Der Urlaub ist vorbei, doch vergessen werde ich ihn so schnell nicht!
Einige Tage Seminar in Great Malvern, einige Tage Cardiff entdecken: Meine Ferien waren abwechslungsreich und erholsam. Uns passierten aber auch skurrile Dinge...
Ich sitze gerade in dem Megabus, der sich vor fünf Minuten von Cardiff aus auf den Weg nach London gemacht hat (Der Megabus ist eine super günstige Möglichkeit in Großbritannien zu reisen. Wenn man früh genug bucht kann es einem passieren, dass man zwischen zwei englischen Metropolen für einen Pfund hin und her reisen kann. Wir hatten diesmal nicht so ein Glück und haben sechs Pfund gezahlt, dennoch können wir uns verglichen mit den Preisen der anderen Reisemöglichkeiten über unsere gebuchte Busfahrt glücklich schätzen.)
Wenn ich auf die vergangene Woche (und somit auf unsere ersten richtigen Urlaubstage) zurückblicke, kann ich resümieren: Diese Urlaubswoche sucht in der Zukunft ihres Gleichen!
Meine Mitbewohnerinnen und Ich sind am letzten Dienstag frohen Mutes nach Great Malvern (oberhalb von London) aufgebrochen. Dort hatte die "Nationalagentur Großbritannien" zu einem Seminar geladen und viele europäische Freiwillige sind dieser Einladung brav gefolgt. Der Inhalt des Seminars war definitiv nicht so weltbewegend, dass er hier zur Sprache kommen müsste, doch das Hotel und die kleine Ortschaft Great Malvern sind erwähnenswert.
Great Malvern ist eine typische englische Kleinstadt, die im Tal einer herbstlich schillernden Hügellandschaft eingebettet ist. Wenn man das Flair der englischen Kultur in vollen und vor allem in ruhigen Zügen genießen möchte, dann sollte man seine Zelte für einige Tage in einer Kleinstadt wie Malvern aufschlagen. Die englische Architektur, das unruhige Gewusel der Einheimischen durch die engen Straßen rund um die Mittagszeit und die berühmt berüchtigte "Tea-Time" an der es so scheint, als ob die gesamte Stadt für eine halbe Stunde ihren Atem anhält sind die Essenzen des englischen Flairs.
Außerdem kann man eine Beobachtung machen, die einem im schrillen und hyperaktiven London höchstwahrscheinlich verwehrt bleibt. Denn die typische Spezies des "älteren englischen Ehepaares" (bei der der englische Gentleman seine Lady Abends noch im Anzug und mit bestem englischen Knigge ausführt) lässt sich nur im Ambiente einer Stadt blicken, in der noch das Herz der wahren englischen Freundlichkeit schlägt, die sich durch ihre liebenswerte, zurückhaltende und dankbare Art auszeichnet.
Der ur-englische Charme von Great Malvern wurde perfekt durch seine idyllische Lage ergänzt. Die grünen Hügel rundherum luden zum wandern und relaxen ein. Als wir einen der Hügel an einem sonnigen Tag unter eingingen Anstrengungen erklommen hatten, genossen wir einen schönen Blick über die Landschaft und konnten super unsere Gedanken für einige Momente schweifen lassen.
Was des Weiteren ausschlaggebend für die positive Bewertung unseres Malvern Trips zu Buche schlägt ist, dass wir für geschlagene vier Tage in einem Vier-Sterne-Hotel untergebracht waren. Dass heißt in der simplen Sprache eines europäischen Freiwilligen: vier Tage nicht putzen, kochen, einkaufen...! Ein gottähnlicher Zustand ereiferte einen, wenn man nur an diesen Luxus dachte, doch tatsächlich knapp eine Woche diesen in der Realität zu erfahren war und ist unbeschreiblich (natürlich merke ich, dass ich mich soeben in die Tiefen des exzessiven Schreibens hinein begebe, doch für die Beschreibung dieser Tatsachen nehme ich dieses liebend gern in Kauf =-)).
Wir bekamen jeden Abend von der Nationalagentur ein Abendessen in einem Restaurant gesponsert und auch sonst war die Verpflegung super.
Neben diesen Tatsachen könnt ihr denke ich verstehen, dass die inhaltliche Aufstellung und Durchführung des Seminars zur Nebensache geriert.
