es nicht und zum waschen ging es in die Banja.
Die Betten waren einfache Brettergestelle, die auch gleichzeitig als Sitzbank für den Esstisch benutzt wurden.
Gelegen ist das Kardon im Süden des Parks in einem besonderen Schutzgebiet, das bisher noch wenig erkundet ist. Bis nach Esso sind es ca. 100 km durch absolute Wildnis. Besser nimmt man die Straße, die in 2 km vorbeiführt und von einer Bergbaufirma dort angelegt wurde, und fährt aus dem park heraus 200 km bis in die Stadt Milkovo, von wo aus man dann weiter die Hauptstraße nehmen kann und wieder von Norden in den Park und nach Esso kommt.
Man kann also sagen, dass die nächste (erreichbare) Ortschaft in 200km Entfernung lag. (Man versuche mal in Deutschland ein Gebiet zu finden, in dem die nächste Siedlung so weit weg ist).
Nun aber zu meiner Zeit dort:
Die ersten Tage haben wir überwiegend Brennholz gemacht, d.h. große Holzblöcke mit einem großen Spalthammer in kleine Holzscheite zerhacken und diese dann zu einem Stapel aufschichten.
Auf Grund der undendlich vielen Mücken, die einen bei lebendigem Leibe auffressen (naja, zumindest fast), musste man diese Arbeit auch noch mit dem Mückenschutzanzug erledigen. Dies und die Hitze der Sonne machten einen dann echt fertig, da lief der Schweiß nur so an einem runter.
Am dritten Tag unternahm ich mit Stefan und Sascha einen ersten kleinen Ausflug zu einem ca. 4 km entfernten Quellgebiet, dass im Herbst den Lachsen als Laichplatz dient. Dort nahm Stefan erste Beobachtungen vor und ich diente ihm als Schriftführer.
Auch an diesem Tag wurde man wieder von Mücken und Fliegen geplagt.
Die Bären, die es in diesem Gebiet so zahlreich geben soll, ließen sich aber nicht blicken.
Am nächsten Tag stand auch wieder eine Erkundungstour an. Diesmal ca. 8 km die Straße entlang und wieder zurück.
Eigentlich nicht viel, aber bei sommerlicher Hitze, Mücken und Bergauf, ist es dann doch recht anstrengend.
Nach einem Ruhetag am Kardon ging es am Sonntag mit Stefan und Benedikt für vier Tage zu einem Seeengebiet in ca. 15km Entfernung.
Da am ersten Tag dichter Nebel und leichter Regen aufzog, sank unsere Motivation gewaltig und wir waren kurz davor wieder zurück zu laufen.
Dennoch bauten wir das Zelt, das wir von Sascha bekommen hatten und das leider nicht gerade groß und gut war, an einer Stelle mit bestem Blick auf einen der Seen und den Ichinskij – Vulkan auf. Der Untergrund bestand aus Beerensträuchern und war nicht gerade weich und eben.
Als das Zelt einigermaßen stand suchten wir uns eine geeignete Feuerstelle und schafften es auch trotz Regens ein Feuer zu entfachen und uns etwas zu kochen und einen Tee zu trinken.
Am nächsten Morgen war das Wetter dann schon besser und nachdem wir uns und unsere Sachen am Feuer getrocknet hatte waren wir wieder guter Dinge und ich konnte via Sattelitentelefon nach Esso melden, dass wir doch nicht umkehren würden und die Lage sich gebessert hat.
An diesem Tag umrundeten wir den See dann einmal und hielten Fest, welche Vogelarten sich auf und um den See aufhielten. So konnten wir einige interessante Dinge entdecken und Stefan fing sogar noch einen Jungvogel und konnte somit nachweißen, dass dieser Vogel am See brütet.
Am dritten Tag liefen wir zum zweiten der drei Seen und untersuchten den dortigen Vogelbestand.
Abends liefen wir wieder zurück zum Zelt. Auf dem Weg begegneten uns dann so einige frische Bärenspuren. Da Weg zusätzlich auch noch stark bewachsen war, unterhielten wir uns etwas lauter, ließen die Glocken lauter bimmeln und hielten die Leuchtfackeln griffbereit, um etwaige Bären zu verscheuchen. Denn normalerweise flieht der Bär den Menschen. Sollte ihn der Lärm dennoch nicht verjagt haben, so soll die Leuchtfackel im Notfall den Bären verjagen.
Aber scheinbar reichte der Lärm aus, denn gesehen hatten wir keinen.
Für den vierten Tag überlegten wir uns noch zum dritten See zu laufen. Da aber die Zeit zu knapp gewesen wäre, ließen wir das bleiben und suchten stattdessen auf dem Rückweg zum Kardon in einer Nasswiese noch einen Jungvogel, um einen Brutnachweis zu haben. (Die Suchzeit betrug eine geschlagene Stunde!)
