Auf ein Neues...
Weltenbürger on tour, diesmal in der Ukraine. Der Anfang war holprig aber jetzt geht es los!
Eine Busfahrt, die ist lustig…
Weltenbürger ist mal wieder unterwegs, diesmal heißt es ein Jahr UKRAINE. Da das auch mal nicht eben um die Ecke ist, fährt der Bus auch 23 Stunden. Schon beim Einsteigen steht fest: Wer hier kein Russisch spricht, ist Außenseiter! Schon der Busfahrer und sein Begleiter legen los, im Fernsehen gibt es russische Schmalzfilme zu sehen und Bekanntschaften werden schnell geschlossen. Mir fällt mal wieder auf, dass Slawen unheimlich offen sind, man hat fast das Gefühl, am Ende den halben Bus zu kennen.
Meine Nachbarin findet indes schnell heraus, was meine Muttersprache ist, und gibt wertvolle Tipps. Ich soll Obst auf dem Markt kaufen, da ist das frisch und kommt weder aus dem Gewächshaus noch aus Spanien. Aha. Und das ist so toll, dass junge Deutsche in die Ukraine fahren. Aha. Und sie hat ja auch einen deutschen Vornamen… Am Ende weiß ich über ihre Familie, die Außenpolitik, Tschernobyl und das Landleben in der Ukraine bestens Bescheid, fast habe ich Angst, dass sie mich zu sich nach Hause einlädt oder mich gleich adoptiert.
Irgendwann wird es dunkel, mein Hintern tut weh, Polnische Grenze. Deutsche Beamte gehen durch unseren Bus und wollen den Pass sehen. Alles in Ordnung, leider nicht bei einer jungen Mutter, die mitsamt den beiden Kindern aussteigen muss. Im Dunkeln. An der Grenze. Idiotie sowas.
Die Stimmung im Bus kommt jedoch schnell wieder in Fahrt als ein russischer Liebesfilm gezeigt wird. Zwei Monitore halten alle Fahrgäste über das Geschehen auf dem Laufenden (auch die, die schlafen wollen!!!) und weil der Bus so lang ist und man hinten so schlecht versteht, wird der Film mehrmals lauter gestellt, was dem Schlaf nicht gerade förderlich ist. Endlich halb drei Nachts liegen sich beide Protagonisten in den Armen und wir haben endlich unsere wohlverdiente Ruhe.
Von Polen bekomme ich leider nicht so viel mit, jedoch wird jedes polnische Wort gelesen und fast jedes auch verstanden. Über Wroclaw und Lublin gelangen wir schließlich an die polnisch-ukrainische Grenze. Jetzt wird es interessant. Noch nie außerhalb Europas gewesen und noch nie einem fremden Menschen seinen Pass überlassen müssen, geht mir mächtig die Muffe. Eine polnische Beamtin sammelt alle Pässe ein. Eigentlich habe ich nichts zu befürchten, schließlich habe ich für das Visum 180 Euro bezahlt. Dennoch ist sie weg. Frachtraum des Busses wird geöffnet, Menschen mit Waffen stehen da, meine Güte. Ich hab keine Drogen. Echt jetzt. Ich schwör. Schließlich bekomme ich den Pass und in meiner unendlichen Naivität dachte ich, das war es jetzt.
Pustekuchen. Ukrainische Grenze. Das gleiche Spiel. Diesmal warten wir eine halbe Stunde. Stichprobenartig werden Koffer geöffnet. Ich bin unruhig und esse Schokoriegel. Wühlen die da jetzt in meinen Klamotten rum? Drogenhunde sehe ich keine, dafür wieder bewaffnete Leute. Trotzdem geht alles glatt. Ukraine, ich komme!
Doch halt. Kurz nach der Grenze, als die Straßen merklich holpriger werden, hält der Bus an, während alle anderen Fahrzeuge weiter fahren. Okay. Was jetzt? REMONT schreit der Busfahrer, rennt nach hinten, rennt nach vorne, rennt wieder nach hinten und wieder vor. Aha. Straßenbauarbeiten, na und? Schließlich fahren auch wir weiter. Wie auch immer…
Immer wieder muss Tieren ausgewichen werden, denn am Straßenrand und auch teilweise auf der Fahrbahn läuft alles herum, was Beine hat: Kühe, Schafe, Ziegen, Hühner. Und wir mittendrin.
Mit "nur" einer Stunde Verspätung kommen wir am Kiewer Busbahnhof an. Doch damit ist die Reise nicht zu Ende. Ich werde von Oksana abgeholt, die nicht nur ein Taxi ruft, sondern mir auch gleich wertvolle Ratschläge gibt. Alkohol trinken auf der Straße ist ebenso wie in Polen verboten. Und immer schön auf die Sachen aufpassen. Und wenn die Ampel grün zeigt heißt das nicht, dass man gehen kann. Okay. Alles klar.
