Zusammen ist man weniger allein
Im Laufe eines Freiwilligendienstes lernt man völlig neue Leute kennen, die den Verlauf des Jahres bedeutend prägend. Hier sind 10 Tipps, um die Kennlernphase zu erleichtern und stabile Beziehungen für ein einzigartiges Jahr aufzubauen.
Als mich eine Freundin aus Deutschland in der Slowakei besucht hat, um sich alles anzusehen, schaute sie sich die vielen tristen, heruntergekommenen Häuser an und fragte mich: „Wie hast du das eigentlich ein Jahr lang ausgehalten?“
Das ist eine sehr gute Frage, die ich mir manchmal auch im Rückblick stelle. Ich habe eine Vielzahl von Antworten darauf, etwa dass meine Arbeit mich begeistert und erfüllt hat oder dass meine Familie mich die ganze Zeit von Deutschland aus unterstützt hat. Aber wenn ich ehrlich bin, dann war der bedeutendste Faktor: „Ich habe ein super Team.“
Im Laufe unseres Freiwilligendienstes begibt man sich in eine sehr ungewohnte Situationen. Man wird wild mit einer Gruppe völlig Fremder mit verschiedensten Hintergründen und Persönlichkeiten zusammen gemixt und in vielen Projekten lebt und arbeitet man mit den gleichen paar Personen zusammen. So war es auch bei mir: Ich war praktisch 24 Stunden am Tag mit Leuten zusammen, die vor ein paar Monaten noch viele Tausend Kilometer von mir entfernt wohnten.
Dabei habe ich im Laufe dieses Jahres erkannt, dass es egal ist, wo der Freiwilligendienst einen hinführt. Es ist nur wichtig, mit wem man dort ist. Man kann Glück haben und das Team besteht aus wundervollen, offenen Menschen, die einen bereichern und mit denen man jahrelange Freundschaften schließt. Oder man hat Pech und die Chemie in der Gruppe stimmt einfach nicht und es kommt immer wieder zu Konflikten und Auseinandersetzungen. In diesem Jahr habe ich beobachtet, wie wichtig ein funktionierendes Team ist.
Denn innerhalb eines Jahres in einem fremden Land wird es immer wieder schwierige Zeiten und Enttäuschungen geben. Und in Momenten wie diesen sind die Menschen, die einen umgeben, die wichtigste Unterstützung, die man haben kann. Die meisten Freiwilligen aus meinem Umkreis, die ihr Projekt abgebrochen haben, hatten keine funktionierende Unterstützung durch Freunde und Kollegen. Doch wer eine gute Beziehung mit seinem Wohnungs- und/oder Arbeitsteam hat, bekommt Rat und Hilfe. Auch Heimweh lässt sich besser ertragen, wenn man stabile soziale Kontakte am Einsatzort hat.
Gute Beziehungen zu unseren Mitmenschen sind sogar bewiesenermaßen gut für unsere Gesundheit. Arbeitnehmer in einem hilfreichen Team leben laut einer Studie der Universität in Tel Aviv länger. Zum Glück machen die meisten Europäischen Freiwilligen die Erfahrung, nette Menschen in ihrem Einsatzland kennenzulernen. 85% der Freiwilligen in einer Studie gaben an, dass sie ihre Teamfähigkeit verbessert haben. Und ganze 97% meinen, dass sie gelernt haben, besser mit einer Person mit einem anderen kulturellen Hintergrund klar zu kommen.
Damit es auch bei euch klappt, habe ich ein paar Tipps zusammen gestellt, um durch die ersten Monate des Kennenlernens zu kommen und eine gute Beziehung zu den anderen Freiwilligen am Einsatzort aufzubauen:
1. Der erste Eindruck kann täuschen! Ich habe leider den Fehler gemacht, mein Urteil über meine Mitstreiter zu früh zu fällen. So entgeht einem aber die Gelegenheit, einen Mitmenschen besser kennenzulernen! Komm mit deinen Teamkollegen ins Gespräch und stelle ihnen Fragen. Vielleicht habt ihr Gemeinsamkeiten, die du gar nicht erwartest und es entwickelt sich eine wundervolle Freundschaft daraus!
