Arrival Seminar in Sommières: Ein Stück gelebtes Europa
Sommières, 10.09 – 14.09.2011 - Weltenentdeckerin war vor Ort und teilt ihre Eindrücke mit uns: Im ersten Teil führt sie ein Interview mit den Trainerinnen. Dabei spricht sie vor allem das Thema Europa an.
Bei wohlig warmen 26 Grad und strahlendem Sonnenschein kamen schon bei der Ankunft beim EFD Arrival Seminar in Sommières, einem kleinen Städtchen in der Nähe von Nîmes und der Cote d’Azure, herzliche Gefühle auf. Auch die Unterkunft in der „Cart“ überzeugte uns Freiwilligen vom ersten Moment an, schließlich lädt dort ein Pool nach den Seminareinheiten zum Plantschen ein und unter freiem Himmel kann man mit den anderen Teilnehmern aus ganz Europa das französische Essen gemeinsam genießen, lachen und sich austauschen.
Optimale Bedingungen also um auch die inhaltlichen Einheiten des Seminars mit den Betreuerinnen Johanna und Safia anzugehen, die sich überraschenderweise als geborene Berliner und damit als Wahlfranzosen entpuppt haben. Nichtsdestotrotz, auch die deutsche Mehrheit der EFD Teilnehmer musste sich dem Diktat der Französischen bzw. zu mindestens der englischen Sprache fügen. Und schließlich hatte man so auch die Chance durch die Teilnehmer Einblicke in ganz andere europäische Lebenswelten zu gewinnen.
Denn die Mädelsrunde (Traurig, aber wahr - wir hatten leider nur Christoph aus Heidelberg als Vertreter seines Geschlechts ) war trotz deutscher Dominanz bunt gemischt mit Teilnehmerinnen aus Spanien, Portugal, Kroatien, Polen, Ungarn, Estland, Litauen, Lettland, Griechenland und der Türkei.
Und tatsächlich, ist es das Arrival Seminar, das die Vielfalt und den Facettenreichtum des E im EFD erst ganz geballt erst vor Augen führt. Aber bedeutet Europa nur Vielfalt und was bedeutet Europa den Freiwilligen?
Die folgenden Interviews mit den Teilnehmern vor Ort, die aus allen vier Himmelsrichtungen Europas nach Sommières angereist sind, sowie das Gespräch mit Johanna und Safia, die schon seit einigen Jahren die EFD Seminare vorbeireiten und betreuen, sind in eben der Absicht entstanden sich auf die Suche nach diesem E im EFD zu machen, sowie natürlich auch um einen Einblick in ein „gelebtes Stück Europa“ zu geben.
Interview mit Johanna und Safia
Betreuerinnen der EFD Seminare in Sommières
Wie glaubt ihr kommen eure Begleitseminare zum Europäischen Freiwilligendienst bei den Teilnehmern an?
Johanna: Bisher haben wir die Rückmeldung bekommen, dass die Freiwilligen das Arrival Seminar durchaus schätzen. Schwieriger ist da schon der „Midi-Pacours“ oder „Midterm Seminar“, weil zu dem Zeitpunkt, also in 5-6 Monaten bei vielen die Motivation fehlt ihr Projekt zu verlassen, denn manchmal müssen die Teilnehmer für das verpflichtende Seminar z.B. Veranstaltungen sausen lassen, die sie mit vorbereiten oder organisieren. Daher gab es auch schon die Diskussion ob man statt dem Ausreiseseminar nicht lieber das „Midterm Seminar“ einkürzen hätte sollen. Aber da teilen sich nun mal die Meinungen und in letzter Instanz entscheidet sowieso die verantwortliche Nationalagentur.
Welche Inhalte des Arrival Seminar sind euch besonders wichtig?
Safia: Irgendwo sind alle Inhalte wichtig aber ein Schwerpunkt liegt z.B. auf der Vorbereitung der Teilnehmer auf eine neue Kultur. Dabei geht es nicht darum ihnen die kulturellen Unterschiede zwischen ihrem Herkunftsort und Frankreich vorgekaut zu servieren. Nein, ganz im Gegenteil, dass sie sich nach diesen selbst auf die Suche machen ist ja schließlich Teil des Abenteurers. Wir leisten jedoch interkulturelle Arbeit in der Hinsicht, dass wir versuchen die Teilnehmer dafür zu sensibilisieren Unterschiede oder Missverständnisse zu erwarten um ihnen so evtl. vorbeugen zu können bzw. besser mit ihnen umgehen zu können. Dabei ist uns vor allem wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass auch wenn sich eins der Ziele, das sich ein Freiwilliger vorgenommen hat, nicht ganz verwirklichen lässt, er jederzeit die Möglichkeit hat seine Vorsätze flexibel und spontan neu anzuordnen, um so trotz vereinzelter Schwierigkeiten das Beste aus seinem EFD zu machen.