Taxi fahren ist toll. Dachte ich. Erst findet uns der Taxifahrer nicht, dann finden wir ihn nicht, dann ist das "Taxi" ein ziemlich altes Auto mit einer doppelt (!) gesprungenen Scheibe. Und der Fahrer schaut während der Fahrt (!) auf dem Stadtplan nach. Während ich an seiner Kompetenz zweifle, bringt er uns dennoch sicher zum Wohnheim.
Mitbewohner aller Art…
Dort angekommen gibt es einige Überraschungen. Zur Erklärung: Ich bin nicht zimperlich. Echt nicht. Aber nach einem Tag im Bus hatte ich die Nase voll. Und so war ich alles andere als erfreut, als ich hörte, dass ich eine Mitbewohnerin habe. Wurde mir vorher nicht so gesagt. Und dass wir ohne den versprochenen Fernseher und ohne das versprochene eigene Bad im Wohnheim wohnen, wo sich fünf Leute ein Bad teilen. "Bad" meint zwei Zimmer, wobei die Dusche alles andere als keimfrei ist und die Waschbecken auch schon bessere Zeiten gesehen haben. Nachdem das braune Wasser sich langsam in durchsichtig verwandelt, reicht es mir für heute.
Ich lerne Jitka kennen, die aus Tschechien kommt. Mehr als ein "Jmenuju se Anja" bekomme ich nach einem Semester Tschechisch vor Schreck nicht hin und plötzlich ist auch das Russisch nicht mehr so klar. Hoppla, vor drei Jahren war doch da mal was. Holprig unterhalten wir uns, gehen zusammen essen und merken schnell, dass die Chemie stimmt.
Abends als ich das Licht ausmachen will, der Hammer. Auf dem Boden sitzt jemand. Eine Kakerlake. Ein riesen Oschi. Bevor ich reagieren kann, verschwindet sie hinter dem Kühlschrank. Herzlich willkommen.
Einkaufen… ich will einfach nur shoppen!
Ich kann nicht ewig von meinen mitgebrachten Sachen leben, deswegen wird schon in den ersten Momenten ein Supermarkt ausgemacht. Haha! "Supermarkt" heißt hier, dass dort acht Frauen stehen mit jeweils unterschiedlicher Auslage. Wenn man Milch kaufen will, fragt man die eine und kauft bei ihr, wenn man Saft braucht, bei einer anderen. Nachdem noch Brot hinzukommt habe ich die Nase voll. Wo ist mein Supermarkt von zu Hause, wo ich mir Sachen NEHMEN kann, selbstständig? Hier gibt es an jeder Ecke einen Kiosk. Das ist klasse, wenn man Kekse, eine Zeitung oder Wasser braucht. Erst langsam finde ich die westlichen Supermärkte und freue mich, dass ich hier gemütlich durch den Laden spazieren kann.
Ein Paradies für alle Shoppingfreaks ist METROGRAD. Eine Stadt unter der Stadt, mit lauter Geschäften, Cafes und anderen Sachen. Toll. Das sind zwar nur kleine Geschäfte, aber alleine die angebotenen Sachen anzusehen, dort ein bisschen spazieren zu gehen, ist großartig, auch wenn die meinten Sachen völlig überteuert sind. Ebenfalls eher etwas für Touristen ist das TSUM.
Dort kaufe ich gleich etwas gegen Käfer (mein erstes Wort in der Ukraine ist Zhuk, Käfer) und der Typ fragt mich allen Ernstes, wie die Käfer aussehen. Öh. Naja, wie Käfer halt. Groß. Ekelig. UND SIE LEBEN!!! Am Ende kaufe ich den RAPTOR, ein Käfermittel, irgendein Gel. Wo ich das jetzt hinschmieren soll ist mir am Anfang nicht klar, aber ich habe etwas. Käfer, ich komme! Zu Hause lese ich, dass ich das Gel an die betreffenden Stellen schmieren soll. Öh. Überall? Hinterm Kühlschrank ist es am Schlimmsten und an der Tür und hinter dem Schrank und auf dem Schrank sind die auch… Das Bild auf der Rückseite des RAPTOR ist toll, das Gel + ein Käfer = drei Käfer. Öh, Moment mal. Die sollen doch sterben?! Also muss ich selber ran und so fallen insgesamt 41 Käfer in den ersten drei Nächten meinen Hausschuhen zum Opfer. Sorry, Jungs.
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