2. Am Anfang lohnt es sich, viel gemeinsam Dinge zu unternehmen. Kocht zusammen und unterhaltet euch während dem Essen! Oder macht einen kleinen Ausflug in eure Umgebung (dabei kann man auch prima gleich den Ort erkunden, in dem man gelandet ist). Gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse schweißen zusammen und sind die Grundlage, um Vertrauen aufzubauen.
3. Sei offen für Unterschiede! Es kann am Anfang frustrieren, wenn kulturelle oder Altersdifferenzen beinahe unüberwindbar scheinen. Aber es muss nicht so sein! Jeder von euch Freiwilligen bringt seine eigene Perspektive, Fähigkeiten und Persönlichkeit ins Miteinander. Das ist ein unglaublicher Reichtum, aus dem man schöpfen kann. Lernt voneinander! Studien bestätigen, dass homogene Teams weniger produktiv sind als solche, die aus verschiedenen Persönlichkeiten bestehen. Erst durch Austausch kann Neues entstehen.
4. Bezieht alle ein! Es kann sein, dass ein Mitglied der Gruppe gerade am Anfang schüchtern ist oder sich aus irgendeinem anderen Grund aus dem Miteinander zurück zieht. Trotzdem solltet ihr dieser Person immer wieder die Möglichkeit geben, teilzuhaben an gemeinsamen Erlebnissen oder Projekten. Ansonsten kann sich diese Dynamik über den Rest des Jahres fortführen und die Person fängt an, sich ausgeschlossen zu fühlen.
5. Geht aufeinander zu! Nicht alle haben die gleichen Möglichkeiten. Gerade die Sprachbarriere ist dabei immer wieder ein Thema. Einige der Freiwilligen sprechen vielleicht nicht so gut Englisch wie die anderen. Dann ist es wichtig, sich dieser Person gegenüber einfacher auszudrücken und sie dennoch in die Gespräche einzubeziehen. Was vielleicht am Anfang wie ein Extraaufwand scheint, zahlt sich am Ende bestimmt wieder aus, denn ihr lernt eine weitere Person mit all ihrem Wissen und ihren Meinungen genauer kennen.
6. Seid offen und ehrlich zueinander, besonders im Streitfall! Der größte Fehler, den man in einem so engen Zusammenleben und -arbeiten machen kann, ist, nicht richtig miteinander zu kommunizieren. Wenn dir etwas nicht gefällt oder du ein Problem hast, rede mit den anderen darüber. Dabei ist es wichtig, offen, aber respektvoll miteinander zu reden. Wenn alle Beteiligten bereit sind, Kompromisse zu machen und gemeinsam zu einer Lösung zu kommen, wird sich das Problem im Nichts auflösen. Redet ihr nicht miteinander, werden sich die negativen Gefühle immer weiter aufstauen und am Ende kommt es zu einem riesigen Streit, der nicht mehr so einfach zu lösen ist.
7. Setzte deine Grenzen! Internationale Kommunikation und Toleranz sind schön und gut, aber jeder Mensch braucht auch seinen Freiraum. Gerade wenn man mit anderen Freiwilligen zusammen lebt, besonders auf engem Raum, kann das manchmal schwer sein. Deswegen ist es von Anfang an wichtig, den anderen mitzuteilen, wenn man ein bisschen Ruhe braucht um allein zu sein und Energie aufzutanken. Ansonsten geht ihr euch sicherlich bald auf die Nerven. Es lohnt sich auch, Freundschaften außerhalb des Wohnungs- und Arbeitsteams zu schließen. Vielleicht kommst du ja mit einem lokalen Bewohner in Kontakt? Oder mit einem Freiwilligen aus einem anderen Ort? Diese Freundschaften können dir helfen, wenn es im „Stammteam“ gerade nicht rund läuft. Und auch sonst sind sie eine Bereicherung für dein Auslandsjahr!
