Amigos nuevos
Die erste Zeit im Ausland ohne Familie ist ein harter Kampf, doch mit neuen Freunden ist man nie allein.
Leider weiß man die Dinge, die man liebt erst wirklich zu schätzen, wenn sie nicht mehr da sind. Genau das erfahre ich gerade hier in Spanien, weit weg von meiner Familie und meinen Freunden. Doch glücklicherweise ist man trotzdem nicht allein und nur auf sich gestellt. Zunächst fremde Menschen werden zu neuen Freunden und Bezugspersonen, denen man sich anvertrauen oder mit denen man die Zeit totschlagen kann.
Diese neue Art von Kontakt und Beziehung ist zu Beginn zwar sehr ungewohnt und nicht mit dem wahren Zuhause zu vergleichen, wo einem jeder Geruch, jeder Augenblick so vertraut vorkommt, aber wenn man sich für diese Möglichkeit öffnet, kann es ein sehr schöner Ersatz werden.
Für mich hat sich dieses neue Gerüst aus Beziehungen von meiner inzwischen sehr guten Freundin Marie, sowie meiner Kontaktperson Alba, um ein weiteres Glied vergrößert, als ich gegen 19 Uhr am Sonntag meine Monitorin Nuria in einem Café im Zentrum von Manresa traf. Bei einem sehr angenehmen Gespräch in meiner Muttersprache, die sie glücklicherweise sehr gut beherrscht, Tee und Gebäck, sprachen wir über mögliche gemeinsame Ausflüge auf den Montserrat, sowie ein Probetraining im kleinen Fitnessstudio über der hiesigen großen Schwimmhalle. Da sie mit 26 Jahren noch sehr jung ist, waren wir sofort auf einer Wellenlänge und werden neben den eben genannten Aktivitäten noch viel zusammen unternehmen. Auf dem Rückweg klärte sie mich noch schnell über den Unterschied zwischen "Tapas" und "Tapas mit Brot" - "pintxos" genannt, auf.
Neben dem ständigen Kennenlernen von neuen Leuten und Gebräuchen, halten mich die Bewohner auf Arbeit, sowie die dortigen Unternehmungen auf Trab. So riss mich auch am Montag das Lärmen der Behinderten mit Instrumenten aus meinen Gedanken, dass sie beim sogennanten Musikprojekt zu einem, vom Laptop abgespielten Musikvideo, veranstalteten. Auch die freundlichen Gesichter und Komplimente der Bewohner, mit denen sie mir stets begegnen sind ein kleiner Trost, obwohl ich mich erst bei den Betreuern über die eigentliche Bedeutung des Wortes "guapa" informieren musste, was so viel wie "wunderschön" bedeutet.
Der Dienstag dagegen verlief dann doch wieder etwas anders als geplant. Da der erste Polizeibesuch fehl schlug, trafen wir uns gegen 11 Uhr mit Alba im Revier um endlich unseren "NIE" zu erhalten, mit dem wir unsere Checks bei der Bank einlösen können. Da wir schließlich fast 2 h auf der Bank verbrachten, wobei uns leckere Schokocroissants von der Bäckerei gegenüber bei Laune hielten, machte es für uns keinen Sinn mehr noch auf Arbeit zu fahren. So schlenderten Marie und ich nach einer zermürbenden Prozedur bei der Bank zurück zu unserer Wohnung. Allerdings nicht ohne vorher noch schnell einen kurzen Einkauf im Supermarkt gemacht zu haben. Beim gemeinsamen Kochen einer duftenden Gnocchi Pfanne, versüßten wir uns die Zeit bis uns Alba zum Training mit den "Cadets" beim Volleyball abholen würde. Nach dem Training teilten wir uns noch genüsslich ein Baguette und gingen früh schlafen, um für den morgigen Spanischunterricht fit zu sein.
Bei diesem trafen wir am nächsten Morgen auch auf Laura und Svenja, die erst vor kurzem aus Deutschland angereist ist. So hatte sich meine Gruppe schon wieder um ein neues Mitglied erweitert. Als wir uns schließlich alle bei dem Versuch "Patagonien" auf der Weltkarte richtig einzuordnen gründlich blamiert hatten, beeilten sich Marie und ich um noch den Bus um 11:30 zur Arbeit zu erhaschen. Dieser kam zwar pünktlich, aber bremste kurz vor einem Zebrastreifen so scharf ab, dass ich von meinem Sitz rutschte und mich bei einer intensiveren Bekannschaft mit dem Geländer ordentlich am Rücken und Handgelenk verletzte. Glücklicherweise war es auszuhalten und ich konnte in meiner Vormittagsgruppe einen kleinen Olaf gestalten. Ein weiterer schöner Moment war die Verarbredung mit einer Arbeitskollegin am Freitag nach der Arbeit, für die ich gern zusagte. Am Nachmittag nahm ich auch erstmalig an der "Arbeit" teil. Dabei sortieren die Behinderten Wachsmalstifte in gleicher Reihenfolge in zuvor gefaltete Pappen. Diese werden dann an ein Unternehmen zurückgeschickt und dort verkauft.
