Ankunft in Estland
Als ich am Freitag den 30.08. in Tallinn aus dem zugegebenermaßen kleinen und sehr altmodisch wirkenden Flugzeug gestiegen bin, musste ich als erstes meinen Pullover ausziehen. Es waren 25 Grad und die Sonne brannte förmlich vom Himmel, sodass ich sogar einen Moment bereute, die Sonnencreme in Deutschland gelassen zu haben. „You‘ve now got a total wrong impression from Estonia, it will get cold.”, war eines der ersten Dinge, welche die nette, junge Frau meiner Organisation, die mich vom Flughafen abholte, zu mir sagte. Die nächsten Monate werden zeigen, ob sie damit Recht behalten wird.
Der Flug von Düsseldorf über Kopenhagen nach Tallinn war entspannt und unspektakulär, mit Fensterplatz und keinem Sitznachbar auf dem ersten Flug. Jegliche Ängste und Befürchtungen, die ich, die noch nie alleine geflogen und auch noch nie umgestiegen war, hatte, waren völlig unbegründet gewesen.
Auch meine Angst, dass ich die Frau, welche mich am Flughafen Tallinn abgeholt hat, nicht finden würde, stellte sich bei meiner Ankunft als ungültig heraus. In Estland ist alles gehörig kleiner als in Deutschland und nachdem ich meine beiden Koffer ohne Probleme von dem einen der zwei Kofferbänder, die der einzige internationale Flughafen des Landes nur besitzt, aufgegabelt hatte, erblickte ich schon die lächelnde Frau mit einem bunten Schild in der Hand, auf welchem mein Name (sogar richtig geschrieben) stand.
Nachdem auch eine zweite Freiwillige aus Italien gelandet war, machten wir uns mit dem Taxi gemeinsam auf den Weg zu dem Hostel, in dem wir die erste Nacht untergebracht waren. Wir schliefen zu acht in einem Zimmer mit einer weiteren Freiwilligen unserer Organisation aus Spanien, zwei deutschen Mädchen und einem unglaublich liebenswürdigen Japaner, der alleine auf Europatour war. Wir erkundeten ein wenig Tallinn und hatten gemeinsam mit anderen Freiwilligen, Tutoren und Mentoren am Samstag das erste Seminar, bevor ich mit meiner Tutorin und Mentorin nach Tapa aufbrach. Eine der estnischen Mentoren sagte zu mir bei der Verabschiedung, dass ich mich glücklich schätzen sollte, nicht, wie der Großteil der anderen in Tallinn zu bleiben und inzwischen verstehe ich auch, was sie damit meinte. Denn das Estland, welches die meisten Touristen und auch die anderen Freiwilligen nach dem Verlassen des Flughafens oder der Fähre in Tallinn kennenlernen, ist nicht das Estland, was den Großteil des Landes widerspiegelt. Erst als ich nach zwei Tagen Tallinn mit meiner Tutorin und Mentorin im Auto auf dem Weg nach Tapa saß und fünfundvierzig Minuten nur über schmale, unbekannte Straßen zwischen dunklen Wäldern hindurchfuhr, bemerkte ich, dass ich mich, anders als hier, in der Hauptstadt gar nicht fremd gefühlt hatte. Jegliche Schilder und Wegweiser in Tallinn stehen neben Estnisch auch auf Englisch zur Verfügung, McDonalds und H&M prägen unter anderem wie in der Heimat das Stadtbild und ganze Touristengruppen schieben sich unaufhörlich auf Deutsch schnatternd durch die Straßen. „Always many Germans.“, erklärte der Rezeptionist unseres Hostels nach einem akzentfreien „Guten Abend“.
In Tapa dagegen, der mit 5.400 Einwohnern 20. Größten Stadt Estlands, ist all dies weit entfernt. Deutsch spricht hier keiner, Englisch vielleicht einer. Bei meiner Arbeit in einem Wohnheim für Behinderte verständige ich mich mit Händen und Füßen, wobei dies für die meisten Klienten sowieso irrelevant ist. Sie stört es nicht, wenn ich auf ihre estnischen Worte nichts zu erwidern habe und nur lächelnd nicke, denn sie sind herzlich und freuen sich auch über ein deutsches Mädchen, dass ihnen Zeit schenkt. Die meiste Zeit gehen wir zusammen spazieren oder spielen Basketball, einer der Klienten hat mir auch seine Computerspiele gezeigt, ein anderer seine Fotoalben. Es spielt sich derzeit noch alles ein wenig ein, doch spätestens nächsten Monat, werde ich wohl zwischen den vielen Wäldern, schlecht ausgebauten Straßen und den für deutsche Augen eher ärmlichen Verhältnissen außerhalb der Hauptstadt Tallinns richtig angekommen sein. Anfang nächsten Monats kommt auch eine weitere deutsche Freiwillige, die dann mit mir zusammen wohnen und arbeiten wird, was sicher so einiges einfacher machen wird.
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