17 Tage später - ein herzliches "Moien!"
Die Zeit vergeht im Flug. Ein kurzer Bericht über Arbeit, Wohnung und On-Arrival-Training.
Wenn etwas Neues beginnt, fliegt die Zeit nicht mehr.
Sie rast.
Und ich rase zufrieden mit. (Sehr frei nach Herman van Veen)
Es ist ganz schön verrückt, dass ich jetzt schon mehr als zwei Wochen in Luxembourg bin. Zum einen verrückt, weil eine Sache die nächste jagt und die Langeweile es scheinbar aufgegeben hat, aus ihrem Versteck zu kriechen. Zeit, wo bleibst du? Und trotzdem habe ich gleichzeitig das Gefühl, schon ewig hier zu sein - ich fühle mich schon fast wie eine richtige Luxembourgerin. Ich weiß zwar nicht genau, was die fühlen, aber ich denke, ich bin nahe dran… Innerhalb der letzten 17 Tage habe ich ein luxembourgisches Konto eröffnet, (natürlich) meinen Wohnsitz geändert, eine Fahrkarte für das ganze Land bekommen und diese rege genutzt, eine Benutzerkarte für die örtliche Bibliothek erworben, fast jeden Supermarkt im Umkreis von ein paar Kilometern von innen gesehen, sage und schreibe 7 Tage gearbeitet, 4 Tage auf dem „On-Arrival-Training“ verbracht und viele supernette Bekanntschaften geschlossen, Besuch von zu Hause bekommen, viele Fotos gemacht, ein Schwimmbad getestet, ein Kino erkundet, die ganze Wohnung mit Postkarten und Fotos beklebt, mich in den wichtigsten Museen der Stadt gebildet, gekocht, Wäsche gewaschen (noch ist nichts eingegangen oder verfärbt!) und vieles, vieles mehr. Reicht das, um sich hier heimisch zu fühlen? Ich denke schon…
Aber jetzt noch mal Stück für Stück – ich werde zwar nicht alle Geheimnisse (=Arbeit, Luxembourg-Stadt, Wohnung, On-Arrival-Training, Freunde, Freizeit, Heimweh…) mit einem Mal enthüllen, aber ich werde damit anfangen.
Zuerst die Wohnung, da gibt es nicht sooo viel zu sagen: Ich wohne in der Rue St. Ulric und wer das sich bei googlemaps anschaut, sieht sofort, dass das fast direkt im Stadtkern ist. Zum Test bitte die Entfernung zu Fuß von meiner Straße zum Rathaus (= Hôtel de Ville Luxembourg) als Route eingeben und anschließend das Staunen nicht vergessen… Die Wohnung ist für zwei Personen (=Doro und mich) ziemlich groß und geräumig. Mein Zimmer besteht genauer gesagt aus zwei Zimmern, ist rot-grün-braun im Biedermeierstil eingerichtet und darin ist nicht nur ein riesen Bett, sondern auch ein wunderschönes Sofa und ein großer Fernseher. Wer den Absatz richtig gelesen hat, wird merken, dass Besuch immer herzlich willkommen ist!
Weiter geht es mit meiner Arbeit. Ich arbeite im Institut pour Infirmes Moteurs Cérebraux, einer Schule für geistig und körperlich behinderte Kinder. In meiner Gruppe gibt es neben zwei Mitarbeitern fünf Kinder zwischen 14 und 17, die alle schwerstbehindert sind. Das heißt, sie können nicht reden, sitzen im Rollstuhl, können sich teilweise auch nicht ohne fremde Hilfe bewegen, tragen Windeln, zwei werden sogar über eine Magensonde ernährt. Damit fällt Unterricht in dem Sinne komplett aus. Die Mitarbeiter sind auch nur in den seltensten Fällen wirklich Lehrer. Die meisten sind Sozialarbeiter, Erzieher, Krankenschwestern, Physiotherapeuten oder Heilpädagogen. Ich arbeite dreimal die Woche von 8.30 Uhr bis 16.00 Uhr und zweimal von 8.30 Uhr bis 14.30 Uhr – also ganz moderate Zeiten, auch wenn ich am Ende immer ziemlich fertig bin. Der „Schul“alltag besteht aus verschiedenen Aktivitäten wie Kochen, Rollstuhltanz, Keramik, Schwimmen, Rhythmik, Musik und Airtramp (das ist wie eine Hüpfburg, nur so groß wie eine (kleine) Turnhalle), wobei jeden Tag ein bis zwei davon auf dem Programm stehen. In der übrigen Zeit gibt es Essen (sehr lecker und vor allem viel), werden die Windeln gewechselt und Zähne geputzt. Zurzeit ist auch noch eine Praktikantin in meiner Gruppe und damit bin ich vor allem mit Zähne putzen, Rollstühle durch die Gegend schieben und der Hilfe bei den verschiedenen Aktivitäten beschäftigt. Beim Windeln und Füttern übe ich mich bis jetzt noch in der Beobachterrolle, was mir aber auch ganz lieb ist, denn es dauert eine Weile, bis ich mich an alles gewöhnt habe. So muss ich ehrlich zugeben, dass es mir am Anfang total schwer gefallen ist, mit den Kindern zusammen zu essen und während diese am Husten, Verschlucken und auch Spucken sind, mein eigenes Essen im Mund zu behalten. Das klingt vielleicht makaber, aber es benötigt halt seine Zeit, bis alle Berührungsängste verschwunden sind (beim Windeln sehr wichtig…!). Trotzdem macht die Arbeit Spaß – sobald man die Kids und ihre Launen ein wenig besser kennt, ist es auch viel einfacher und der Tag ist ein Erfolg, wenn eins unserer Schützlinge lächelt, gut isst, keinen epileptischen Anfall hat oder mit der Verdauung alles bis ins Letzte klappt.
Und zum Schluss will ich hier noch das On-Arrival-Training festhalten, weil das bis zu meinem nächsten Blogeintrag schon längst verjährt wäre. Von Dienstag bis Freitag trafen sich knapp 30 Leute in meinem Alter in einem kleinen Ort, eine halbe Stunde von der Stadt entfernt, um sich über ihren Freiwilligendienst (die Europäischen Freiwilligen) bzw ihre Schule (die, die am Comeniusprojekt teilnehmen – ein Schüleraustauschprogramm von der EU) auszutauschen. Dabei stand das gegenseitige Kennenlernen an erster Stelle, aber es war auch ein wesentlicher Punkt, Dinge, wie die eigene Motivation, die eigenen Ängste oder Konfliktsituationen unter die Lupe zu nehmen. Alles in allem ein paar echt schöne Tage mit sehr wenig Schlaf, aber dafür umso mehr netter (internationaler) Bekanntschaften… Ein paar davon fanden sich zum Beispiel am Samstag zum Koch- und Filmeabend in meiner bescheidenen Behausung ein.
Und um den Bericht abzurunden, fehlt noch der wunderschöne Herbstsonntag gestern, an dem mich meine Family besucht hat, noch ein paar Sachen, die auf der Hinreise nicht in meinen Koffer gepasst haben, mitgebracht haben und gemeinsam mit mir Luxembourg unsicher gemacht haben…
Bis zum nächsten Mal :)
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