An einem Abend jedoch kam unser Bild von der kleinen, idyllischen Stadt Great Malvern ins Wanken. Als wir beschlossen unseren letzten Abend in einem netten Pub (mit dem Spezialangebot: zwei Getränke zu dem Preis von einem) ausklingen zu lassen ahnten wir noch nicht wie der Abend enden sollte. Wir begannen in gemütlicher Runde mit ein paar Drinks und im Laufe des Abends wurde die Stimmung immer besser. Nach einiger Zeit enterten einige von unseren Mädels die Tanzfläche und es wurde fleißig gegroovt.
Der Pub füllte sich und auch andere Gäste gesellten sich mit auf die Tanzfläche. Unter ihnen auch zwei weibliche Geschöpfe, die schon durch ihr Aussehen aus der Menge herausstachen. Zwar nicht mehr so jung, aber trotzdem auffällig tätowiert und mit gewagten Haarvariationen/-farben machten die beiden im leicht angetrunkenen Zustand gut Stimmung. Im Laufe des Abends stieg der Alkoholpegel bei den Besagten rapide und es wurde nach einiger Zeit klar, dass sie nicht nur an sich sondern auch an unseren Mädels Gefallen gefunden hatten. Mit einer Tanzdarbietung, die in den USA mit dem Fabrikat "pornografisch" durchgegangen wäre, hatten sie versucht sich selber und auch einige andere der weiblichen Gäste (vor allem die europäischen Freiwilligen) zu bezirzen (dass sie dabei nicht auf Wohlwollen gestoßen sind störte sie nicht sonderlich). Trotzdem nahmen es alle mit Humor. Hätte man nicht die Gewissheit besessen, dass man sich in Great Malvern befunden hat, könnte man denken, dass wir im tiefsten Party-Dschungel Londons gefeiert hatten.
Nach der entspannenden Zeit in Great Malvern brachen wir dann am letzten Freitag nach Cardiff auf. Wir hatten uns für zwei Nächte zum Schnäppchenpreis in einem Hotel etwas abseits des Stadtkerns eingemietet. Somit pendelten wir stets mit dem Bus zwischen Stadtkern und Hotel.
Zu Cardiff bleibt zu sagen, dass es die Hauptstadt von Wales ist. Wales ist zwar Teil des Vereinigten Königreichs (UK) aber gehört nicht zu England, somit ist es in gewissem Sinne unabhängig. Die Waliser verpassen keine Möglichkeit dieses gegenüber von unwissenden Touris zu erwähnen. Des Weiteren hat Cardiff mit eine der größten und beliebtesten Einkaufsstraßen der UK, doch es kann auch mit historischen Plätzen und dem Millenniumsstadium (in der die walisischen Rugby-Nationalmannschaft beheimatet ist) aufwarten. Wir besichtigten das geschichtsträchtige "Cardiff-Castle", das walisische Parlament und den "Cardiff-Bay". Cardiff war früher eine florierende Hafenstadt und hat bis heute Anbindung zum Meer. Der Cardiff-Bay ist im weitesten Sinne die Bucht von Cardiff und beherbergte früher den Hafen. Heute findet man vor Ort Lokalitäten und Pubs in nettem Flair.
Wie schon oben beschrieben kamen wir am Freitagnachmittag in Cardiff an und kämpften uns durch den Wust an Busverbindungen. Bis wir endlich die richtige Busverbindung gefunden hatten, dauerte es einen Moment, doch da wir ja nur zwei Fortbewegungsmöglichkeiten hatten (die öffentlichen Verkehrsmittel oder unsere Beine) nahmen wir die kleine Verzögerung gerne in Kauf. Als wir uns dann im Hotel etwas heimisch eingerichtet hatten, beschlossen wir Cardiff in der Dämmerung noch ein wenig zu erkunden. Wir sahen einige Sehenswürdigkeiten im Stadtkern und trafen dann die Entscheidung uns zum Cardiff-Bay aufzumachen. Da uns nach Auskunft von Ortskundigen ein Fußweg von rund 20 Minuten bevorstand, machten wir uns im zügigen Tempo auf den Weg.