Inklusion, Partizipation, Bürgerliche Partizipation, ... wie schätzt ihr die Verwirklichbarkeit der EU Ziele für das „Youth in Action“ Programm ein?
Johanna: Also, wenn man nur die Zielgruppe betrachtet die der EFD eigentlich hat dann muss man sagen, dass der soziale Ansatz verfehlt wird. Denn der EFD sollte vor allem eine Chance für die sozial Schwächeren im Alter von 18 bis ca. 20 Jahren sein. Schließlich gibt es für Auszubildende und Studenten ja schon das Comenius bzw. Erasmus Programm. Aber mittlerweile ist es so, dass viele EFDler zum Teil schon ein Erasmus Semester gemacht haben, fertig studiert sind oder im Fall deutscher EFDler im Regelfall das Abitur haben.
Bis vor kurzem, gab es zu mindestens noch in Frankreich Gelder für die Finanzierung von Vereinen, die gezielt Werbung für den EFD bei sozial Schwächeren gemacht haben und ihnen dann durch gezielte Betreuung zu einer Projektstelle verhelfen, aber leider wurde auch dieses Programm eingestellt.
Aber selbstverständlich hat der EFD dennoch einen Sinn. Europa lebt durch diese Projekte ! Für mich sind es gerade die Seminare bei dem ich das Gefühl habe das man den Europäischen Gedanken konkret erleben kann. Hier, in Sommières hatte ich auch schon Gruppen von 20 Leuten mit 20 unterschiedliche Nationalitäten, die sich am Abend austauschen, gemeinsam lachen und kennen lernen. Toleranz und Austausch müssen erlebt werden und am Ende wird jeder EFDler, egal mit welchem Hintergrund oder Ziel er seinen Dienst antritt, „zumindestens mehr wissen“ über sich und über andere. Das baut Ängste ab und gibt Selbstvertrauen, deshalb ist schon allein auf menschlicher Ebene das EFD Programm in seiner Bedeutung unanfechtbar.
Was bedeutet (für) euch Europa?
Johanna: Konkret?
-Reisefreiheit
-Eine Währung
-Und die Idee, dass man durch gemeinsame Anstrengung in einem genau geographisch abgesteckten Rahmen versucht die soziale Lage in den vereinzelten Ländern nach oben zu nivellieren. Wäre das der Fall, dass sich jedes Land somit im Interesse aller weiterentwickelt, d.h. eben nicht das man sich eins zu eins angleichen muss, dann würden alle auch mehr das Gefühl haben, dass jeder von Europa profitiert.
Welche Probleme siehst du in der EU und was wünscht du ihr für die Zukunft?
Johanna: Moment glaube ich, das eben vor allem Westeuropa den Glauben an die EU verliert, weil eben dieser Gedanke des Nivellierens, also das man gemeinsam investiert um gemeinsam eben durch eine Fortentwicklung zu profitieren nicht umgesetzt wird bzw. das er nicht ersichtlich ist. Deshalb würde ich es mir wünschen, dass in irgendwie in höheren Sphären dieser Europagedanke der gemeinsamen Weiterentwicklung und Verbesserung konkreter gelebt und umgesetzt wird und man somit auch einen besseren Bezug zur EU hat.
Wann habt ihr euch schon mal „europäisch“ gefühlt bzw. wann hat euch die EU schon mal überrascht?
Johanna: Also, mich hat der Gedanke mal so überrascht als ich mich mal in Lichtenstein wiederfand – und mir echt Gedacht habe: Wow, Lichtenstein ein winzig kleines Land in der Mitte Europas, aber das man nicht wirklich gleich mit Anhieb auf der Karte findet, ist in der EU und ich kann hier mit dem Euro bezahlen?! Das hat schon irgendwie was.
Safia: Also, bei mir ist das schwer zu sagen, da meine Eltern nochmal ganz verschiedene kulturelle Hintergründe haben, aber wenn ich in Frankreich bin, dann denk ich oft das ich ziemlich „deutsch“ bin während ich mich dann in Deutschland wieder sehr „französisch“ fühle. Aber ich glaube z.B. wenn man sich in den Vereinigten Staaten aufhält, dann kann man sich schon auch schnell „europäisch“ fühlen. Deshalb gibt es so eine europäische Nationalität wohl schon aber das ist glaub ich nur schwer fassbar.
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