Der Traum vom eigenen Pizzaofen
Das Konzept an Steinerschulen sieht neben dem Unterricht auch vor, einmal andere Tätigkeiten auszuprobieren, sich selbst zu erproben sowie handwerkliche und andere Fähigkeiten zu fördern. Darum hat sich eine Grundschule in Irland entschlossen, zusammen mit den Eltern ihren eigenen Lehmofen zu bauen. Im Text folgt die Kurzanleitung zum Bauen seines solchen energieeffizienten Ofens.
Was machen unternehmungslustige Erwachsene in Gummistiefeln und mit Handschuhen ausgerüstet am frühen Morgen auf einem einsamen grünen Feld im Osten des Counties Clare in Irland zusammen mit großen Plastikplanen, Eimern und diversen anderen Gegenständen? Richtig, sie bauen ihren eigenen Ofen auf dem Gelände der zukünftigen Steinergrundschule. Somit gehört diese Schule dann zu den wenigen privilegierten in Irland, die solch ein besonderes Prachtstück zum Backen ihrer eigenen Pizzen und Brote besitzen. In Zeiten einer hochtechnologisierten Welt eine Oase der Zurückbesinnung auf die Lebensbedingungen unserer Vorfahren, sozusagen ein Zurück zu den Wurzeln.
Eine Zurückbesinnung auf die empfindliche wunderbare Natur und, dass es viel spannender und interessanter ist, eins mit ihr zu sein und sie umsichtig zu nutzen, als mit aller Gewalt gegen sie zu arbeiten. Eine Zurückbesinnung auf die Wertschätzung ganz alltäglicher Dinge, die heutzutage in Massen produziert werden und doch so viel Arbeit machen, wie beispielsweise eben das Pizza- oder Brotbacken. Darum bauten die Eltern diesen Ofen auch unter fachkundiger Anleitung mit ihren eigenen Händen und Füßen. Die Wertschätzung ist eine andere, wenn man jeden einzelnen schweißtreibenden Arbeitsschritt mit einer gehörigen Portion Spaß selber mit nachvollziehen kann und am Ende stolz sagen darf: „Seht euch das an! Ich habe daran mitgearbeitet!“ Das ist besser, als wenn am Ende das Produkt wie von Zauberhand errichtet plötzlich einsatzbereit da steht, aber keiner weiß wie. Wenn man aber selber den Ofen mit errichtet hat, weiß man hinterher genau, warum das Projekt für neun Stunden veranschlagt wurde, selbst dann, wenn wir „nur noch“ den eigentlichen Ofen zu bauen hatten, da der Grundstock aus Steinen schon gelegt worden war. Doch welche Materialien brauchen wir dazu?
Die Hauptzutat war dabei Lehm. Allerdings nicht irgendein Lehm. Je nach dessen Qualität musste er mit einem spezifischen Anteil Sand gemischt werden, um günstigerweise genau die erforderliche Stabilität zu garantieren und ein unbeabsichtigtes Zerbersten bei großer Wärmeentwicklung zu verhindern. Ansonsten hätten wir den Ofen dann ja noch einmal errichten müssen, was wirklich schade um unsere Arbeit gewesen wäre. Der erste Arbeitsschritt lautete also: Eimerweise Sand und Lehm mit etwas Wasser auf einer großen Plane mixen. Klingt einfach? Mag sein. Dafür ist es jedoch umso mehr eine Fitnessübung, die jegliche andere sportliche Betätigung für die kommende Woche hinfällig werden ließ, da das gesamte Sportpensum nun schon heute abgearbeitet wurde. Da das ganze Mischen mit den Händen doch etwas zu mühselig gewesen wäre, stampften wir also quasi den Sand in den Lehm. Mal erinnerte das verdächtig an irischen Stepptanz, mal an „Die Reise nach Jerusalem“, wenn alle hintereinander auf diesen Erdhaufen herum gingen.
