Zwischen Realität und Tradition
Wasser - Quell des Lebens. Das empfindet Kerbchen wegen der Temperaturintoleranz der Leitungen ganz besonders so. Mindestens ebenso wichtig wie Wasser scheint Geld zu sein, um Wege zu ebnen.
Wieder einmal bin ich durchs Lande gestreift und habe dabei ein paar neue Erfahrungen gesammelt. Dabei spielt nicht nur Wasser eine große Rolle...
"Der blaue Himmel erstrahlt über der weiten schneebedeckten Ebene. Man kann den Blick kilometerweit schweifen lassen, ohne auch nur irgendeinen Baum, einen Strauch oder ein Haus zu sehen. Hin und wieder ist der Schnee bereits weggetaut und man kann in der Ferne vereinzelte veraltete Beförderungsanlagen für Rohstoffe erkennen. Plötzlich erhebt sich aus dem Nichts ein kleines Dorf umgeben von Bäumen und Pferdewagen. Dann gewinnt die Ebene wieder an Macht und lässt nichts als unendlich scheinende Felder zurück..."
Diesen Anblick bot uns die Landschaft Rumäniens auf dem Weg von Ruse nach Bukarest.
Mittwochmorgen brachen Eva und ich zur nördlichen Grenzstadt Bulgariens (Ruse) auf, um von dort aus den Zug nach Bukarest zu nehmen - dem Herzen Rumäniens. Ziel dieser Reise sollte sein, ein Visum für Eva in der bulgarischen Botschaft zu bekommen. Meines hatte ich bereits, verbunden mit großem Aufwand, verlängert bekommen. Die Fahrt verbrachten wir vor allem naturnah, angesichts der Tatsache, dass sich die Türen im Zug nicht schließen ließen und sich dementsprechend eine kleine geschlossene Schneedecke auf dem Gang bildete. Aber auch im Gespräch mit dem französischen Fotografen Pierre, der seit einigen Jahren in Bukarest lebt und eine Dokumentation über Yogaschulen für französische wie deutsche Zeitschriften anfertigt.
Nachdem wir uns nach unserer Ankunft von dem Schreck erholt hatten, dass es keine Möglichkeit gibt, bulgarische Leva in rumänische Lei umzutauschen, genossen wir unsere Zeit im Hostel "Villa Helga" und die Stadtbesichtigung mit der Australierin Emily.
Die Handhabung der Währung bereitete uns zwar einige Probleme, jedoch hatten wir dafür umso weniger in der bulgarischen Botschaft, sodass Eva ihr Visum ohne irgendwelchen zusätzlichen Kosten beantragen konnte. (Für alle, die nicht täglich die Nachrichten aus Rumänien verfolgen, eine kurze Info zum Währungsproblem: durch den Anschluss Rumäniens an die EU 2007 macht das Land gerade einen Währungsschnitt durch, was bedeutet, dass es überall sowohl Preise in alten Lei als auch in neuen Lei gibt, als kleines Beispiel: 1 Million alte Lei = 100 neue Lei = 28 Euro)
Überhaupt bekamen wir in den drei Tagen eine Menge über das "Untergrundleben" Rumäniens, speziell Bukarests mit. Schon auf der Zugfahrt wurde uns klar, dass Geld dort einen viel höheren Wert als irgendein anderes Gut hat. Die Pässe am Grenzübergang wurden von beiden Länderseiten mehrmals scharf kontrolliert - wobei man dabei wissen muss, dass man sich höchstens drei Monate ohne Visum in Rumänien aufhalten kann - was jedoch die Reisenden nicht davon abhält, vorher einen Obulus an eine der Polizeidirektionen zu zahlen, um dadurch bei der Passkontrolle keine Probleme zu bekommen.
Im Hostel trafen wir dann auf den italienischen Österreicher Manuel, der seit zwei Jahren in Bukarest lebt und selbstständig mit Straßenkindern zusammenarbeitet. In Kooperation mit Schulen und Hilfsorganisationen in Rumänien und anderen Ländern versucht er, in der Hauptstadt Kids und Jugendliche von der Straße und insbesondere von den Drogen wie Heroin und Klebstoff wegzuholen. Er beschrieb uns, wie schwer es auf der einen Seite sei, den Kindern wirklich zu helfen, da viele das Leben auf der Straße bevorzugen - im Sommer verdienen manche das Zehnfache an den Touristen von dem, was ein Rumäne auf „normalem“ Wege verdient. Das Durchschnittseinkommen liegt laut Aussagen bei rund 150 Lei (= 45 Euro). Und das bei den europäischen Preisen in den Geschäften! Auf der anderen Seite sei es so einfach, die Dokumente für Jugendliche zu besorgen, die ins Ausland geschickt werden sollen. Mit 1500 Euro sei es möglich, einen kompletten Pass mit falschem Namen zu bekommen.
Und als ob jemand meine These unterstützen wollte, sehe ich auf der Heimfahrt nach Ruse in meinem Abteil, wie auf einmal 200 Euro (von einer mitreisenden Frau zu einem Grenzkontrolleur) den Besitzer wechseln...
Nach diesem turbulenten Wochenende zurück in Varna, mussten wir ernüchtert feststellen, dass wir dank der niedrigen Temperaturen immer noch kein fließendes Wasser im Haus haben. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie sehr man Wasser zu schätzen lernt, wenn man damit beginnt, Mineralwasser im Geschäft zu kaufen und Schnee im Kochtopf aufzutauen, um damit wenigstens ein bisschen Geschirr aufzuwaschen. Bei inzwischen zweieinhalb Wochen ohne Wasser schätzt man vor allem auch seine Freunde umso mehr, insbesondere Danscho, unseren Mentor und Robert, bei dem wir zurzeit so gut wie eingezogen sind und in einer Art WG wohnen. Nichtsdestotrotz ließ ich mir aber auch unter diesen Umständen den Spaß nicht nehmen und beschloss, zusammen mit Eva, Robert und Zlatina, die Möglichkeit eines Tschitalischtes zu nutzen und einmal in die Kleider bulgarischer Trachten zu schlüpfen. Was dabei herausgekommen ist, kann man ziemlich gut anhand der hinzugefügten Bilder sehen, findet Ihr nicht?! :-)
Mit weißen Wintergrüßen verabschiedet sich damit für heute
Eure noch nicht ganz eingefrorene Annika
P.S.: Für das Auftauen der Wasserleitungen benötigen wir übrigens mindestens zwei Nächte mit plus vier Grad Celsius sagen die zuständigen Experten: Also schickt uns ein paar Sonnenstrahlen! :-)