Bratislava - Aufeinandertreffende Epochen
Grey zwischen den Grenzen. In Pressburg, Bratislava, erlebt sie, wie Slowaken und Ungarn aufeinanderprallen, jeder dem anderen Vorwürfe macht. "Es ist ein Pulverfass, das garantiert hochgehen wird."
Grau, blass pink, blass grün, dreckig gelb ragen sie in den strahlend blauen Himmel. Wie starre Finger, an Altersarthritis leidend. Hochhäuser. So weit der Horizont reicht, nehmen sie die Stadt in ihre Mitte.
Kommunistisches Erbe. Das Bild... klärt sich kaum. Zwar weichen die Hochhäuser, aber die Straßen werden enger, dunkler. Vor allem dort, wo man es nicht für lohnend hielt, das Gesicht der Stadt ansehnlich zu machen für Touristen.
Pressburg. Stadt der ungarischen Könige zur Zeit des ungarischen Königreichs. Die Slowaken mögen die Ungarn nicht. Eingefallen sind sie damals, als die Osmanen von Süden und Osten anrückten. Die Ungarn mögen die Slowaken nicht. Das ist unser Land und ihr unterdrückt unsere Leute mit eurer Sprachreform.
Man befindet sich also nicht nur zwischen den Grenzen, wenn man von Györ aus Richtung Bratislava fährt und schließlich die Grenze überfährt. Es sind zwei unterschiedliche Perspektiven, die da aufeinander treffen.
Tue eines niemals: Sage zu dem einen: "Ja aber ihr seid doch eingefallen", sage zu dem anderen "Ja, aber sie mussten doch irgendwohin ausweichen! Es ist Unrecht, eine Minderheit so zu unterdrücken"... Es ist ein Pulverfass, das garantiert hochgehen wird.
Bratislava indessen präsentiert sich im Kern äußerst mittelalterlich. Die Straßenzüge sind restauriert, alte Häuser, alte Kirchen, altes Schloss, alte Stadtmauer. Ein Zentrum, wie man es auch in anderen europäischen Städten finden könnte. Ein wenig wie Las Palmas, die Hauptstadt Gran Canarias, nur ohne diesen schwer zu bestimmenden schmierig, schwülen, glatten Touch. Rustikaler.
Kleine in Messing geschlagene Krönchen auf dem Kopfsteinpflaster markieren den "Weg der Krone", jene Route, die zeremoniell bei Krönungen abgelaufen wurde. Sie führt unter dem Michaelsturm hindurch, dem einzigen von einstmals vier noch heute stehenden Wachtürmen, vorbei an dem Käseladen zur Rechten mit dem netten Mann hinter der Theke, der uns slowakischen Käse verkauft hat. Lecker.
Überhaupt ist das slowakische Essen lecker, wie ein Abstecher in das Slovak Pub lehrt. Zwei Mädels. Drei Teller. Ein bisschen wie die Schwäbischen Spätzchen – sogar mit Soße, etwas, das ich bei ungarischen Gerichten zumeist bitterlich vermisse –, bodenständig, satt machend. Der Nachtisch – ein Gedicht aus Nockerln mit Blaubeermarmelade, jede Menge Schokolade, zermahlenen Mandeln und Puderzucker.
Auch hier hat es ein riesiges Einkaufszentrum, in das sogar ein Kino integriert ist. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass man darin verloren geht. Nach drei Stunden Bummel gelingt uns mit zahlreichen Errungenschaften endlich die Flucht.
Es ist schon zu dunkel, um die Dokumentation aller 15 Brunnen zu vollenden. Sind einfach zu versteckt und das Licht. Es wird schwerer die Karte zu lesen. Ist schon ziemlich abgegriffen. Und das Licht.
Auf unserem Nachhauseweg durchstreifen wir dunkle Gassen mit noch finsteren, leeren Fenstern. Vor der Pforte der ehemaligen medizinischen Fakultät ist eine Herzkurve auf den Boden gemalt. Sie schlägt aus und wird dann auf einmal zur geraden Linie. Darüber die Jahreszahlen 2003-2009.
An einer Ecke steht ein massiges, graues Gebäude mit kleinen Fenstern. Flaggen hängen über dem Eingang. Justitia. Der Justiz-"palast". Meine Begleiterin spekuliert: Angeklagte sollen wohl allein durch das triste, deprimierende Gebäude eingeschüchtert werden. In der Tat, schon allein der Anblick zieht einen Knoten in die Brust.
Dann lieber hoch auf die schneeweiße Burg. Einen Blick über die Stadt und die Donau. Jener Fluss, der seine Mäander durch so viele Staaten zieht und sie auf geheimnisvolle Weise und wohl auch eher unbewusst miteinander verbindet. Die Donauschwaben nahmen diesen Weg zu Schiff nach Ungarn.
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