Nach ca. 10 Minuten Fußweg betraten wir eine relativ schlecht beleuchtete Straße, dachten uns aber nichts dabei und gingen uns anregend unterhaltend weiter. In unsere Gespräche vertieft merkten wir gar nicht, dass unsere Umgebung und vor allem die Leute auf der Straße immer zwielichtiger wurden. Nach ca. zwei weiteren Minuten Fußweg tiefer in das Zwielicht hinein raste plötzlich ein Polizeiwagen an uns vorbei, der kurz darauf abrupt stehen bliebt. Als wir die helle Lampe des Rückwärtsganges aufleuchten sahen schwante uns nichts Gutes. Alle Gespräche verstummten und sämtliche Blicke blieben gebannt auf das rückwärtsfahrende Polizeiauto gerichtet.
Als es dann vor uns stehen blieb fiel den Mädels fast die Schminke aus dem Gesicht und mir wurde auch ziemlich mulmig. Der Polizist ließ das Fenster herunter und fragte in einem unerwarteten freundlichen Ton was wir vor hatten und wo wir denn hin wollten. Als wir ihm dann in gebrochenem Englisch erklärten was unsere Pläne seien, machte er uns das zuvorkommende Angebot uns bis zum Cardiff-Bay mitzunehmen (die Gegend war seiner Auskunft nach wohl nicht die Sicherste in Cardiff). Wir zwängten uns also zu fünft in das Polizeiauto und wurden im rasanten Tempo zum Bay gefahren. Als wir dann vor dem Millenniums-Museum (am Bay) aus dem Polizeiauto sprangen waren uns die verwunderten Blicke anderer Touristen sicher. Die letzten Worte, die der Polizist an uns richtete waren, dass wir doch bitte auf dem Rückweg den Bus nehmen mögen. Diese Aktion bewies einmal mehr die berüchtigte Freundlichkeit der Polizei im Vereinten Königreich.
Nach erfolgreich überstandenem Rückweg ins Hotel am Freitagabend beschlossen einige der Mädels am Samstag die drittgrößte Shoppingmeile des Vereinigten Königreichs unsicher zu machen. Da Jana und mich nicht die unbändige Shoppinglust gepackt hatte beschlossen wir zum Bay zu fahren (wohlgemerkt mit dem Bus) und uns dort die Sehenswürdigkeiten nochmals im Tageslicht anzuschauen. Dort angekommen besichtigten wir kurz das Millenniums-Museum und steuerten dann auf den Neubau des walisischen Parlaments zu. Nicht sicher was uns in dem modernen Bauwerk erwarten würde passierten wir den Sicherheitscheck. Ich betrat die einladende und lichtdurchflutete Eingangshalle des Parlaments wohl mit einem eher verwirrten Blick, denn sofort kam ein dort Angestellter auf mich zu und begrüßte mich auf die freundliche, walisische Art. Als dann Jana auch noch zu uns stieß bot er uns sofort eine Führung durch das Gebäude an. Mit einem kurzen, umherschweifenden Blick suchte er nach anderen eventuell Interessierten, fand aber keine und somit bekamen wir eine private Führung durch die politische Schaltzentrale von Wales. Wir besichtigten Orte an die eigentlich nur Parlamentarier Zutritt hatten und wurden über alles möglich aufgeklärt (Ökonomie des Gebäudes, die Politik/ Geschichte von Wales,...). Es war eine super Führung, die zu begeistern wusste. Wie sich später herausstellte war unser Guide ein Rentner, der am Wochenende "Aufklärungsarbeit" im Parlament leistete. Somit war unsere Führung mit allerlei Wissen und Lebenserfahrung gespickt. Es war ein super Tag.
Am Sonntag ließen wir es etwas ruhiger angehen. Wir schlenderten durch die Straßen Cardiffs und bestaunten die Vielfalt der Halloweenkostüme, die schon vereinzelt am Morgen zu entdecken waren.
Unsere erste Woche Ferien in Großbritannien war somit erlebnisreich, aufregend und auch ein bisschen erholend. Sie wird in den nächsten Jahren unvergessen bleiben und in den bevorstehenden acht Monaten in der UK hoffentlich ihres Gleichen suchen.
Bis dahin
Cheerio!
P.S.: Wundert euch bitte nicht über die verwirrende zeitliche Struktur meines Textes. Ich habe ihn am letzten Sonntag im Megabus begonnen zu schreiben und habe es heute erst geschafft ihn fertig zu stellen.
Sorry about that!
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