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Warum es sich lohnt ein zweites Semester in Budapest zu bleiben
Für die zweite Hälfte meines Erasmus-Aufenthaltes in Budapest habe ich mir vorgenommen, mich hier zu engagieren und mehr Kontakt zu Ungar*innen zu haben. Gerade scheint es, als würden beide Vorhaben gut anlaufen, und zwar bei Extinction Rebellion Magyarorzág (Ungarn). Im Dezember war ich bei einem Einführungstreffen der Umweltschutzbewegung, die insbesondere auf die Dringlichkeit zu Handeln im Angesicht der Klimakrise aufmerksam macht. Dort erfuhr ich, dass sie in Ungarn hauptsächlich kreativen Protest und mediale Aufmerksamkeitskampagnen machen und (noch) keinen zivilen Ungehorsam, wie zum Beispiel in Großbritannien und Deutschland. Ich war sehr beeindruckt, dass sie so offen für Interessierte sind, die nicht Ungarisch sprechen. Bei den Treffen saß immer jemand neben mir, die alles übersetzt und erklärt hat.
Das hat mich motiviert am Samstag mit einer Gruppe von Menschen in den Börzsöny Bergen wandern zu gehen, die sich über Extinction Rebellion kennen. Zufälligerweise war ich genau dort auch mit der Vulkanologie-Exkursion im letzten Semester, da die Berge das Überbleibsel eines 14-16 Mio Jahre alten Vulkanes sind. Bei Sonnenschein liefen wir frohen Mutes los, doch dann bemerkten wir, dass die Wärme den Boden aufgetaut hat und manche Wege dadurch so rutschig und matschig waren, dass wir uns nur noch auf allen vieren fortbewegen konnten. Also entschlossen wir uns quer durch den Wald abzukürzen, was definitiv zum Teambuilding beitrug. An unserem Ziel, einem Aussichtsturm, angekommen, machten wir ein kleines Feuer, teilten unser Essen, versuchten das Stockbrot nicht zu verbrennen und genossen die Sonne. Während der ganzen Zeit wurde mal auf Englisch und mal auf Ungarisch geredet. Zwei mit sehr guten Englischkenntnissen haben oft für mich übersetzt und mich so an den Gruppengesprächen teilhaben lassen. Jedoch merke ich immer wieder, dass man sich auch ohne Sprache gut verstehen kann und zusammen lachen kann. Insgesamt waren wir eine sehr gemischte Gruppe von Studierenden (Fotografie, Architektur, Physik), einem Schüler, Arbeitenden und Arbeitslosen. Auf dem Rückweg nach Hause konnte ich gar nicht aufhören zu grinsen, da ich so froh war, den ganzen Tag in der Sonne unterwegs gewesen zu sein und so viele nette Gespräche hatte.
Ein anderer Ort, an dem ich mir vorstellen kann, mich regelmäßig zu engagieren ist die „közkincs könyvtar“, eine englischsprachige sozialkritische Bücherei. Die Inhaberin (Antonia) war selbst in vielen feministischen Gruppen aktiv und hat ihr ganzes Geld in Bücher investiert. Da sie mittlerweile selbst nicht mehr so aktiv ist, hat sie beschlossen, ihre Bücher mit der Öffentlichkeit zu teilen und die wunderschönen Räumlichkeiten der Bibliothek NGOs zur Verfügung zu stellen. Sonntags kann man dort beim Bücher katalogisieren helfen, selbst schmökern und kommt bei der von Antonia gekochten Suppe ins Gespräch. Unter der Woche werden regelmäßig Filme gezeigt oder Bücher besprochen.
Ansonsten bin ich Ende Januar umgezogen und fühle mich sehr wohl in meiner neuen WG. Wir essen zusammen, quatschen viel und können uns gegenseitig neue Orte in Budapest zeigen. Die Küche ist urgemütlich und die Nachbarschaft mit verkehrsberuhigten Straßen und kleinem sonntäglichen Bauernmarkt sehr schön. Nur an die steile Treppe zu meinem Hochbett muss ich mich noch gewöhnen. Ich freue mich auf das zweite Semester und bin gerade dabei mir wieder eine spannende Mischung an Kursen zusammenzustellen.
In meiner freien Zeit entdecke ich immer mehr spannende Orte in Budapest. Hier eine Auswahl:
- Auf meinem Weg zur Uni ist mir schon oft ein kleines Becken direkt am Donauufer unterhalb des Gellért Bades mit dampfendem Wasser aufgefallen. Manchmal hatte ich den Eindruck, als würden Leute darin baden. Beim Neujahrsspaziergang wurde dieser Verdacht bestätigt. Ein Paar badete genüsslich zwischen Donau und viel befahrener Straße und trank dazu Sekt. Zwei Joggerinnen kamen mit ihnen ins Gespräch und ich nahm mir fest vor, dort auch irgendwann mal zu baden. Mittlerweile habe ich sogar herausgefunden, dass das Wasser aus dem Gellért-Bad kommt. Wenn man sich also nicht an der Umgebung stört, kann man dort ganz schön Geld sparen und trotzdem in Thermalwasser baden.
- Einer meiner liebsten Orte, um aus der Stadt rauszukommen ist die Népsziget, eine Halbinsel auf der es im Sommer Bars gibt, die Menschen im Winter aber nur zum Hunde ausführen und Vögel beobachten kommen. Neben schönen Spaziergängen kann man dort auch verfallende Fabriken erkunden und so allerlei kuriose Gegenstände und beeindruckende Wandgemälde entdecken.
- Bei einer alternativen Stadtführung im 8. Bezirk wurde uns der Chinese market, der größte Großhandelsmarkt Zentral-und Osteuropas, gezeigt. Dort gab es größere Zucchinis, als ich mir hätte vorstellen können und wahrscheinlich so ziemlich jeden Haushaltsgegenstand. Allerdings kommt man dort mit Englisch nicht weit und wir waren auch etwas zu spät dran, um noch einzukaufen.
- Ganz in der Nähe ist außerdem das „House of fate“ Museum, welches einmal als Holocaust Museum mit Fokus auf die Perspektive und Erlebnisse von Kindern geplant war. Das Gebäude ist fertig gebaut und sogar die Kaffeeautomaten stehen bereit. Doch dann konnten sich die Kurator*innen und die ungarische Regierung nicht über die Darstellung der Rolle Ungarns im Holocaust einigen und das Museum hat noch keinen einzigen Besucher empfangen. Unser Guide berichtete, dass es mittlerweile sogar Pläne gibt, dass Museum wieder abzureißen und stattdessen ein Thermalbad dorthin zu bauen.
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