Die kräftezehrendste, aber effektivste Variante, war das Springen mit einem imaginärem Springseil mit der Besonderheit, dass dabei nicht einfach nur gesprungen wurde, sondern beide Füße mit aller noch verbliebenen, mit jeder Runde exponentiell abnehmenden Kraft in den Boden gerammt wurden. Auf dieses Weise könnte man sich jeden teuren Aggressionsabbaukurs sparen. Das Bauen eines Lehmofens ist eindeutig die bessere Therapie und am Ende kann man sich das Resultat sogar betrachten und nutzen.
Ich weiß nicht, wie viele Lehmsandmixturen wir am Ende zubereitet haben, aber es waren viele und es musste wirklich gründlichst vermengt sein. Gab es denn Zeitpunkt, wo man dachte, jetzt ist der Brei endlich fertig, konnte man sicher sein, dass er noch mindestens dreimal mit vereinten Kräften und viel Schwung (aber bitte nicht zu viel) unter Mithilfe der Plane zu wenden und nochmals zu bearbeiten war. Erst dann war er WIRKLICH einsatzbereit und wir etwas außer Atem.
Der etwas feuchtere mit isolierendem Stroh angereicherte Brei diente dann quasi als Grundplatte für den Ofen und wurde sehr genau und akkurat von den Männern mit einer Wasserwaage überprüft, sodass die Fläche auch wirklich eben war. Erst dann durften wir darauf mit ganz viel Fingerspitzengefühl und, wenn möglich bitte spaltlos, Ziegelsteine legen, auf denen später gefeuert und die leckeren Pizzen knusprig gebacken werden. Dann folgte der nächste Arbeitsschritt: Auf dieser Fläche wurde ein hoher Sandkegel errichtet, der mit feuchtem Papier tapeziert wurde oder besser gesagt, es wurde der Versuch gestartet. Praktisch war das gar nicht so einfach, da der Wind immer wieder unter das Papier fuhr, um den von uns geformten Kegel persönlich auf noch verbliebene Risse zu überprüfen. Auf diesen Kegel sollte die Kuppel errichtet werden. Der Lehmbrei dafür war trockener und strohlos, damit es später keine unbeabsichtigte Brandentwicklung im Inneren des Ofens geben würde. Immer senkrecht zur Kuppel wurde der Lehm schichtweise eine handbreit aufgetragen und hier zeigte sich der Sinn für die Feinheiten der Damen. So akkurat die Männer zuvor gearbeitet hatte, so liebevoll arbeiteten die Frauen nun und ganz langsam nahm der Ofen Gestalt an. Doch eine Schicht ist noch nicht genug. Was nun folgte, war die Isolierung. Je dicker sie errichtet wird, desto länger speichert der Ofen die Wärme. Die Fachleute haben irgendwo in Irland einen Ofen errichtet, der nur alle drei Tage gefeuert werden muss! Das ist also nicht nur umweltfreundlich, sondern sogar richtig energieeffizient! Unsere Isolierung war zwar nicht so dick, aber dennoch ausreichend.
Wir nannten sie liebevoll chocolatechips da sie aus in Wasser gelösten Lehm bestand, der die Konsistenz einer guten Schokoladensauce haben sollte. Allerdings glaube ich nicht, dass es auch genauso gut geschmeckt hätte, denn in dieser Flüssigkeit wurden Sägespäne getränkt. Diese leichte Schicht sorgt also für ausreichend Isolierung und hält den Ofen für einige Stunden warm. Zum Schutz der Isolierung und zum Vermeiden von Verbrennungen am heißen Ofen wurde dann noch eine letzte Schicht, diesmal wieder aus Lehm und Stroh, aufgetragen. Natürlich wieder äußerst akkurat und immer senkrecht zur Kegelform. Das wurde regelmäßig überprüft. Nun war der Ofen endlich fertig.
Nach wenigen Wochen des Trocknens wird der Sand schließlich aus dem Inneren entfernt und dann, endlich, können die Kinder zum ersten Mal ihren Ofen nutzen und leckere Pizzen backen – im selbst errichteten, energie- und umweltfreundlichen Lehmofen.