Die chinesische Ein-Kind-Politik als Wegbereiter zur Emanzipation?
Unter dem Motto "Frauen sind Männern ebenbürtig" ebnete Mao Zedong bereits 1949 den Weg der Emanzipation der chinesischen Frau. Wie die chinesische Ein-Kind-Politik dieses, damals auf halber Strecke stecken gebliebene Revolutionsvorhaben nun erneut vorantreibt beleuchtet diese Reportage.
Anmerkung: Es muss differenziert werden zwischen Chinesinnen, die auf dem Land wohnen, und Chinesinnen, die in den Städten an der Ostküste, dem "Speckgürtel" Chinas leben und arbeiten. Diese Reportage basiert auf Beobachtungen und Gesprächen mit Frauen in Shang Hai und Hangzhou
Der Vater der Emanzipation
"Frauen stützen den halben Himmel" lautet ein Sprichwort von Mao Zedong, der ausgerechnet zum Vater der Emanzipation in China wurde. Unter dem Motto "Frauen sind Männern ebenbürtig" erließ er Chinas erstes Ehegesetz, legalisierte Scheidungen, verbot Brauthandel und erlaubte das Konkubinat, also eine nicht-eheliche Lebensgemeinschaft.
Nach tausenden von Jahren, in männlicher Bevormundung wurden Chinas Frauen zu vollwertigen Mitgliedern des Proletariats. Die Weltrevolution brauchte sie an der Arbeitsfront. Sie werden einflussreicher, wohlhabender und unabhängiger, privat ebenso wie in Wirtschaft und Politik. Offiziellen Statistiken zufolge besteht die arbeitende Bevölkerung heute zu 45 Prozent aus Frauen. Trugen sie 1950 im Durchschnitt nur zwanzig Prozent zum Familieneinkommen bei, so ist es inzwischen doppelt so viel. Im Staatsapparat werden vierzig Prozent aller Positionen von Frauen besetzt, und auf der Liste der Reichsten verweisen Chinesinnen die Männer gleich doppelt auf die Plätze.
Die Ein-Kind-Politik als Helfer der Emanzipation
Doch wie alle maoistischen Revolutionsvorhaben ist auch die Emanzipation der chinesischen Frau damals auf halbem Weg stecken geblieben. Das der Emanzipation dann derartiges wie die Ein-Kind-Politik in die Karten spielen könnte hätte wohl niemand gedacht, denn die Ein-Kind-Politik in Verbindung mit der konfuzianischen Tradition, wo es gilt die männliche Erblinie zu erhalten, hat zu einem Ungleichgewicht zwischen den Geburtenzahlen von Jungen und Mädchen geführt, weil häufig Schwangerschaften mit weiblichen Embryonen und Föten abgebrochen werden. Daraus resultiert ein Mädchenmangel. Die chinesische Regierung hat mit einem Verbot reagiert, welches untersagt, das Geschlecht des Ungeborenen zu bestimmen. Wenn jedoch die finanzielle Rücksicherung der Familie auf den Schultern eines Mädchens lastet wirkt sich dies positiv auf die Gleichberechtigung aus. So erhalten Chinesinnen wohl fairere Chancen auf einen guten Beruf und eine angemessenere Bezahlung als in den westlichen Ländern. Eine junge Chinesin sagt: "Ich bin die einzige Tochter, [meine Mutter] hat ihre Hoffnungen auf mich übertragen - ich denke, deswegen bin ich so ehrgeizig". Das Bildungsniveau der Chinesinnen ist stark gestiegen, und die Frauen der neuen Mittelschicht wollen häufig nicht allein Mutter und Hausfrau sein.
Wann wird die westliche Welt aufwachen?
Im Vergleich: Nach einer Studie des Werbekonzerns Euro-RSCG Worldwide halten 80 Prozent der Amerikanerinnen es für richtig, wenn eine Frau ausschließlich Hausfrau ist. Nur jeder zehnte männliche US-Bürger lehnt diese Vorstellung ab. Damit liegen US-Amerikanerinnen mit ihrer Haltung hinter den befragten Chinesinnen und Inderinnen. In den asiatischen Staaten sind heute wesentlich weniger Frauen dazu bereit, ihre Rolle ausschließlich als Hausfrau zu sehen: Nur 36 Prozent der Chinesinnen und 56,7 Prozent der Inderinnen finden im Job Hausfrau Erfüllung. Dass Frauen zu Hause bei ihren Kindern bleiben, gehört gleichwohl nicht zu den Vorstellungen vom normalen Familienmodell in China. Vielmehr ist es selbstverständlich, dass Mütter arbeiten, und niemand kommt auf die Idee, sie deshalb als "Rabenmütter" zu bezeichnen. (Dieser Begriff findet sich wohl nur in der deutschen Sprache). Eine junge Chinesin, die mit einem Deutschen verheiratet ist und in Deutschland lebt, war regelrecht schockiert, weil sie ständig gefragt wurde, warum sie eigentlich eine Arbeit suche und nicht lieber daheim bei ihrem Baby bleibe. "Ich habe nicht die Universität besucht, um zu kochen und zu putzen!", empört sie sich.
Das China im puncto Emanzipation alle westlichen Länder bereits überholt hat ist nicht länger zu leugnen. Es wird Zeit, dass auch Europa an den Entwicklungen der Neuzeit teilnimmt.
Quellen: