Die ersten Arbeitstage
Was ich bis jetzt schon so gemacht habe
Nach einem Wochenende, an dem ich eigentlich nichts gemacht hab, weil das Wochenende immer frei ist und ich natürlich noch keine Pläne gemacht hatte, ging gestern der Alltag hier los. Diese Woche bin ich im Rootsi Maja, dem schwedischen Haus. Das Haus wird von Lasse geleitet, der versucht den Bewohnern einen möglichst selbstständigen Alltag zu ermöglichen. Dementsprechend wenig große Aufgaben hat man als Freiwilliger, weil das meiste einfach von selber abläuft. Dennoch gibt es in dem Haus eine große Aufgabe und die heißt Riivo.
Riivo sitzt im Rollstuhl, weil seine Beine und seine Füße nicht richtig entwickelt sind. Außerdem kann er nicht sprechen und versteht auch nicht alles. Er hat eine eigene Zeichensprache und hört auf bestimmte Kommandos. Hinzu kommt noch sein Konzentrationsproblem, man muss ihm immer wieder zeigen und sagen, was jetzt wo zu tun ist. Das erfordert viel Geduld, die ich irgendwie mitbringe. Komisch, eigentlich eine Eigenschaft, die ich in mir nicht gesehen hab, aber man wächst mit seinen Aufgaben.
Die letzten beiden Tage war ich mit Riivo bei der Musiktherapie, saß beim Essen neben ihm und hab ihn immer wieder dazu gebracht auch wirklich zu essen, musste ihn alle zwei Stunden aufs Klo bringen, weil er nicht merkt, wann er muss, und er muss sehr oft. Auch an der frischen Luft hab ich viel Zeit mit ihm verbracht, obwohl es heute Nacht schon - 5° C waren und auch am Tag die Temperaturen hier im Maarja Küla nur auf winterliche 8° C angestiegen sind. Das klingt zwar jetzt erst einmal nicht so spannend und ereignisreich, aber mir macht es unglaublich viel Spaß mit Riivo zu arbeiten, seine fröhliche, unbeschwerte Art, sein kindliches Lächeln und seine Freude am Leben verzaubern mich doch und versüßen mir den Tag. Auch die anderen Bewohner von Rootsi Maja sind sehr freundlich und nehmen auch Rücksicht darauf, dass ich kein Estnisch kann. Gestern war ich in einem Meeting der Bewohner und wurde dort sehr herzlich empfangen, was mich fröhlich gestimmt hat, und das Heimweh und den Schmerz des Abschieds doch für einen Moment ganz aus meinem Kopf verbannt hat. Es tut gut, etwas zu tun, denn so kann ich nicht mehr die ganze Zeit zurückdenken, sondern das hier und jetzt genießen, denn das ist schön.
Eine kleine Besonderheit Estlands hab ich heute kennengelernt: ich war meinen estnischen Personalausweis beantragen, der mich als vollwertigen estnischen Bürger zählt und mit dem ich sogar wählen gehen kann, obwohl ich auch noch einen deutschen Pass habe. Für mich erst einmal verrückte Welt, aber so läuft das in Estland und wenn man aus einem EU-Land kommt, dann braucht der Pass auch nur zwei Wochen. Für Natia, eine Mitfreiwillige aus Georgien, war das nicht so einfach und ihr Pass ist noch in Bearbeitung.
Den Pass muss man erst auf dem Bürgeramt beantragen, dann geht man mit dem Antrag zur Polizeiwache. Dort werden ganz unkompliziert Fotos kostenlos vor Ort gemacht und der Antrag wird bestätigt und bearbeitet. Foto folgt, wenn ich ihn dann habe.
Morgen muss ich schon um 7:20 Uhr raus, weil ich das Frühstück vorbereiten muss. Und auch mit kochen bin ich morgen dran, das wird lustig. Aber das schaff ich schon irgendwie. Jetzt wollte ich eigentlich noch in die Sauna, aber die Männer waren wohl schon vor dem Essen und ich wurde schon zweimal von spitzen Schreien begrüßt, als ich in die Sauna wollte. Gemischte Sauna ist wohl noch, aber erst spät und ich bin doch schon ziemlich müde. Vielleicht ist das erste Mal Sauna dann doch erst am Donnerstag nach dem Sprachkurs, heute ist leider ausgefallen.