Belastungsprobe für die EU
Die Blockade des EU-Haushaltes durch die Regierungen in Warschau und Budapest schürt die vorhandenen Zweifel am inneren Zusammenhalt des politischen Bündnisses und stellt die Zukunftsfähigkeit der Institution infrage.
Die internationale Politik wird zunehmend von nur ein paar wenigen Staaten bestimmt, die mit in ihrem allumfassenden Anspruch allein zu ihren Gunsten handeln. Auch die Mitgliederschaft der EU ist nicht frei von Egoisten und Demokratiefeinden.
Polen und Ungarn blockieren die Haushaltsplanung für das kommende Jahr inklusive des Corona-Hilfspaketes. Die verbündeten rechten Regierungen in Warschau und Budapest wettern gegen die an die EU-Gelder gekoppelten demokratischen Werte und legen den Rechtsstaat zu ihren Gunsten als ein variables Modell aus. Mit dem sogenannten Rechtsstaatsmechanismus wäre es der EU möglich Verstöße gegen die in der Union geltenden Normen und Werte mit Sanktionen zu bestrafen. Die Regierungen in Warschau und Budapest geben sich als Verteidiger der Souveränität, beabsichtigen jedoch damit den Einfluss der EU so weit wie möglich zu schmälern. Die EU soll sich nicht in innere Angelegenheiten der beiden Länder einmischen, doch finanzielle Unterstützung ist gerne gesehen. Gespräche und Vermittlungsversuche prallten an den vollständig isolierten Unruhestiftern ohne Anzeichen jeglicher Einsicht ab. Aus der Sicht eines französischen Botschafters bedeuteten jegliche Zugeständnisse von Seiten der EU ein „Nachgeben gegenüber der liberalen Demokratie“.
Polen gehört zu den neuesten Mitgliedern der EU und der NATO. Das Land fand sich zuvor in den zurückliegenden Jahrzehnten ohne Pressefreiheit, Menschenrechte und unabhängiger Justiz in einem politischen Vakuum. Die gegenwärtliche Tendenz zum Nationalismus und steigende politische Relevanz rechten Gedankenguts zeigt sich auch in der polnischen Poltik. Der regierende rechtsextreme Flügel baut sein Kapital auf Fremdenfeindlichkeit und Populismus, demokratische Werte und Strukturen geraten zunehmend in Bedrängung. Die polnische Regierung orientiert sich ganz offen an den USA und schlägt einen zur Europäischen Union alternativen Weg ein. Der Wechsel im weißen Haus lässt hoffen, das die liberale Demokratie genesen und sich gegen die Demontage durch Populisten rüsten kann.
Die Corona-Krise hat weltweit eine Streit über die freiheitseinschränkenden Maßnahmen zur Eindämmung der Virusverbreitung entfacht. Es hat sich gezeigt, dass einzelne autoritäre Regierungen die Krise ausnutzen um ihren gesellschaftlichen Einflussbereich auszubauen und in alle Bereiche vorzudringen. So konnte sich auch die Regierung Orbans in Ungarn Sondervollmachten sichern, die es nicht nur zur Pandemie-Bekämpfung in Anspruch nahm, sondern beispielsweise auch um die Opposition gezielt zurückzudrängen. Eine neue Wahlgesetzänderung schwächt die Ausgangsposition kleinerer Parteien. Die Wahlen in Ungarn sind zwar noch frei, jedoch werden die Umstände zunehmend unfairer und die Regierung geht systematisch vor um ihre Machtposition zu stärken.
Ein Staatenbund wie die EU basiert auf Kompromiss und Interessensausgleich der Mitglieder, doch wenn die rahmengebenden demokratischen Werte und Prinzipen willkürlich übergangen werden, muss klare Kante gezeigt werden. Schafft die Europäische Union es nicht das Fundament der Institution zu verteidigen, führt das Bröckeln der Fassade letztendlich zum Einsturz des gesamten Konstrukts. Der innere Zusammenhalt der Union gehört zu einer der Prioritäten, um in der globalen Konkurrenz standfest sein zu können.
Quellen:
https://www.nzz.ch/international/ungarn-die-eu-und-korruption-gott-glueck-und-viktor-orban-ld.1588960?reduced=true
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-11/eu-haushalt-veto-polen-ungarn-aenderung-eu-vertraege-rechtsstaatlichkeit
https://www.dw.com/de/polens-und-ungarns-veto-gegen-den-eu-haushalt-ist-es-gerechtfertigt/a-55788154