Der vielleicht schwerste Abschied meines EVS
Am Samstag hieß es für mich zum ersten Mal Goodbye sagen... denn auch das ist leider ein Teil des EVS... und außerdem ein paar Gedanken dazu, warum die Ungarn sind, wie sie sind...
Bevor Lena und Nicolas leider schon am Samstag nach Hause fliegen mussten, waren wir noch einen Tag zusammen in Budapest. Nicolas und ich besuchten das Széchenyi Thermalbad am Rande eines kleinen Parks neben dem Heldenplatz in Budapest. Das Bad, das bei Touristen sehr beliebt ist (am Freitagabend waren ausschließlich Franzosen vor Ort! ) ist bei Nacht besonders schön und ein echtes Erlebnis.
Am nächsten Tag begleiteten wir die beiden dann zum Flughafen. Das war der erste Abschied meines EVS und möglicherweise auch der schwerste. Es ist unglaublich, wie sehr man zusammenwächst, wenn man zwei Monate lang 24/7 zusammen ist und miteinander lebt. Man sieht sich jeden Tag , man kocht und isst zusammen, man geht zusammen einkaufen und es fühlt sich komisch an, sich die Wohnung ohne die anderen vorzustellen. Besonders komisch war es für mich, als ich samstagsabends allein in der Wohnung war, da Maud noch einen weiteren Tag in Budapest bleiben wollte, um ein paar Leute zu treffen, und Barni bis zum 11. November nach Hause nach Transsilvanien gefahren ist. Zwar brauchte ich ehrlich gesagt auch mal ein, zwei Tage für mich, aber dennoch war es ein seltsames Gefühl, alleine in unserer Wohnung zu sein, vor allem abends. Zu Hause in Deutschland hatte ich ein Zimmer für mich alleine gehabt und hatte deshalb vor meinem EVS auch etwas Angst, dass es komisch werden würde, ein Jahr lang mein Zimmer mit mehr oder weniger Fremden zu teilen. Aber man gewöhnt sich so an die Leute um einen herum und schließt sie so sehr in sein Herz, dass es schließlich komisch ist, allein zu sein...
Eine weitere Sache, die mir sehr am Herzen liegt, würde ich gerne noch mit euch teilen: Bisher hatte ich hier eigentlich nicht das Gefühl, dass die Diskrimierung gegenüber Leuten mit einer anderen Hautfarbe, etc. besonders groß ist. Sicher ist es für manche älteren Leute vor allem auf dem Dorf etwas ungewohnt uns Freiwillige aus allen möglichen, kulturellen Hintergründen auf der Straße zu sehen, aber ich behaupte einfach mal, dass das in Deutschland nicht wesentlich anders ist... Allerdings fuhr ich am Samstag mit Nicolas in Budapest mit der Métro bevor er zum Flughafen musste. Da er seine beiden Koffer dabei hatte und durch seine teilweise marokkanische Abstammung einen etwas dunkleren Teint hat, hielten ihn viele Leute für einen Flüchtling und als wir uns schließlich in einem Park auf eine Bank setzten, waren die Blicke vieler Leute, die an uns vorbeiliefen, unerträglich herablassend.
Für mich war das schlimm, aber ich bin auch dankbar für den Perspektivwechsel, da es auch in Deutschland sehr viel Diskriminierung gegenüber Flüchtlingen gibt. Es fühlt sich unfassbar seltsam an, wenn wildfremde Leuten einen dermaßen beurteilen, ohne auch nur irgendetwas über die eigene Personalität, das Leben zuhause, etc. zu wissen. Am liebsten möchte man sich mit einem dummen Spruch verteidigen, aber, wenn man die Sprache nicht spricht - mein Ungarisch ist leider nicht sehr ausgereift - sind einem die Hände gebunden und man muss die Blicke stumm ertragen.
Wir sind schließlich drei Stunden früher zum Flughafen gefahren und haben dann dort gewartet, aber ich versuche oft zu verstehen, warum die Ungarn den Flüchtlingen, Leuten die alles verloren haben, dermaßen negativ und abwertend gegenüber stehen. (Das gilt auch nicht für alle! Aber für viele...) Erstens verdienen die Leute hier nicht so viel (400-800€ pro Monat sind hier ein sehr gutes, 200-400€ ein durchaus normales Gehalt). Wenn also ein Flüchtling in Deutschland um die 140€ pro Monat erhält, reicht das in Deutschland niemals zum Leben, weil die Lebenshaltungskosten extrem hoch sind. Für die Ungarn allerdings ist das sehr viel Geld, dafür, dass sie zumindest am Anfang noch nicht arbeiten (können). Daher sagen viele Ungarn, die Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, kämen nur, weil sie Geld wollten, ohne dafür arbeiten zu müssen. Zweitens finden viele, dass Deutschland die Flüchtlinge (Zitat!!) "eingeladen" hätte und, dass es deshalb nicht das Recht hätte, sie jetzt mit allen teilen zu wollen. Und drittens verbreiten die Medien viele Informationen, wonach alle Flüchtlinge Diebe und Verbrecher seien... Es ist also schwer als Einzelner gegen diese festgefahrenen Meinungen vorzugehen, vor allem, wenn man die Sprache nicht spricht und als Gast in einem Land nicht zu unhöflich sein will...
Für uns Deutsche ist das natürlich unfassbar schwer nachvollziehbar, aber das ungarische Volk ist oft etwas nationalistischer aufgrund seiner Geschichte. Auf die Fremdherrschaft durch die Nazis und die anschließenden Schrecken des Zweiten Weltkrieges folgte eine weitere Leidenszeit durch den herrschenden Kommunismus. Das ungarische Volk ist in dieser Zeit in seinem Leid zusammengewachsen. Außerdem ist es schwer, sich hier komplett zu integrieren, da es fast unmöglich ist, die Sprache hundertprozentig zu erlernen, wenn man nicht mit ihr aufgewachsen ist. Daher ist es schwer gute Beispiele einer gelungenen Integration vorzuweisen, was in Deutschland sehr leicht möglich ist...
Okay, wow, das war mehr als ich erwartet hatte, aber erklärt vielleicht einiges.
Bis bald, Sophie :))