250 km auf dem Fahrrad und was ich dabei gelernt habe
Das letzte Wochenende wollte ich einmal richtig raus, das Wetter war schön und wir hatten ein Fahrrad. Warum also nicht nach Viljandi fahren und auf dem Weg noch ein Päckchen in Tartu abholen?
Am Samstag bin ich schon morgens um 7:30 Uhr aufgewacht, weil die Sonne hier einfach verdammt früh aufgeht. Also hatte ich noch Zeit bis zu meiner geplanten Abfahrtszeit um 9 Uhr, ich konnte also in Ruhe frühstücken, meine Sachen packen, ein wenig Tee trinken und alles, was noch gebraucht wurde, laden lassen.
Trotzdem hab ich es am Ende geschafft, zu spät loszufahren, vielleicht auch gerade weil ich so viel Zeit hatte. Die Sonne hat geschienen, die ersten Kilometer bin ich noch mit viel Enthusiasmus und Geschwindigkeit angegangen, viel Zeit auf Schotterwegen im Grünen, sodass ich die Vögel hören konnte, Rehe, Hasen, Storche und Kraniche sehen konnte. Es war auf jeden Fall wunderschön, irgendwann kam es mir aber komisch vor, dass ich jetzt schon so lange geradeaus gefahren bin, also hab ich mal mein Handy danach befragt. Und tatsächlich hatte ich eine Abzweigung verpasst, also zurück und von dort wieder der selbstgeschriebenen Wegbeschreibung folgen. Und das hat ab dann auch ganz gut geklappt, sodass ich dann irgendwann auch in Tartu angekommen bin, wo ich mein Paket abholen konnte, nachdem ich irgendwann gemerkt hab, dass ich an dem falschen Postamt war, also nochmal zurück und dort das Paket abholen. Mein Magen war auch schon wieder bereit für Nachschub, also hab ich auf der Wiese vor dem Postamt ein Picknick gemacht und die Sonne genossen. Dadurch konnte ich dann auch das Päckchen und die mittlerweile überflüssige Jacke in meinem Rucksack verstauen und weiterfahren, relativ stumpf immer die gleiche Straße entlang, aber das hat mir auch schon gereicht. Ich hab zum Ende hin immer mehr Verzweiflungspausen gemacht, weil mein Hintern und meine Beine doch sehr wehgetan haben, die schönste auf dem Aussichtsturm über den Võrtsjärv. Da hab ich es doch bereut, dass ich meine Kamera nicht mitgenommen habe...
Aber ich habe es am Ende doch geschafft, ich bin in Viljandi angekommen! Dort bin ich sofort unter die Dusche gesprungen, was auch doch dringend nötig war. Danach gab es leckeren Tomaten-Mozarella Salat, der schon sehr stark nach Sommer geschmeckt hat. Aber am Abend war nicht mehr viel drin, wir haben das erste Spiel Siedler mit der Städte und Ritter Erweiterung gespielt, das Spiel ist auf finnisch, deshalb mussten wir noch viele Karten übersetzen und ich mich immer wieder über das bescheuerte Design des Plastik Siedlers aufregen. Danach waren wir alle auch sehr kaputt, es war auch schon wieder 23 Uhr. Also sind wir alle ins Bett, weil die anderen am nächsten Morgen auch früh raus mussten.
Morgens haben wir dann nur zusammen gefrühstückt und sind dann alle unsere Wege gegangen, ich hab mich wieder auf das Fahrrad geschwungen und bin zurück gefahren, die anderen zum Brunch auf eine Farm im Sooma Park, wo zwei andere Freiwillige arbeiten.
Der Rückweg verlief diesmal unterhalb des Võrtsjärves entlang und nicht wie der Hinweg oberhalb. Und meine Beine durften selber merken, dass es in Estland sehr wohl Hügel und Berge gibt. Zwischendurch ging mein Weg auch auf einer sehr Offroad Piste durch den Wald, wo ich froh war, dass ich zumindestens eine Vorderradfederung hatte und ein halbes Mountainbike, mit einem richtig gutem hätte das aber sicher noch mehr Spaß gemacht, als es das schon so hat.
Ich bin auch am Sonntag wieder angekommen, zwar erst abends um 21 Uhr, aber ich hab es geschafft, 250 km in 2 Tagen. Danach bin ich erst einmal für eine halbe Stunde unter die Dusche gegangen, was sehr gut getan hat. Dann hab ich einen versalzenen Reis gegessen, was aber meinem Salzhaushalt sicher gut getan hat, nachdem ich so viel geschwitzt habe, und dann bin ich einfach ins Bett gefallen.
Was hab ich also gelernt?
1. 250 km sind ein bisschen viel, wenn man nach einer längeren Zeit wieder das erste Mal fährt.
2. Man sollte auch nicht einen ganzen Tag in der Sonne verbringen ohne Sonnenschutz.
3. Getrocknete Pflaumen sind ein schlechter Snack für zwischendurch, weil sie in erhöhten Mengen zu Durchfall führen, nicht das Beste beim Fahrrad fahren.
4. Estland ist hügelig!
5. Estland ist unglaublich schön
6. Vogelgesang kann die Laune unglaublich heben
7. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort kann man sehr viele Tiere sehen hier
8. Man sollte immer etwas Öl dabei haben