Als sei das Alles nur ein Traum gewesen...
Ich hatte schon fast vergessen, wie es sich anfühlt fremd in einem anderen Land zu sein. Bis ich zurück nach Deutschland kam.
Ein Text über das Zurückkommen und der Frage nach Heimat
Der Abschied war seltsam schmerzlos, als würde ich nur ein paar Wochen wegfahren und dann wiederkommen. Niemand hat verstanden, dass es nie wieder so sein wird wie es war. Vor allem ich nicht.
Wie in Trance sehe ich die Bahngleise an mir vorbeiziehen. Ich drücke meine Hand gegen die Scheibe, als könnte ich so die vorbeiziehenden Häuser fassen und mich daran festhalten. Doch das einzige was ich spüre ist das kalte, glatte Fensterglas, das mich erbarmungslos von der Außenwelt abtrennt und verhindert, dass ich einfach rausspringe und umkehre. Stattdessen sehe ich mein Spiegelbild in der Scheibe und betrachte mein Gesicht, als wäre es das eines Fremden. Meine Augen glänzen verräterisch. Erst als mir die Tränen über die Wangen laufen, scheint mein Kopf verstanden zu haben, dass es jetzt vorbei ist.
Als wolle mich jemand einfach aus meinem Leben reißen und mir das nehmen, was ich mir so mühsam aufgebaut habe. Zurück in mein altes Leben stecken, an einen Ort, den ich ein Jahr zu vor noch als mein Zuhause bezeichnet habe. In eine Welt, die mir seltsam bekannt vorkommt, in der die Menschen eine Sprache sprechen, die so hart ist wie das Fensterglas im Zug und so vertraut wie die Schritte des Schaffners im Abteil.
Ich habe das Gefühl, dass die Zeit hier stehengeblieben ist. Alles sieht genauso aus wie immer, alle verhalten sich wie früher, alle tun das, was sie vor einem Jahr auch getan haben und trotzdem fühle ich mich fremd. Ich bin heimatlos. Gefangen zwischen zwei Welten, die eigentlich gar nicht so verschieden sind und trotzdem so weit voneinander entfernt.
Wie ein Wanderer an einer Wegeskreuzung, der nicht weiß welchen Weg er nehmen soll.
Wie ein Reisender, der überall zu Hause ist und doch nie wirklich ankommt.
Wie ein Schiffbrüchiger, gestrandet im Heimathafen, der erst mal Zeit zum Atmen braucht.
Ich bin nicht mehr die, die ich einmal war und ich will es auch nicht mehr sein. So Manches, das mir einmal wichtig war, scheint plötzlich belanglos. Dafür hat Anderes an Wert gewonnen. Meine Sichtweise hat sich verändert, meine Wertschätzung ist gestiegen. Die Zeit im Ausland hat mich geprägt. Nur nimmt das niemand wahr und ich kann es nicht erklären.
Vielleicht ist es das Lebensgefühl, vielleicht die Kultur und vielleicht auch der offene Geist jener Stadt. Das multikulturelle Treiben, die Internationalität. Eine Stadt, in der die Menschen nicht lange bleiben, nur eine kurze Zeit verweilen und dann weiterziehen. So wie ich. Eine Stadt, die von Bewegung lebt, die von Reisenden geprägt wird. Eine Stadt, in der die Menschen wissen was Heimatlosigkeit ist.
Womöglich bin ich gar nicht heimatlos, und trage im Gegenteil einfach mehrere Orte in mir an denen ich zu Hause bin. Und wenn die Erinnerung daran irgendwann verblasst, brauche ich nur in den nächsten Zug zu steigen, um zu wissen, dass ein Teil von mir immer dort bleiben wird.
Manchmal scheint mir dieses Jahr so fern zu sein, dass ich mich frage, ob das nicht Alles nur ein Traum gewesen ist. Ein wunderschöner Traum, vielleicht ein wenig wechselhaft, aber so intensiv, dass ein Gedanke, ein Wort oder eine Melodie schon ausreichen, um mich daran zu erinnern, dass das gar kein Traum war, sondern mein Leben.
Commentaren