Deutsche Sprache, schwere Sprache
Wie wir in einem fremden Land mit unserer eigenen Sprache umgehen, wie wir sie sprechen, wie wir sie unterrichten, wie wir sie empfinden
Ich sag doch nicht, "Ah, ihr spricht ja tatsächlich Englisch?!" erzählte mir vor kurzem ein Freund, der aus den USA kommt, als wir darüber sprachen, in welchen Sprachen wir mit denen reden, die wir hier in Spanien treffen. "Ich weiß doch schließlich, dass fast alle Englisch sprechen. Das wäre ja total seltsam."
Unsere deutsche Freundin, mit der wir unterwegs war, schaute mich an und wir mussten beide lachen. "Doch, wenn jemand mit uns Deutsch spricht, dann antworten wir immer ganz begeistert, wie cool das doch ist", mussten wir uns eingestehen. Und es stimmt: Ich habe hier manchmal das Gefühl, mehr hinter meinem Heimatland und dessen Sprache zu stehen als in der Zeit, in der ich noch in Deutschland war. Gehen wir größtenteils davon aus, dass diese Sprache frei nach dem Sprichwort "Deutsche Sprache, schwere Sprache" doch niemand lernen möchte, treffen wir hier wieder und wieder Jugendliche, die uns das Gegenteil beweisen - und wir sind immer wieder überrascht.
Einmal in der Woche treffe ich mich jetzt mit einer Siebenjährigen zum Deutschsprechen. Klingt verrückt, stimmt aber: Mit ihr lese ich Kinderbücher, bastel und spiele - egal was, Hauptsache in Deutsch. Ihre Eltern sprechen beide nur Spanisch, mit ihrer Tochter können sie zwar kein Deutsch sprechen, sie ging aber seit ihrem zweiten Lebensjahr in einen deutschen Kindergarten, besucht jetzt eine deutsche Schule in Madrid. Bei den Hausaufgaben helfen können ihre Eltern nicht, Diktat üben auch nicht, die deutschen Kinderbücher vorlesen ebenso wenig, es funktioniert trotzdem. Wenn ich zu der Familie komme, sitzen wir mit ihrer Mutter im Wohnzimmer und trinken Kaffee, während sie mir auf Spanisch von ihrer Woche erzählt, lässt ihre Mutter uns zum Spielen alleine, wechselt sie problemlos in fließendes Deutsch.
Meine siebenjährige Freundin spricht fließend, natürlich nicht perfekt, wie Siebenjährige in Deutschland eben auch sprechen. Eine spanische Familie, in der Sankt Martin und Nikolaus gefeiert werden, in der eine Siebenjährige die Einzige ist, die Deutsch spricht. Überehrgeizige Eltern? Oder ein echtes Faible für Deutschland? Anfangs wusste ich gar nicht, was ich damit anfangs sollte - heute muss ich ehrlich sagen, dass ich mich in dieser Familie wunderbar wohlfühle.
Wenn meine französische Projektpartnerin und ich in der Universität erzählen, aus welchen Ländern wir kommen, ist die Reaktion auf der französischen Seite meist, "Ah, da war ich letzten Sommer im Urlaub!". Auf meiner Seite findet sich auch immer mal wieder jemand, der Deutsch in der Schule hatte, vor kurzem führte mir eine Stundentin mit "Entzündung" stolz das einzige deutsche Wort vor, an das sie sich erinnern konnte, nachdem ich schon schlimme Befürchtungen hatte, was sich in ihrem Deutschlandurlaub ereignet hatte, stellte sich schließlich heraus, dass sie "Entschuldigung" meinte. Im Urlaub waren die wenigstens bei uns, wenn dann in Berlin. "Ach, ich hab mal überlegt, da später zu arbeiten", ist das, was ich wieder und wieder höre.
Was dann im Weg steht, das ist die Frage. Ein spanischer Freund von mir lernt seit Jahren Deutsch, hat bereits ein Auslandssemester an einer deutschen Universität hinter sich, möchte gerne in Deutschland seinen Master machen und später dort arbeiten. "In Deutschland gibt es mehr Jobs, da bin ich doch nicht so blöd und bleibe hier", sagt er. Ich muss da manchmal schlucken, die wirtschaftliche Lage scheint für ihn manchmal nicht nur das einzig Positive an Deutschland sondern zugleich auch das Wichtigste an seiner Wahlheimat zu sein. Die Sprache ist für ihn kein Problem, sagt er, wenn wir Deutsch reden, brauche ich mitunter lange, um ihn zu verstehen. Spanisch-Deutsch Wort für Wort übersetzen, das funktioniert fast nie, dann sind da noch die Artikel, die auch einfach seltsam sind. Heute haben meine französische Projektpartnerin und ich festgestellt, dass es im Spanischen zwar "contigo" aber "sin ti" heißt, und ich habe gleich noch festgestellt, dass es im Deutschen fast noch schlimmer ist: Warum heißt es denn bitteschön "mit dir" aber "ohne dich"?
Manchmal glaube ich, ich habe in den letzten sieben Wochen in Madrid mehr über die deutsche Sprache als über mein Heimatland nachgedacht. Mein Mentor hat mich heute noch gefragt, was "hacer trabajos manuales" nochmal auf Deutsch heißt, weil ich ganz stolz war, mit der deutschen Übersetzung "basteln" mal eine Situation gefunden zu haben, in der der deutsche Ausdruck tatsächlich kürzer als der spanische ist. "Unmöglich", hat er dann lachend bei dem Versuch, es auszusprechen, gesagt. So sehr ich mich auch jedes Mal freue, wenn mir jemand erzählt, dass er Deutsch in der Schule gelernt hat und es gleich noch mit "Hallo, wie geht's?" probiert - so froh bin ich doch, dass die Sprache, die ich heute lerne, wohl etwas einfacher ist.