Am Mittwochnachmittag waren wir dann wieder unten im Tal am Kardon und wuschen uns erst mal in der Banja und schlugen uns so richtig den Bauch voll.
Den nächsten Tag verbrachten wir wieder am Kardon. Nur für eine Stunde liefen wir zur Straße, da Sascha dort zwei junge Bären entdeckt hatte. Da der Wind uns entgegen blies, konnten die beiden Bären uns nicht wittern und so konnten wir uns auf die Straße setzen (viel Verkehr ist da nicht) und in aller die Ruhe die Bären beobachten. Leider blieben sie dennoch recht weit entfernt, aber trotzdem war es ein tolles Erlebnis.
Des Weiteren unternahmen wir noch zwei weitere Touren, um die Vogelwelt im Gebiet des Kardons zu erkunden.
Bei einer dieser Touren war leider wieder Regen, weshalb sie mir wenig Freude bereitete. Obwohl wenn man von der Landschaft auf Grund des Wetters wenig sah, war sie dennoch schön.
Für drei Tage nächtigte auch ein Tabun (Rentiernomadenlager) in unmittelbarer Nähe.
Da die Hirten gerade einige Tiere geschlachtet hatten, bekamen wir eine Schulter eines Rentieres Geschenkt. Diese zerlegten wir dann am Kardon und dann gab es den Rest des Tages jede Menge Rentierfleisch. Gekocht als Suppe, gebraten oder abends am Lagerfeuer als Schaschlik. Das war echt verdammt lecker.
Nach 16 Tagen reisten Benedikt und Stefan ab, da sie zurück nach Esso mussten. Ich blieb mit Sascha am Kardon.
Sascha allerdings brach blad schon für fünf Tage auf, um zu einem See zu wandern. So blieb ich dann allein am Kardon.
Da uns das Gas ausging, musste ich nun meine Mahlzeiten und das Teewasser auf dem Lagerfeuer zubereiten. So musste ich also etwas mehr Zeit zum kochen einplanen, aber die hatte ich ganz gewiss.
Denn neben Holz hacken, musste ich nur noch eine Absperrung am Kardon neu streichen und ein Loch im Hüttendach flicken.
Nach drei Tagen kam Sascha allerdings schon wieder zurück und ich konnte am nächsten Tag meine Rückreise antreten.
Geplant war es, dass ich 10 km zu einem Kontrollposten der Bergbauindustrie laufe. Dort treffen zwei Straßen zusammen und führen dann nach Milkovo. Deshalb wollte ich von dort aus nach Milkovo trampen und dann mit dem Bus nach Esso fahren.
Also lief ich am Montag, den 1.August früh um sechs los. Zwar waren es nur 10 Kilometer, aber mein Rucksack war enorm schwer und die Mücken quälten mich auch wieder.
So kam ich total fertig nach 2,5 Stunden am Posten an und stellte mich an den Straßenrand. Allerdings fuhren an diesem Tag nur zwei Fahrzeuge in Richtung Milkovo (ist halt nicht gerade eine Autobahn) und diese hielten nicht an.
So war ich gezwungen eine Nacht im Freien zu übernachten.
Eigentlich kein größeres Problem (ich hatte ja Schlafsack und Isomatte dabei), aber da die Mücken vor allem nachts aktiv sind musste ich auch Im Schlafsack das Mückennetz auf dem Kopf lassen. Da ich nicht Gefahr laufen wollte im Schlaf von einem Bären überrascht zu werden schürte ich auch die ganze Nacht mein Lagerfeuer.
So bekam ich in dieser Nacht nur wenig Schlaf.
Aber am nächsten Morgen um 6 Uhr nahm mich dann aber ein Auto die 200 km nach Milkovo mit.
Dort kaufte ich mir dann ein Ticket für den Bus. Während ich noch überlegte, was ich in den vier Stunden Wartezeit tun sollte, sprach mich ein Mann in gebrochenem Englisch und Deutsch an, offenbarte sich als Archäologe und führte mich durch die Stadt und zwei Museen.
Da er aber auf der Straße mit einem Bekannten schon einen Schluck Wodka kippte und zum Mittagessen noch hochprozentiges Bier trank, war er bald ein unangenehmer Zeitgenosse.
So verabschiedete ich mich dankend und verbrachte die restliche Wartezeit an der Bushaltestelle.
Dann brachte mich der Bus, der total voll und heiß war, nach Esso.
Am Abend des 2.8. kam ich dann also nach 22 Tagen in der Wildnis wieder in Esso an.
Das musste erst einmal mit frischem Brot, Käse, einer Dusche, Milch, einem elektrischen Herd und anderen Errungenschaften der Zivilisation gefeiert werden.