Das Festivalul Castanelor - vom Kommunismus zur Kastanie
Baia Mare hat den Ruf, eine ruhige Stadt zu sein, doch diejenigen, die das behaupten ändern ihre Meinung vielleicht Ende September, wenn die Hauptstadt der Region Maramureş aufgrund des Kastanienfests (Festivalul Castanelor) erwacht.
Das Kastanienfest ist das Highlight des Jahres in Baia Mare. Drei Tage lang gibt es Paraden, Ausstellungen, Konzerte, Essen, Trinken, Sportveranstaltungen, alle möglichen Messestände und zum Abschluss ein eindrucksvolles Feuerwerk.
Aber um den Ursprung dieses Fests zu verstehen, muss man einen Blick in die Vergangenheit werfen. Nicht zu weit, aber dennoch. Seit Beginn der frühen 1980er Jahre wurden die Menschen in Rumänien von der kommunistisch eingestellten Regierung dazu gezwungen, fast alles produzierte Essen abzugeben. Der Staat bezahlte seine ausländischen Schulden buchstäblich mit Essen, Kohle, Erdgas und anderen Rohstoffen, während der Großteil der Bevölkerung hungernd zurück blieb und es an grundlegenden Rohstoffen fehlte, wie zum Beispiel Gas zum Kochen, Wärme/Kohle im Winter und Essen in den Läden. Zu dieser Zeit warteten Menschen stundenlang vor den Geschäften nur um etwas Milch und ein Stück Butter zu ergattern. Diese auszehrende Lebensmittelknappheit dauerte bis in die frühen 1990er Jahre.
Im Jahr 1993 hatten die Menschen in und um Baia Mare zum ersten Mal seit etwa einem Jahrzehnt wieder genug eigene Produkte um einen Jahrmarkt zu veranstalten, was durch die beachtliche Initiative des damaligen Bürgermeisters Cristian Anghel umgesetzt wurde. Als Standort wurde eine vierspurige Straße gewählt – groß genug für einen Jahrmarkt, aber nah genug an der schönen Altstadt und zu der damaligen Zeit wenig befahren. Die Veranstaltung sollte im September sein und um die Attraktivität zu steigern wurde eine sehenswerte Pflanzenausstellung in der Nähe des Jahrmarkts eingeführt, welche den Namen „Expo-Flora“ bekam. Es sollten alle möglichen Pflanzen und pflanzliche Produkte gezeigt werden, um die Talente der Einheimischen zu präsentieren. Die ersten drei Jahre war diese Ausstellung die Hauptattraktion um welche der ganze Jahrmarkt stattfand.
Da die Menschen in Baia Mare sich des Potentials des Festivals bewusst wurden, kamen sie auf die Idee, ein drittes Element hinzuzufügen, welches die schöne Stadt repräsentieren und das Fest zu einem einmaligen Event im ganzen Land machen soll. Hier stellt sich natürlich die Frage, warum gerade die Kastanie gewählt wurde. Die Antwort findet sich, wenn man einen kleinen Spaziergang in dem Gebiet macht, welches die Stadt umgibt. Die imposanten Berge sind bedeckt von Nadelwäldern mit Kiefern und Eichen, wodurch sie zu einem idealen Ort für Kastanienbäume werden. Die Fülle von essbaren und nicht essbaren Kastanien, die zufällig in und um Baia Mare wachsen, die aber ein Großteil der restlichen rumänischen Bevölkerung noch nie gesehen – geschweige denn gegessen hat – machen die Kastanie zu einem sehr lokalen Produkt und somit zu einem idealen Markenzeichen für die Stadt und das Fest. Die Kastanienwälder von Baia Mare wurden außerdem in einem Dokument aus dem Jahre 1642 erwähnt, in dem es heißt: „… für Ihren Hunger haben wir Ihnen Esskastanien gesandt, wie viele Male zuvor, für welche uns der Herrscher schriftlich dankt.“ Dieses Zitat bezieht sich auf Baia Mares Minister, der die Esskastanien Prinz Rakiczi schickte, was dazu beitrug, dass die Bäume zu einer Tradition der Stadt wurden.
Der Esskastanienbaum kommt ursprünglich aus Asien (mediterraner Baum), welcher sich an Europa angepasst hat. Interessant ist, dass Baia Mare der nördlichste Ort auf der gesamten Welt ist, an dem Kastanienbäume mit Esskastanien wachsen. Die am höchsten aufragenden Bäume wachsen auf den Hügeln des nahegelegenen Ortes „Tautii de Sus“, denn sie erreichen eine Höhe von über 20 Meter und einem Alter von 500 Jahren.
Im Grunde waren die Kastanien jedoch ein recht seltenes Produkt, denn selbst die Stadtbewohner konnten sie nur während des Kastanienfests essen, wenn fleißige Sammler die essbaren Kostbarkeiten an ihren kleinen Ständen entweder gekocht oder gebraten anboten. So wurde der offizielle Name der Veranstaltung das „Kastanienfestival“ (festivalul castanelor) und es wird seither jährlich an einem Wochenende Ende September gefeiert. Nach und nach wurde auch ein beachtlicher Freizeitpark und zwei große Konzertbühnen hinzugefügt.
Heutzutage existiert das Festival vor allem, um den Einwohnern von Baia Mare drei Tage Erholung, Entspannung und Spaß zu bieten. Auch dieses Jahr fand das Fest wieder statt und zwar vom 23.-25. September 2016 und hoffentlich wird es noch Jahre so weitergehen, denn es bedeutet, dass es den Menschen gut geht.
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