8. Habe Geduld mit dir selbst und mit anderen! Stabile, erfüllende Beziehungen lassen sich nicht über Nacht aufbauen. Es kann sein, dass es erst eine Weile braucht, bis ihr Vertrauen aufgebaut habt und gut miteinander auskommt. Das ist kein Problem. Und auch wenn ihr euch eigentlich gut versteht, es aber trotzdem immer wieder zu Konflikten kommt, gib nicht auf! Durch Konflikte und Herausforderungen lernt man am meisten und eure Beziehung zueinander kann auch durch Krisen gestärkt werden.
9. Sei offen für Veränderungen deiner selbst! Einen Freiwilligendienst zu absolvieren ist eine aufwühlende und verändernde Erfahrung. Auch das Zusammenleben mit einer Gruppe völlig neuer Menschen kann eine prägende Wirkung haben. Du veränderst dich in diesem Jahr sehr und damit vielleicht auch deine Beziehungen zu deinen Mitmenschen zu Hause oder im Projekt. Das ist normal und gut! Auch wenn Beziehungen kaputt gehen oder neue aufgebaut werden ist das ein normaler Prozess und gehört zu der Erfahrung dazu, die du gerade durchlebst. Es wäre schade, wenn du zurück nach Deutschland kommst und die Dinge genauso siehst wie vor deinem Jahr.
10. Sei du selbst! Dieser Punkt ist vermutlich der wichtigste auf der Liste. Um das Beste aus deinem Jahr und den Beziehungen mit deinem Mitmenschen herauszuholen, ist es erforderlich, dass du dich nicht verstellst. Nur wenn du deine Persönlichkeit akzeptierst und ausdrückst, kannst du ehrliche, bereichernde Freundschaften eingehen. Außerdem durchschauen deine Mitmenschen Verstellung schneller als du denkst! Bleib authentisch und du wirst sehen, dass du im Nichts Freunde findest, die dich für deine Eigenarten und Charakterzüge mögen und wertschätzen. Und diese bleiben dann vielleicht dein Leben lang!
Quellen:
https://europa.eu/youth/sites/default/files/evs_factsheet_and_impacts_apr_2016.pdf abgerufen am 19.9.17
https://ec.europa.eu/youth/gallery/new-features-and-figures-evs-european-voluntary-service_en abgerufen am 19.9.17
https://www.thebalance.com/tips-for-team-building-1918512 abgerufen am 19.9.17
https://www.thebalance.com/tips-for-better-teamwork-1919225 abgerufen am 19.9.17
http://karrierebibel.de/teambuilding/ abgerufen am 19.9.17
http://karrierebibel.de/gruppendynamik-team/ abgerufen am 19.9.17
https://www.forbes.com/sites/theyec/2012/04/25/the-7-pillars-of-connecting-with-absolutely-anyone/#32a183b23419 abgerufen am 19.9.17
http://www.wikihow.com/Connect-With-People abgerufen am 19.9.17
http://www.chopra.com/articles/10-ways-to-deepen-your-connections-with-others abgerufen am 19.9.17
Brian Miller: How to Magically Connect with Anyone https://www.youtube.com/watch?v=D4cV8yfgNyI abgerufen am 19.9.17
https://www.youtube.com/watch?v=ZLTnNN9ecQY abgerufen am 19.9.17
Starla Fitch: Connect or Die: The Surprising Power of Human Relationships: https://www.youtube.com/watch?v=z-WwsALhH04 abgerufen am 19.9.17
Bildquelle: http://static.tumblr.com/5eb5150640f3d8dd39b276d573729454/u85limc/oPems7zh0/tumblr_static_hands_friend_hand_photo_best_friends_friends-ea8eea398cc8863bd61320857508208f_h.jpg abgerufen am 21.9.17