Am Donnerstag musste ich wieder nach einer eher schlaflosen Nacht feststellen, wie ungewohnt es doch ist in einem Mehrfamilienhaus zu wohnen. Ständig gehende Türen, die übrigens alle quitschen, lautes Geschrei, knallende Haustüren und seltsame Geräusche begleiten wirklich jeden Morgen. Naja auch daran werde ich mich noch gewöhnen. Bei meiner Ankunft bei Ampans wurde ich gleich empfangen und wir fuhren mit der Gruppe in einem privaten Bus nach Manresa zurück. Normalerweise gehen wir jeden Donnerstag um diese Zeit ins Theater, doch das wird erst nächste Woche beginnen. So frühstückten wir gemütlich in der Sonne und unternahmen dann einen kleinen Stadtbummel. Zum Mittagessen gab es diesmal für mich, mit Gemüsereis und -letscho mit gekochten Eiern mal eine kleine Abwechslung, die ich mir richtig schmecken ließ. Nach dem üblichen Boccia Spiel machten Marie und ich uns in der Wohnung für das erste Training mit der "Senior B" Mannschaft fertig. Eine der Spielerinnen holte uns in der Nähe von unserer Unterkunft ab. Obwohl wir erst gegen 23 Uhr zurückkamen sind wir sehr glücklich mit der Mannschaft und den netten Leuten.
Am Freitag konnte ich dann erneut meine Kreativität beim Schablonenzeichnen für das Kunstprojekt ausleben. Diese wurden schließlich auch mehr oder weniger vollständig mit den übrig gebliebenen Wachsmalstiften von der "Arbeit" und später mit Temperafarben ausgemalt. Bei der Hofaufsicht nach dem Mittagessen wurde es im Ruheraum plötzlich sehr voll, da ein Unwetter mit viel Regen letztendlich auch die richtig sportbegeisterten Jugendlichen nach drinnen zwang. Doch das ausführliche Schreiben über unser "On-arrival Seminar" beschäftigte mich dann für eine Weile (Es ist auf Spanisch). Da aufgrund des Wetters für die Nachmittagsaktivitäten,die sonst draußen stattfinden würden Alternativen gefunden werden mussten, erlebte ich ein spannendes Boccia Spiel mit 3 Gruppen.
Zum Glück war der Regen dann vorbei, als Nuria, Sara und ich nach der Arbeit zu dem Restaurant im nahegelegenen Park de L'Agulla fuhren. Dort unterhielten wir uns bei einem lustigen Mix auf Spanisch und Englisch, mit viel Hilfe von Google Übersetzer, über Schulbildung, Studium, das Referendum, und vieles mehr. Manchmal hinderte uns zwar die scharfe Soße der "Patatas braves" am weitersprechen doch das kühle "Estrella" Bier oder ein Schluck vom Radler besänftigte unsere Geschmacksknospen wieder.
Gegen 19:30 Uhr brachte mich Sara zurück nach Manresa, mit dem Versprechen, dass wir auf jeden Fall in Zukunft öfter etwas gemeinsam unternehmen werden. In der Wohnung erwartete mich auch schon die nächste Nachricht. Marie teilte mir mit, dass wir uns gleich mit den anderen Freiwilligen in ihrer naheliegenden Wohnung treffen würden. Gesagt, getan!
Dort angekommen ließen wir es uns bei Chips und Popcorn Tee richtig gut gehen und ich denke so langsam baue ich mir hier ein gutes soziales Umfeld auf. Angeregte Unterhaltungen auf Englisch, sowie erhitztes Kartenspielen ließen die Zeit sehr schnell vergehen, wobei Marie und ich erst um 2 Uhr im Bett lagen.
Das war auch gut, denn nach nur 4h Ruhe, konnte ich nicht mehr schlafen und begann so meinen Samstag ziemlich früh mit Spanisch lernen und ein wenig Beauty Zeit. Zum Glück konnte ich auch die Anderen am Vorabend davon überzeugen, heute nicht nach Barcelona zu fahren, denn die dortigen Unruhen und Demonstrationen aufgrund des Referendums waren zwar spannend, aber mussten vielleicht doch nicht hautnah miterlebt werden. So trafen wir uns dann gegen 17 Uhr im Manresa Zentrum, bummelten ein wenig durch die Läden und rasteten bei leckerem Eis und Milchkaffee. Eine kleine Gruppe von Aktivisten zog schließlich unsere Aufmerksamkeit auf sich und wir erkannten doch tatsächlich einen Volleyballtrainer im pinken Kostüm mit blonden Haaren an der Spitze. Nach einer kurzen belustigten Unterhaltung ließen wir sie ziehen und machten uns auch auf den Weg zurück zur Wohnung.
Heute verbringen wir erneut einen gemütlichen Chillsonntag bei Pasta, Serien und Wäsche waschen. Ich wünsche euch auch noch einen schönen Sonntag und morgen einen guten Start in die neue Woche.
Mein Lied der Woche:
4 Non Blondes - What's Up