Die Kurdenfrage in der Türkei
Kurden - Eine ethnische Gruppe, "Bergtürken" oder doch nur alles Terroristen? Eine schwierige Debatte, die die türkische Nation spaltet...
Diyarbakir ist eine Stadt, die blutet: Das unmittelbare Zentrum des Kurdenkonflikts. Auch wenn das Leben seinen gewohnten Lauf nimmt, überdimensionale Wassermelonen am Straßenrand verkauft werden und die Menschen über süßem Tee zusammensitzen, spürt man die unsichtbaren Wunden dieser Stadt. Man sieht sie in den Gesichtern der Menschen, die ihre seit 30 Jahren im Bürgerkrieg leben.
Die Geschichte der Kurden ist die eines Volkes ohne eigenen Staat – Mit den etwa 30 Millionen Kurden sind sie die größte Bevölkerungsgruppe weltweit ohne ein politisches Territorium. So leben sie hauptsächlich in der Türkei, im Irak, Iran und Syrien, aber auch aufgrund von Diskriminierung und Verfolgung im Ausland verteilt. Tatsächlich lag, während der Umstrukturierung des Osmanischen Reiches Ende des ersten Weltkrieges, bereits ein Entwurf für ein autonomes „Kurdistan“ auf dem Verhandlungstisch der der osmanischen Delegation, doch die türkische Nationalbewegung verhinderte dies erfolgreich. In dem Konsolidierungsprozess der modernen Türkei versuchte Mustafa Kemal Atatürk, der Gründer dieses Staates, durch eine Negation aller kulturellen und ethischen Unterschiede eine Nation zu einigen.
So leugnete die Türkei überhaupt die Existenz der Kurden: Als „Bergtürken“ bezeichnet standen ihnen theoretisch die gleichen Rechte von türkischen Staatsbürgern zu, doch praktisch wurde ihnen die Freiheit versagt, ihre Sprache, ihre Kultur und damit ihre Identität zu leben. Der erste Aufstand der Kurden erfolgte bereits 1925 – Als Protest gegen die Abschaffung des Kalifats. Seither gab es immer wieder Protestwellen, die militärisch unterdrückt wurden, gefolgt von Maßnahmen wie Zwangsumsiedlungen, Deportationen und der Umbenennung von kurdischen Namen ins Türkische.
In der geografisch/ökonomischen Entwicklung blieben die kurdischen Gebiete im Südosten der Türkei rückständig, sie zählen immer noch zu den ärmsten Regionen des Landes. In den langen Jahren des Krieges in Ostanatolien wurde die Intrastruktur zerstört, und auch die Gesellschaftsordnung wurde so erschüttert: Mit einer großen Landflucht aus den geplünderten Dörfern entstand eine entwurzelte, verarmte und perspektivlose soziale Schicht.
Auch im gesellschaftlichen Kontext wurden Kurden stark benachteilig: Neben dem Verbot der kurdischen Sprache, dem Ausüben kurdischer Feiertage, kurdischer Medien und jeglicher National- und Unabhängigkeitsbewegungen litten sie auch unter sozialer Diskriminierung. So ist ihnen der Zugang zur Bildung und zum Arbeitsmarkt erschwert, ihre Lebenserwartung und der Lebensstandard ist im Landesdurchschnitt geringer. Ich merke dies auch immer wieder im Dialog, die Kurdenfrage ist ein schwieriges Thema, und schon der Begriff „Kurde“ ruft Unwohlsein und Naserümpfen hervor.
Doch die türkische Gesellschaft befindet sich im Wandel, gerade in den letzten Jahren durch die liberalere Politik der AKP: Die türkische Politik gab 2009 erstmalig zu, dass die Situation der Kurden problematisch sei - So äußerte sich der Staatspräsident Abdullah Gül: „Ob man es nun das Terrorproblem nennt oder das Südost(anatolien)-Problem der das Kurdenproblem: Dies ist das wichtigste Problem der Türkei. Es muss gelöst werden.“
So vertritt die Regierung nun die Idee einer türkischen „Über-Identität“, in der auch andere ethische Gruppen und Identitäten integriert werden können. Im Zuge dieser Politik wurden durch Gesetzesreformen die juristische Diskriminierung aufgehoben und den Kurden ein gewisser Schutz als Minderheit gewährt, nur der versprochene wirtschaftliche und soziale Aufschwung, um dem türkischen Standard zu entsprechen, gestaltete sich bisher als schwierig. Auch der politische Dialog wird immer wieder erschwert durch Anschläge der Terrororganisation PKK sowie anti-kurdischer Aktionen.
Die Lösung der Kurdenfrage ist essenziell, denn sie spaltet die Nation und erschüttert sie mit Terror und Gewalt – Von einem friedlichen Zusammenleben hingegen würden alle profitieren.
http://www.bpb.de/apuz/31732/die-kurdenfrage-in-der-tuerkei http://www.bpb.de/internationales/europa/tuerkei/185907/der-kurdenkonflikt